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pool #49 16.06.-21.06.2000
pool #48 / pool #50
Liquid Atoms
Solid Atoms
Sound Atoms
Odour Atoms
Als Reaktion auf Wind und Wetter schwingt jeder See in charakteristischer Weise. Seit man
sein Wasser abgesenkt hat, ist der Chiemsee deutlich verstimmt. Die
Schwingungsberechnungen von Zürichsee und Luganersee wurden von Wissenschaftlern auf
elektronischem Weg über einen Synthesizer in Töne umgesetzt. Sie klingen fremd, erinnern
entfernt an das Brausen eines Sturms, mitunter auch an den Klang von Orgeln oder Glocken.
Abb.: Melodien der Welt - Chieming am Chiemsee
Andreas Neumeister - 16.06.00 at 19:11:47
Gedicht, wo nix los ist.
Abendland und Untergang,
zwei Rentner aus dem Plattenbau,
betreten ihre Lieblingskneipe.
Sagt Abendland: Ich nehm ein Bier.
Sagt Untergang: Ich auch.
So sitzen sie und trinken.
Sagt Abendland: Mein Freund -
Sagt Untergang: Wer? Ich?
Dann lachen sie und trinken.
Was wolltest du denn sagen?
fragt Untergang. Und Abendland
versucht sich zu erinnern. Es fällt
ihm nicht mehr ein. Sie rauchen.
Wir melden uns zurück, sobald sich
HelK m, - 18.06.00 at 11:46:29

Für Eckhart Nickel
Martin Fengel - N.Y. - 18.06.00 at 19:04:19

Nr.23, Isa Melsheimer, Berlin, - 19.06.00 at 12:34:36
1
Schwiegermutterbeleuchtung: Eine niedrig über den Feldern stehende Sonne. Im
Spätnachmittagslicht wirkt das Getreide reifer, blättert keine Farbe mehr von den
Wänden. Das Gras ist sogar auf der Straßenseite der Böschung grün.
2
Die Taufe hatte in der Dorfkirche aus dem frühen 13. Jahrhundert stattgefunden. Das
Gutshaus ist etwas jünger. Die Silberschale, in die die Namen unzähliger Täuflinge der
Familie eingraviert worden sind, konnte auf der Flucht gerettet werden.
3
Was bleibt: tobende Kinder beim Empfang unter alten Bäumen, naßgespritzte Kleidchen und
aufgeschürfte Knie. Und natürlich die dezenten Fragen der Tanten, die sich nicht trauen
und doch wissen wollen, ob denn nun endlich, vielleicht... Es sei ja nicht schön, so
allein... Das Lachen beim Verneinen ist schon oft gelacht worden.
4
Es war, als hätten die letzten achtzig Jahre nicht stattgefunden.
Carmen Samson Berlin, - 19.06.00 at 16:28:47
Nichts außerhalb Europas ist fremdartiger als Europa selbst
Es gibt nichts Fremdartiges außerhalb Europas, das in Europa nicht eine Entsprechung
hätte.
Europa, das ich von Kind auf kenne, ist mir fremder als dieser Ort, den ich immer noch
Fremde nenne.
Die Fremdheit Europas ist am stärksten an den Orten, die ich erinnere.
Ich selbst bin diese Fremdheit, und sie bewegt sich an einem vertrauten Ort.
Das Einatmen der jüngst Verstorbenen.
Hinter der U-Bahn-Station steht der Tempel, am Rande eines großen Parkplatzes. Dahinter
liegt die Stadt der Toten. Straßenschilder zeigen die Nummern der Pavillions, in denen
der Tote ein letztes Mal aufgebahrt wird. Die Pavillions sind aneinandergereiht wie die
Häuser einer Vorstadtsiedlung. Jeder von ihnen hat einen Schrein und davor Kissen oder
mehrere Reihen farbiger Metallstühle. Je nach Geschmack haben sie getönte Scheiben wie
die modernen Bungalows oder sind reich verziert mit vergoldetem Holzschmuck wie die
traditionellen Häuser, vor der Moderne.
Kleine Tempel liegen dazwischen verstreut, in ihren Umfriedungsmauern ruhen die Toten.
Jeder Pfosten dieser Mauer birgt eine Urne. Und auf jedem ein Schwarz-Weiß-Foto. Immer
sehen sie in die Kamera. Ihr Name steht darunter in goldener und geschwungener Schrift.
Sogar auf dem gemauerten Sockel der gegenüberliegenden Straßenlaterne ist ein Bild, das
Foto eines Jungen, nicht älter als 12 Jahre.
Die Stadt wird bevölkert von Kindern auf Fahrrädern, Mönchen in braunen Roben,
Straßenverkäufern, die Spieße braten, Frauen und Männern in dunklen Anzügen, die sich
auf die Stühle eines der Pavillions setzen und plaudern. Wasser wird ihnen gereicht in
Plastikbechern, die versiegelt sind.
