© www.ampool.de / Archiv -> www.imloop.de

pool #45 15.05.-23.05.2000

pool #44 / pool #46



Ursula Döbereiner Berlin, - 15.05.00 at 09:23:15




der schalltote raum VII (späth)


späth: insoweit meine damen und herren:
späth: wir haben kein patentrezept.
späth: wenn wir beide einen guten mix haben - alte und neue ökonomie...


Kathrin Röggla - 15.05.00 at 10:46:10





Nr.18 (Waldohreule) Isa Melsheimer, Berlin _via a.d.b. , - 15.05.00 at 11:11:29




Das mit den alten Häusern, das haben wir immer schon gemacht. Verfallen und verriegelt, aber die 'Betreten polizeilich verboten' Schilder zerbrechen so leicht, und die Schlösser haben wir immer, also, so richtige Schlösser waren das nicht. Nicht nur Häuser, auch nie fertiggebaute Ferienanlagen, meine Schienenbeine waren immer zerkratzt, Stacheldraht, Dornen, Konservenbüchsen, irgendwas, was rote Streifen in die Haut ritzt. Schleusen auch, Fabrikhallen. Dann kamen die Friedhöfe. Rostige Drähte als Schloss, Friedhöfe, auf denen seit Jahren niemand war, Plastikblumengräber, die Totenbahre an die Mauer gelehnt, die roten Hüllen der Kerzen in die Kapelle geworfen, ein rotes Plastikmeer, das nach hinten, in den Raum hinein, immer dunkler wird, staubiger. Neben rostigen Kreuzen ein gelber Benzinkanister. Sprechen kann man da nicht, später erzählt die Kamera. Diese Orte kündigen sich an. Auf dem Weg dorthin wirft man Kassetten aus dem Schiebedach, weil die Musik nicht mehr dazugehört oder weil sie an irgendetwas erinnert, das das Finden verhindert, das Ankommen. Mitten im Refrain eine Taste gedrückt und zupp die Kassette auf die Autobahn geschmissen, kann er kommen, der Ort. Das geht auch, wenn man Chicken Mac Nuggets in parkende Cabrios wirft, aber da muss man dann schon zielen, dann wirkt das Ganze so ein bisschen gewollt, und man findet nichts, weil prätentiös eben nicht klar ist. Oder man findet nur etwas Kleines, oder etwas, wo Zivigruppen nachts Feuer machen. Manchmal muss man auch, weil man keine Lust hat, hinter zwei anderen Autos zu warten, rechts an den Klinkerinseln vorbei, die den Verkehr beruhigen sollen, und weil die meist in Wohngebieten sind, diese Inseln, fährt man nicht nur über den Bürgersteig, sondern auch durch die Rosenbeete, und hinterher weiss man immer nicht so ganz genau, warum man das nun wieder gemacht hat, aber sein musste es, und es hupt auch niemand. Wir tragen Titel, wir sind Beamte, wir werfen Sachen aus dem Fenster und haben Menschen sterben sehen, wir werden nachts wach, essen Pizza und warten auf das Video, das die Welt erklärt, wir kommen aus unwegsamen Geschichten und langweilen uns manchmal auf Partys, wir suchen die Orte, wir finden die Orte, das reicht.


Kathrin Glosch, Halle, - 15.05.00 at 11:52:21




Der Tag, an dem das verschwand
.
Am Tag, an dem das verschwand,
da war die uft vo K agen.
Den Dichtern, ach, versch ug es g att
Ihr Singen und ihr Sagen.
.
Nun gut. Sie haben es ver oren
Etwas Neues schien geboren
Doch die Dichter sind e astisch
Dichten auch ohne fantastisch
.
Beten ihrem Häupt ing nach
Daß sich fü t der A manach
Sch app und Schwänze nennt der sie
Ist doch Werbung sagen sie
.
Dichten fortan ohne
Ha ten das für orgine
.
Jedoch:
.
So ang das nicht wiederkehrt,
muß a es F ickwerk b eiben.

Nur eine kleine Variation auf ein Gernhardt-Gedicht.


Heiner Link München, - 15.05.00 at 22:23:18




Die Verschwörung ist die Grammatik der Welt


Tom Kummer Palm Springs, - 16.05.00 at 05:54:38




The Arrow was pure gold
But somehow missed the target
But as all golden arrow trippers know
'Tis better to miss Naples than hit Margate


Eckhart Nickel Heidelberg 1986, - 16.05.00 at 12:06:53




1
"Bitte nicht zurückspulen" stand mit fettem roten Filzstift auf der Kassette. Auf beiden Seiten. Meine Chefin reichte sie mir mit den Worten: "Frau X. bittet, unser Interview auf Seite B aufzunehmen." Frau X. schaute mich mit dunklen Augen an, die von den dicken Brillengläsern auf Eulenformat vergrößert wurden. Vogelgleich hockte sie auf dem Stuhl, und ihre Stimme war ein merkwürdig piepsiges Murmeln, als sie sagte: "Haben Sie das verstanden? Wirklich Seite B. Die meisten Leute meinen, auf Seite A müßte man anfangen, keine Ahnung warum. Vielleicht wollen sie ja nur helfen, wie üblich, sind besten Willens und so. Aus Gründen, die nur sie selbst kennen. In diesem Fall wäre das aber alles andere als hilfreich, und ich möchte Sie also bitten, ohne zurückzuspulen auf Seite B aufzunehmen."
2
Ich ging in den durch eine Glaswand abgetrennten Nebenraum zur Tontechnikerin, um ihr diese Anweisungen weiterzugeben, den Frage-Leitfaden in der Hand. Als ich zurückkehrte, sagte mir Frau X.: "Nur ein kleiner Hinweis, denn ich bin für so etwas selber immer dankbar und nehme an, daß Sie es auch sind. Es wäre wesentlich freundlicher gewesen, wenn Sie den Leitfaden hiergelassen hätten. Dann hätte ich ihn mir in Ihrer Abwesenheit anschauen können, mich vorbereitet. Meinen Sie, das könnten Sie beim nächsten Mal - nicht bei mir, denn so vermessen bin ich ja nicht, zu glauben, man könnte mich noch einmal interviewen wollen, aber bei dem nächsten Interviewpartner - berücksichtigen?"
3
Ich nickte schweigend. Worüber Frau X gesprochen hat, weiß ich nicht mehr. Es ist aber auf Seite A ihrer Kassette zu hören. Gleich am Anfang.


Carmen Samson Berlin, - 16.05.00 at 13:06:57




Druckabfall in der Atmosphäre, die Luftfeuchtigkeit steigt von 60 auf 80%, ein Mond um den Hof, der rote Zeiger vor der Apotheke zeigt abwärts, Sasa, sagt man, hört 6000 Ohm dröhnen und Max Frisch schreibt:
"ohne ein deutlicheres Geschehnis als dieses, ohne das Eigentliche einer sonderlichen Tat, welche bleibt, vergeht unser Dasein in Ohnmacht irdischer Verwandlung, verlieren wir uns an das traumhafte Rätsel der Zeit, Frühling um Frühling."


Eckhart Nickel Heidelberg, - 17.05.00 at 00:14:58




Bin eben über dem Mischgerät eingeschlafen.
Habe Folgendes geträumt:

Verona Feldbusch wird am Donnerstag
um 21 Uhr zu den philippinischen Geiseln
stoßen und Schwung in die Bude bringen.
Besonders spannend wird sein, wie sich
ihr Verhältnis zur nominierten Renate
entwickelt, die das Haus bereits mehrmals
freiwillig verlassen wollte.


HelK m, - 17.05.00 at 01:34:29




pool45_4.gif (1721 Byte)

 


antje dorn berlin, - 17.05.00 at 11:59:24




Ein Kugelschreiber, roter Halter, rote Spitze, weiße Hülle, und darauf steht dann in schwarzen Lettern:

Gloria 2000 - Reinigungsservice
Telefon 06151 - 784064


Eckhart Nickel Heidelberg, - 17.05.00 at 14:32:28




Es ist genau der gleiche Blick. Eine Reihe von Menschen, hinter denen die Stadt vorbeifährt. Eine Station, an der neue Menschen einsteigen, stehen, sich an einen freien Platz setzen. Fahren. Die Gesichter ansehen . Die Türen piepen, bevor sie schließen.
Es ist mir erst gar nicht aufgefallen. Der gleiche Blick. In Berlin: Blickkontakt. Hart. Irre, die alle durchdringend ansehen, Jugendliche, die einen Kaugummi kauen und durch einen hindurchsehen, kurz checken, wieder durch einen hindurch sehen. Also: die gegenüberliegende Reihe ansehen, aber nicht in die Augen sehen. Zu viel. In Sekundenbruchteilen zu viel Lebensgeschichten. Oder der Nadelblick. Ganz selten auch, kurz hinsehen, nett, wieder weg, hin, weg, vorsichtig, ein bißchen gaga das, PingPong.
Hier: Gleichmut. Mit dem gleichen Gefühl sitze ich in der U-Bahn, dem angestrengen Berlin U-Bahngefühl und sehe: Gleichmut. Asiatische Gesichter. Leer. Eine Kunst. Leer wie das alleinstehende Wort: Gesicht. Und dann passiert etwas Unglaubliches. Ich kann die Gesichter ansehen und gleichzeitig an das weiterdenken, was ich schon beim Hochsteigen der Treppe zur U-Bahn dachte. Die Gesichter, über mehr als sieben lange Stationen, erschließen sich meinen Augen sanft als Landschaft.


Sven Lager - Bangkok - 17.05.00 at 21:23:57





Nr.19 (Zwergfledermaus), Isa Melsheimer, Berlin , - 17.05.00 at 23:55:37




Mein Gast heißt Achim Kobe. Daß ich ihn kenne, habe ich meiner Mutter zu verdanken. Als ich nach Berlin zog, sagte sie, daß er auch hier wohne. Ich könne ihn ja mal anrufen.
2
Das tat ich trotzdem. Als ich in meine erste eigene Wohnung zog, brauchte ich jemanden zum Helfen. Damals, als Studentin, bedeuteten Umzüge noch ein paar Wagenladungen voller Kartons und Koffer, und auf dem Weg den gebrauchten Kühlschrank von Großtante Ilse im Altersheim abholen. Nur das Bett, auf einem Kirchenbasar gekauft, war ein bißchen sperrig.
3
Hinterher tranken wir, auf Kisten sitzend, Sherry aus der Flasche. So hatte das meine Mutter wahrscheinlich nicht gemeint.
4
Das alles ist fünfzehn Jahre her. Wir haben uns selten, aber eigentlich immer zu besonderen Ereignissen gesehen. Bei der Hochzeit meiner Schwester. Meiner Verlobungsfeier. Verschiedene Vernissagen.
5
Beerdigungen hatten wir noch keine.

 


Gespräch mit Achim Kobe


Gäste


Carmen Samson - via Bangkok - 18.05.00 at 17:13:57




Gerade ist die idyllische Ruhe am Pool dabei, gefährlich zu werden. Seit Montag ist der pool-Autor Tom Kummer eine Berühmtheit. Im Focus erschien eine ausführliche Geschichte, die ihn als Fälscher von Interviews mit Kim Basinger, Sharon Stone, Brad Pitt, Courtney Love und Bruce Willis darstellt. Die Pressesprecher der Genannten erklärten sämtlich, die von Tom Kummer an das SZ-Magazin verkauften Interviews seien nie geführt worden, er habe sie vielmehr frei erfunden. Soweit die Vorwurf. Würde er sich als wahr erweisen, hätte er für Tom Kummer gravierende zivil- und strafrechtliche Folgen.

Heute können wir in der SZ einen Artikel von Alexander Gorkow lesen, in dem er die Position des SZ-Magazins nach dieser Enthüllung referiert. Uns soll hier (vorläufig) nur dessen letzter Absatz interessieren:

"Und Kummer? Der verbreitet via Internet den Satz "Die Verschwörung ist die Grammatik der Welt" und wird damit auch in anderen Zeitungen zitiert. Allein, auch der Satz ist nicht von ihm." Er stammt von Claudius Seidl.

Feinsinnige Betrachtungen über die nach postmoderner Ansicht aufgehobenen Grenzen zwischen Realität und Fiktion überspringe ich an dieser Stelle.

Zunächst will ich nur eine Frage stellen: Hältst Du, Tom Kummer, es nicht für angezeigt, zu den erhobenen Vorwürfen hier Stellung zu nehmen, nachdem pool in der Presse als Dein Sprachrohr bekannt geworden ist?