Weiter hinten wird die Stadt leerer, Müll stapelt sich vor den Pavillions, Särge, die
auf einem Haufen liegen mit Einwegtellern aus Styropor. Ohne Übergang mischen sich
Grabtempel reicher Leute mit Kindergärten, Schulen, Wohnhäusern. Aus dem oberen
Stockwerk eines hellblau gemalten Hauses hört man eine Blaskapelle üben. In einem der
letzten Pavillions liegt ein Mann ohne Hemd und sieht Fern.
Die Stadt endet an einer Mauer ohne zweiten Ausgang. Katzen streunen, es ist still. Erst
auf dem Rückweg sehe ich das Krematorium mit dem hohen Schornstein. Ein kleiner,
geschmückter Scheiterhaufen steht davor mit Holzscheiten aus Plastik. Neben der Stahltür
eine Staffelei mit dem goldgerahmten Bild eines älteren Mannes. Die Angehörigen, die
herumlaufen und mich in ein höfliches Gespräch verwickeln, warten bis ihr Toter an der
Reihe ist.
Sven Lager - Bangkok - 19.06.00 at 19:50:50
1.) Fernando Offermann
2.) Comme des Garcons
Christian Kracht Bangkok, Thailand, - 20.06.00 at 18:11:48

Für Rebecca Casati
Martin Fengel - N.Y. - 20.06.00 at 20:20:34
die Welt ist fremd, alles andere wäre langweilig
die Welt ist fremd, alles andere wäre Betrug
die Welt ist fremd, alles andere wäre langweilig
die Welt ist fremd, alles andere wäre Betrug
die Welt ist fremd, alles andere wäre langweilig
die Welt ist fremd, alles andere wäre Betrug
die Welt ist fremd, alles andere wäre langweilig
die Welt ist fremd, alles andere wäre Betrug
die Welt ist fremd, alles andere wäre langweilig
die Welt ist fremd, alles andere wäre Betrug
die Welt ist fremd, alles andere wäre langweilig
die Welt ist fremd, alles andere wäre Betrug
die Welt ist fremd, alles andere wäre langweilig
die Welt ist fremd, alles andere wäre Betrug
die Welt ist fremd, alles andere wäre langweilig
die Welt ist fremd, alles andere wäre Betrug
die Welt ist fremd, alles andere wäre langweilig
die Welt ist fremd, alles andere wäre Betrug
Abb.: Schabrackentapir in freier Wildbahn
Andreas Neumeister, Mjunik, - 20.06.00 at 23:36:16
"Feldmann liegt wie ein Pin-up-Girl auf dem Rasen". Feldmann ist der Hund des
Nachbarn. Angeblich. Ich habe ihn nie gesehen, da hinter dem Efeufenster. Und nie bellen
gehört. Lebe in zwei Wohnungen, habe zwei Schreibtische an zwei Fenstern, zwei
Papierstrände mit kantigen Papierdünen, habe zwei Nachbarn, einen Galeristen und einen
Schrottsammler, der Galerist hat fünf grüne Garagen und stellt im Sommer Pavillons im
Garten auf, immer gibt es Sturm und die Pavillons flattern um die Kunst, der
Schrottsammler kniet auf dem Bürgersteig, neben den Katzenfutternäpfen eine
Apfelkornflasche, und wenn die leer ist, will er mich kaltmachen. Ich liege im Bett und
strecke beide Arme zur Decke, mache Fäuste, bin Kate und hänge am Geländer der Titanic,
ist kalt und gleich knalle ich ins Eiswasser, Feldmann wird mich aufschlagen hören, wenn
es ihn gibt, Jack ist wohl schon abgestürzt, schwimmt da unten rum oder macht Kaffee in
der Küche. Ich lasse mich fallen und robbe durch die Bettwäsche zum Schreibtisch. Würge
meinem Computer dem Brieföffner in die Mechanik, der Ein-Aus-Schalter hält nicht von
alleine. Nie überrascht mich dieser Computer, meldet nie 'Ausnahmsweise wurde Windows
richtig beendet. Wir brauchen heute kein Scan-Disc durchzuführen', dann müsste ich
dieses homöopathische Gezappel der gelben Balken nicht ertragen, mir fällt nie ein, was
ich machen könnte, am Schreibtisch vor diesem Fenster oder jenem, während Scan Disc
zappelt, wenn ich ein Haushaltsbuch führen würde, könnte ich in irgendeine Spalte 5
Mark für Zigaretten eintragen, führe ich aber nicht, warte ich also und überlege schon
mal, ob ich Undo brauche und wo ich sowas wiederfinden würde. Ich hole mir ein T-Shirt,
das Eiswasser macht Flecke auf dem Stoff, Fenster geöffnet und los. Der Hund des
Erzählers ist still.
kathrin glosch - 21.06.00 at 12:31:51

Ursula Döbereiner Berlin, - 21.06.00 at 13:17:52
Vielen Dank, Martin Fengel, für dieses andächtige Motiv.