Georg M. Oswald - 18.05.00 at 17:49:45







Für Moritz v. Uslar


Martin Fengel - N.Y. - 18.05.00 at 18:21:56




STORM THE REALITY STUDIO

Liebe Poolster, Boys & Girls
wenn Euch meine Anwesenheit belastet, trete ich hier sofort ab.
Zuvor möchte ich noch klarstellen:
Pool ist nicht mein Sprachrohr. Nie gewesen. Ich habe es immer als Work-in Progress-Studio verstanden. Das ist alles.
Momentan mag ich Pool als Sorgenbrecher und Ersatz-"Kumpelnest". Hier kann ich bluefishblaue Cocktails trinken und das Delirium in netter Gesellschaft pflegen. Das ist wirklich alles.

Wer sowas wie ein Sprachrohr erleben will, sollte am 27. 5 um 14.00 Uhr ins deutsch-amerikanische Institut in Heidelberg kommen. Dort werde ich einen Vortrag zum Thema "Moderne Mythen" halten - mit vielen netten Familienfotos und so.

Man wir mich an einem T-Shirt erkennen, wo draufsteht: LAPD


Tom Kummer Los Angeles, - 18.05.00 at 20:02:20




Für Tom Kummer

Reality used to be a friend of mine.
Und wer je ein Interview geführt hat, weiß, daß es verdammt noch einmal die Ausnahme ist, wenn der Interviewpartner druckfähige Aussagen von sich gibt, abgesehen von der Frage, ob es sich dann um interessante Dinge handelt. Das hat niemand besser gewußt als Vladimir Nabokov, der seine Aussagen nur schriftlich nach Einreichung interessanter Fragen formulierte. So haben wir ihm Meilensteine der Kunstform Interview zu verdanken. Kummer hat lediglich den Spieß umgedreht und jetzt regen sich die Spießer auf, die Faktenhuber, was für ein Skandal. Dabei hat Kummer doch nur bewiesen, was für ein interessanter Interviewpartner er ist. Ein anderer Meister der Fiktion, Glenn Gould, hinterließ uns sagenhafte Dinge wie "Glenn Gould interviews Glenn Gould about Glenn Gould". Wer der Traumfabrik zuarbeitet, hat Träume zu nähren. Wer aufzeigen will, wie klein die Welt selbst im größten Geist ist, redet lediglich denen nach dem Mund, die vom Leben nichts als die Bestätigung hören wollen, daß der Rest der Welt keinen Deut besser, eleganter oder klüger ist als sie selbst.
Entertain me.


Eckhart Nickel Heidelberg, - 18.05.00 at 20:24:49




Ich bin sowieso fürs Klauen und fürs Fälschen, das ist noch immer die ehrlichste Variante der Wahrheit.
Sehr amüsant, wie die Presse plötzlich den Moralismus (der übrigens mir vorbehalten ist) hervorkehrt. Bleib da, lieber Tom Kummer, laß uns die Welt neu erfinden
die alte ist zum Kotzen
und wenn nicht zum Kotzen
dann ist sie sterbenslangweilig
Kann man sich was Blöderes vorstellen, als die Welt 1 zu 1 abzubilden?
Und das hat weniger mit postmodernen Erkenntinssen zu tun
vielmehr mit besonders merkwürdigen Ausläufern von journalistischen Karriereentwürfen/Vorstellungen
Edel geht die Welt zugrunde
Warum denn
Laßt sie doch unedel nicht zugrunde gehn
wobei das auch wieder etwas übertrieben ist
aber nicht ohne Eleganz


Heiner Link München, - 18.05.00 at 22:09:21




Nein Nein lieber TOM,
um himmelswillen BLEIB.
Jetzt, wo du ein Star bist.

Das hat doch nichts mit POOL zu tun.
Das ist doch im Gegenteil, das Gegenteil davon.

Eckhart hat sehr schön alles gesagt, was es dazu zu sagen gibt.
Und jetzt reichts auch wieder darüber. So ein Focus Irrsinn,
vorzeitiges Sommerloch oder was? Gefälschte Hitlertagebücher?

Oswald "the Judge": die Ruhe am pool ist keine gefährliche,
eher eine ratlose meinerseits. So what? Frage ich mich,
sind die den alle bescheuert? Müssen wir jetzt auch darüber schreiben,
weil es - blöd genug, alle tun und keiner denkt: So what? Fuck Focus.


Elke Naters - Bangkok - 19.05.00 at 08:00:54




Dienststelle/Vorgangsnummer: 12. BPH/E WTZ 55127 Mainz
Ort, Datum: Berlin, 18.05.00

- Sicherstellungsprotokoll (X)
- Beschlagnahmeprotokoll
- Asservatenverzeichnis

Anlaß: präventive Sicherstellung nach § 22 POG
Betroffene/r: Andreas Michael Neumeister
Ort, Zeit: Berlin, Kommmandantenstraße 16.50 Uhr

Anzahl und Bezeichnung der Gegenstände: ein 36er Fotofilm der Marke Müller Process C 41
Wo sichergestellt? (Fundort/Zuordnung): Berlin (Kommandantenstraße)

(bitte alle Fotos entwickeln, auch unscharfe Fotos)

Name, Unterschrift des Beamten: Pülz, PM inzA

Durchschrift erhalten/ Unterschrift der/des Betroffenen:


Andreas Neumeister, Berlin, - 19.05.00 at 08:42:04




Literarisches Manifest

PHLEGMA

Lieg im Bett
Les Oblomow
Schreib wenig
Oder besser gar nicht
Und wenn:
Fass Dich kurz

PS. Meine Bank hat den Kredit wieder zurück gezogen. Jetzt muss ich wohl arbeiten gehen. Oder Aktien verkaufen. Hat jemand nen Posten als Holzfäller?


lorenz schröter berlin, - 19.05.00 at 11:33:50




1
Als ich noch eine Wohnung mit Gästezimmer hatte, wohnten gelegentlich Freunde von Freunden darin, die in Berlin zu tun hatten. Eine Militärhistorikerin, die für ihre Doktorarbeit recherchierte. Eine Sozialpädagogikstudentin, die eigentlich nur heiraten wollte und das auch bald tat.
2
Mein Vetter lebte damals noch. Er fragte, ob seine amerikanische Kollegin bei mir wohnen könne. Sie hieß Sharon. Später, in den Tagen vor seiner Beerdigung, erfuhr ich, daß er dieser Kollegin Sharon wegen fast seine fünfjährige Beziehung beendet hätte. Aber das kann auch bloß ein Gerücht sein.
3
Sharon war blond, zierlich, und, wie ich bei einem Abendessen feststellen konnte, zu dem ich einen guten alten Freund eingeladen hatte, eine Meisterin darin, Männer zu umgarnen. Erst viel Witz, dann ernst: Wie kann Gott zulassen... Es klappte bestens, und mein Gästezimmer diente ihr nur noch als Umziehstube.
4
Als Sharon die Verlobung mit meinem guten alten Freund auflöste, war er das, was man "am Boden zerstört" nennt. Ich lud ihn am Sonntag darauf zu einem Tee ein. Zum Kuchen brachte er das Interview mit der blonden, zierlichen Sharon Stone im SZ-Magazin mit. Es bestünde eine frappante Ähnlichkeit zwischen den Äußerungen Sharon Stones und dem, was er gerade erlebt hatte, fand er.
5
Dies ist eine wahre Geschichte.


Carmen Samson Berlin, - 19.05.00 at 12:05:25







Ursula Döbereiner Berlin, - 19.05.00 at 12:45:27




Zum Fall Tom Kummer:

Super. Ich bewundere seinen Mut, sich so in die Nesseln zu setzen und alles zu riskieren. Wer seine zwei Zwetschgen beisammen hatte, konnte doch ahnen, dass exclusive Interviews, und zwar lange Interviews mit erstaunlichen Antworten sonst so stromlinienförmiger Stars, dass solche exclusiven Interviews ohne exclusive Fotos, also ohne Fototermin für SZ-Fotografen, nun ja, irgendwie rochen.
Das hätte jeder riechen müssen. Auch Kilz, Riehl-Heyse, etc.
Ich hoffe, dass Kummer nun berühmt wird und der Spiegel ihn kauft. Berüchtigte Autoren sind doch allemal besser als Langeweiler. Gut für pool.
Klar das Focus so eine Geschichte bringt. Gut reingebrezelt. Denn wenn wir was gelernt haben, ist doch, dass eine gute Geschichte eine gute Geschichte ist. Besser wäre es natürlich, wenn sich Focus die Geschichte auch ausgedacht hätte!


lorenz schröter berlin, - 19.05.00 at 14:21:58




Focus schreibt Tom Kummers Starinterviews sind erfunden.
Focus interviewt Tom Kummer.
Tom Kummer belügt Focus.
Focus druckt Tom Kummers Lügen.
Die BZ schreibt im Focus stehen nur Lügen.
Alle schreiben über Tom Kummer. Tom ist jetzt ein Star.
Alle wollen mit ihm sprechen, er spricht mit keinem.
Der Starreporter Kummer führt ein Interview mit Star Kummer.
Exclusiv. Und wieder gibt es keine Tonbandaufnahmen.