Rebecca Casati münchen, - 21.06.00 at 15:32:06
Scha-bracke die; -, -n /Trenn.: ... -bra-cke/ - türk. - (früher für: verzierte
Satteldecke; Prunkdecke; ugs. abwertend für: abgenutzte, alte Sache, baufälliges
Gebäude)Abb.: Schabrackentapir im Magdeburger Zoo
Andreas Neumeister - 21.06.00 at 17:28:00
An: gloria@ampool.de
Liebe Gloria,
ich warte nun bereits seit über 14 Stunden auf die Abbildung des
Schabrackentapirs in freier Wildbahn von Andreas Neumeister. Gibt es ein
technisches Problem?
Ich würde mich sehr über das angekündigte Bild freuen.
Mit freundlichen Grüssen
Rafael Horzon
pool per mail - 21.06.00 at 18:40:26
Der Plan: Es ist eine fremde und seltsame Welt.
Martin Fengel: Weird!
From Parador Javea to Prado.
From Disco to Disco.
From El Rodat to El Greco.
Una semana santa en espagna con Senator Juergen Nerger.
Hat einen irgendwie kopflos erledigt.
Soundtrack: Moloko.
Abb.: Casa Pepe (Xavia)
Eckhart Nickel Madrid, Hotel Asturias, - 21.06.00 at 19:39:52
Die Großmutter meiner Frau (sagt man: Schwiegeroma?) hat es mir oft gesagt: Wenn sie
gewisse Dinge verlegt gehabt, an einem gewissen Ort dreimal gesucht - und nicht gefunden
hat: Hingekniet und zum heiligen Antonius gebetet. Prompt sei der vermißte Gegenstand
genau da gelegen, wo sie vorher schon dreimal gesucht hatte.
Heiliger Antonius, jaja - in Wahrheit sind diese vermißten Gegenstände in einer Art
Quantenzustand, sie werden erst durch Berechnung an einen Ort gefesselt. So suchte ich
z.B. heute nach dem knallgeleben Reclamheft des Kirschgartens und zwar zweimal,
vergeblich, in einer ANSONSTEN LEEREN schwarzen Jutetasche.
Das ganze Haus hab ich durchsucht, dann hab ich mich hingesetzt und nachgedacht. Und
festgestellt, daß der Kirschgarten 'eigentlich' in der Jutetasche sein MUSSTE.
Tatsächlich war er da dann auch.
Abb.: R. Horzon wartet auf den Schabrackentapir
HelK m, - 21.06.00 at 20:38:57
alt:
"rogue states"
- Irak
- Iran
- Kuba
- Libyen
- Nordkorea
- Sudan
- Syrien
neu:
"states of concern"
- Irak
- Iran
- Kuba
- Libyen
- Nordkorea
- Sudan
- Syrien
Abb.: Madeleine Albright
alte mit neuer Weltordnung vergleichen
"Schurkenstaaten" mit "Problemstaaten" vergleichen
Andreas Neumeister - 22.06.00 at 14:19:58
TApir (österr.: TapIr) der; -s, -e /indian./ (südamerik. u. asiat. Unpaarhufer)
Abb.: Kolumbianischer Schabrackentapir für Rafael Horzon
A.N. - 22.06.00 at 14:34:40
Us Großmutter, die über seherische Kräfte verfügte, riet ihr vor einer langen
Autofahrt, sie solle sich, bevor sie in das Auto steigt, einen goldenen Strahlenkranz um
das Auto herum vorstellen. Dann würde ihr nichts passieren. Auch in gefährlichen
Situationen während der Fahrt, solle sie sich das immer wieder vor Augen führen. Wenn
ihr diese Vorstellung nicht gelingt, sollte sie eine Autofahrt unbedingt vermeiden.
Elke Naters - Bangkok - 22.06.00 at 16:21:15
zeitverlängernde Mittel
zeitverzögernde Mittel
zeitverkürzende Mittel
und schon werden die Tage wieder kürzer, zumindest nicht mehr länger,
bald werden sie tatsächlich kürzer, ich meine, eigentlich bleiben die
Tage immer gleich lang, die Nächte werden wieder länger, vorerst
zumindest nicht kürzer, ich meine, seltsam: der Sommer beginnt mit dem
allmählichen Kürzerwerden der Tage, ich meine, mit dem Längerwerden der
Nächte, seltsam: die Tage werden wieder kürzer und trotzdem wird es
immer noch wärmer, normalerweise zumindest, theoretisch zumindest
Abb.: Atomuhr NIST-7, National Institute of Standards and Technology
Andreas Neumeister, Froh'n'Leichnam - 22.06.00 at 23:59:25