Elke Naters - 19.05.00 at 16:56:45




Geht's euch noch gut? Das ist kein poetologischer Diskurs, der hier geführt wird. Es kann höchstens die Frage gestellt werden, ob sich Tom mit unkonventionellen Arbeitsmethoden über die Zwänge der Publicitymaschine hinweggesetzt, heißt, Instanzen übersprungen, Hierarchien negiert und somit der Arroganz in Hollywood die Harke gezeigt hat, oder ob er ohne Warnung Interviews ablieferte, die nie stattfanden und somit Tatsachen gefälscht hat. Das eine wäre eine journalistische Meisterleistung, das andere die Verachtung gesellschaftlicher Grundlagen.

Journalismus muß seine Glaubwürdigkeit bewahren. Das Klischee von der fünften Macht im Staat mag abgelutscht sein, aber es gibt noch andere Aufgaben, als zu unterhalten. Im Journalismus darf Unterhaltung nur stilistisches Mittel sein, um das Publikum bei der Stange zu halten. Inhaltlich darf es nicht um das Konstrukt von Realitäten, sondern um die Übermittlung von Tatsachen gehen. Gerade zu einem Zeitpunkt, an dem die Konsolidierung von Medienkonzernen zu einer vollkommenen Verzerrung der Realtitäten führt, an dem der kritische Gedanke ein Höchstmaß an Verstehen komplexer Zusammenhänge erfordert, an dem die Welt und die Machtpositionen neu verteilt werden, muß es eine verläßliche Instanz geben. Das ist keine Frage der Coolness.

Warum glaubt ihr, sind die Jungs und Mädels in Seattle und Washington für euch auf die Straße gegangen und haben sich mit Tränengas beschießen und Gummiknüppeln verprügeln lassen? Das war nicht die Spaßguerilla, die ein Happening zur Unterhaltung des CNN-Publikums veranstaltet hat. Da geht es um die ganz altmodische Frage wir oder die. Und die entscheidende Waffe einer Gegenkultur sind im Zeitalter der anti-Aufklärung durch Infotainment und Informationsüberflutung die vielzitierten, ach so uncoolen, dringend notwendigen Fakten als Basis für ein Verstehen. Auch in Hollywood. Hollywood ist keine wabernde Traumfabrik. Hollywood ist eine knallharte Wirtschaftsmacht. Es gibt keinen Unterschied zwischen Steven Spielberg und Bill Gates.

Um beim Vergleich zu bleiben - es gibt zwei Angriffsmöglichkeiten. Der Hacker kann das System für einen kurzen Moment stören und sich als Anarchist feiern lassen. Damit wird er das Gegenteil erreichen - die Legitimierung einer gnadenlosen Verhärtung und Reaktion. Oder man begegnet dem System mit einem adäquaten Arsenal. Mit dem Wissen um die Vergehen und Schwachstellen des Gegners. Nur dann kann man etwas verändern.

Ach ja - der Zusammenhang von Loyalität und kritischer Hinterfragung eines Freundes:

Wer Tom Kummer in dieser Situation für Dinge bejubelt, die derzeit von Anwälten geprüft werden und deren wirkliche Sachlage niemand kennt, affirmiert nur die Vorwürfe gegen ihn und wird ihm damit schaden. Zwischen Applaus auf Grund von Vermutungen und Verurteilung auf Grund von Vermutungen gibt es keinen Unterschied. Mal ganz davon abgesehen, dass es im eigentlich längst abgeschlossenen Fall Tom Kummer gar nicht um Tom Kummer geht, sondern um medienpolitische Strategien, die sich von außen nie erschließen werden. Na? Da haben wir's doch schon wieder. Wüßten wir, um was es wirklich geht, könnten wir auch damit umgehen. Aber so...

Herzlichst - euer Faktenhuber.


Andrian Kreye, New York, - 19.05.00 at 19:45:29




Danke Andrian. Um hier zu solchen Überlegungen zu kommen, wie Du sie in Deinem Beitrag formulierst, habe ich die Frage an Tom Kummer gestellt. Niemand kennt die Tatsachen, außer ihm. Es ist aber, wie Du besser weißt, als ich, der ich kein Journalist bin, auch für einen halbwegs aufmerksamen Zeitungsleser zu erahnen, daß der "Fall Tom Kummer", der, wie zu lesen ist, auf längst bekannten Fakten beruht, auf einen medienpolitischen Machtkampf hinauslaufen soll. Nur so ist zu erklären, warum der Focus ausschließlich das SZ-Magazin angreift, obwohl TKs Interviews auch in vielen anderen Publikationen abgedruckt waren. Mann lese Herrn Markworts höfliches Grußwort an das SZ-Magazin, das am gleichen Tag erschienen ist, wie der TK-Artikel in Markworts Focus. Diese kleine, konzertierte Aktion offenbart seine Ziele schon recht deutlich. Wer den Focus-Artikel dann genauer ansieht, wird auch erkennen, daß es nur vordergründig um TK geht. Der Untertitel etwa lautet: "Hollywood-Stars werfen dem 'Magazin' der 'Süddeutschen Zeitung' vor, Phantom-Interviews gedruckt zu haben" - und nicht etwa Tom Kummer, diese geschrieben zu haben. (by the way: dafür, daß "die Hollywood-Stars" diesen Vorwurf bereits tatsächlich formuliert hätten, findet sich in dem gesamten Focus-Artikel kein Anhaltspunkt. Lediglich dafür, daß deren Pressesprecher auf Anfrage nichts von Tom Kummer und den streitigen Interviews wussten. Wenn man bedenkt, was Pressesprecher sonst alles nicht wissen, kaum ausreichendes Material für den Beweis, die Interviews hätten nicht stattgefunden). Im Text des Artikels heißt es dann, "die Macher des oft gerühmten und hoch dekorierten Magazins [geraten] unter Fälscherverdacht". Und wieder nicht Tom Kummer. Der neidtriefende letzte Satz macht doch nur zu klar, worum es geht. Pünktlich zum Jubiläum soll das SZ-Magazin mattgesetzt werden, und Tom Kummer soll dabei als Bauernopfer herhalten. Und wenn er, aus welchen Gründen auch immer, die Interviews nachweislich gefälscht haben sollte, werden sie sich von allen Seiten auf ihn stürzen. Und vor diesem Hintergrund, den Schriftsteller, die die Zeitungen lesen, eigentlich ohne große Erklärungen kapieren sollten, habe ich meine Frage an Tom Kummer gestellt. Nicht als "the judge", sondern, um sich mit ihm zu solidarisieren, falls er grundlos zum Abschuß frei gegeben werden sollte. Etwas Idiotischeres aber, als ihn für unbewiesene Vorwürfe zu feiern, deren Nachweis ihn die berufliche Existenz kosten würde, lässt sich wohl kaum auszudenken.


Georg M. Oswald - 19.05.00 at 21:53:29





Nr.21(Habicht), Isa Melsheimer, Berlin , - 20.05.00 at 10:56:55




ROGER O. THORNHILL:
(eilt ins Zimmer, blickt sich kurz um)
Jetzt komm schon, Eve, wir haben keine Zeit zu verlieren.
EVE KENDALL:
(stützt sich keuchend auf dem Tisch ab, die Hand in der Taille, als hätte sie Seitenstechen)
Aber schau dir doch mal diesen Stuhl an! So einen habe ich ja noch nie gesehen!
(versucht vorsichtig, sich zu setzen)
ROGER O.THORNHILL:
Eve, wenn du jetzt nicht sofort mitkommst, dann mußt du Mount Rushmore gleich alleine runterklettern!
EVE KENDALL:
(wiegt sich im Stuhl, die Beine leicht gespreizt)
Aber jetzt guck doch nur, da drüben, der ausgestopfte Habicht!
(Schritte auf der Treppe)
ROGER O. THORNHILL:
(packt EVE KENDALL an der Hand und zieht sie aus dem Sessel hoch)
Das kauf ich dir alles zuhause in New York, wenn du jetzt endlich mitkommst. Sieh mal, da draußen im Kinosaal -- alles wartet nur auf dich. Können wir jetzt also bitte weitermachen?


Carmen Samson Berlin, - 20.05.00 at 11:49:32




LOOP LÄUFT WIEDER


pool - 20.05.00 at 13:56:22




Szenario Eins:
Tom Kummer hat die Interviews so geführt wie gedruckt. Dann gäbe es eine Einstweilige Verfügung gegen Focus. Dann gäbe es Tonbänder, wenigstens eins. Oder ein Autogramm von Brad für Tom. Dann hätte es andere Fotos zu den Interviews gegeben. Dann wären die Interviews auch in amerikanischen Printmedien erschienen.
Szenario Zwei:
Nun ja. Irgendwie aufgeplustert bis streng verfälscht, so wie Focus ihr Öcalan-Interview. Oder eben ausgedacht. Das tut man nicht. Journalismus ist nicht nur Unterhaltung, klar. Da muss die Wahrheit drin stehen. Ich selber fälsche keine Interviews, ich komme vom Hörfunk, da geht das schlecht. Inzwischen ist Kummer selbst ein Teil dessen über den berichtet wird. Und die Geschichte vom Schweizer Hochstapler, der sich mit Bruce Willis anlegt, ist natürlich eine super Geschichte. Niemand, weder Focus, noch Spiegel, noch taz hätte diese Geschichte auslassen dürfen. Das ist professionell und keine Verschwörung gegen das SZ-Magazin. Und ich hoffe, dass die Verantwortung nicht beim Magazin bleibt. Jeder Profi in der Führungsetage der Süddeutschen Zeitung hätte bei 19 (!) exclusiven Interviews mit Weltstars, an die man nur über Agenten kommt und die sich jede Frage vorlegen , jede Antwort abzeichen lassen, Verträge über Bildauswahl eingehen, die für deutsche Topmedien maximal 30 Minuten zum Filmstart zu sprechen sind, die sich die unbelichteten Filme vom Fotografen aushändigen lassen, damit auch kein einziges ungenehmigtes Bild die Dunkelkammer verläßt, da hätte in all den Jahren mal einer nachfragen müssen.
Was die Proteste von Seattle damit zu tun haben, verstehe ich nicht. Wenn Tom sich alles ausgedacht hätte, wäre dann die Freundschaft aus? Da die Autoren von pool vornehmlich aus Bayern stammen, kann man doch auch katholisches Verhalten erwarten.
Das Ganze ist sehr wohl ein poetologischer Diskurs. Was wissen wir? Was wollen wir wissen? Und wollen wir wissen, dass es nicht so ist? Wir haben die falschen Sharon Stone Interviews genossen. Jetzt geniessen wir die nächste Geschichte. Die von Tom Kummer.


Lorenz Schröter berlin, - 20.05.00 at 15:39:38




Neu in London:
Twister bei KFC - eine Art Lahmacun mit paniertem Hähnchen und scharfer Soße.
Toll: Grauhörnchenfüttern in Kensington Gardens. Die frechen Viecher kommen,
nehmen sich die Nuß und biegen einem die Finger auf, um zu sehen, ob nicht
noch irgendwo was zu holen ist.
Lou Reed in der Royal Albert Hall.
Spitalfields - das In-Viertel von Übermorgen.
Gedichte auf Lady Jane Grey und Mary Kelly.
Newcastle Brown Ale zu schätzen gelernt.
Zwei neue Sorten Kettle Chips: Sea Salt, Rosemary and Garlic und
Tandoori Masala - mit indischen Gewürzen.
Bayern ist Meister. Chelsea grüßt Unterhaching.


HelK South Kensington, - 20.05.00 at 20:54:25


antje dorn, berlin, - 21.05.00 at 00:49:58


1.)
fiction, non-fiction
non-fictive fiction
oder fictive non-fiction oder wie oder was?

Abb.: Satellitenbild Palm Springs

2.)
Es war nur mal eben um das Abfahren dieses kaum mehr erkennbaren Streifens zwischen Mitte und Kreuzberg gegangen, rechts ein Neubau mit irgendeinem Emblem in Bundesfarben, seriöse Architektur im Nachwende-Stil, als plötzlich von der Leipzigerstraße her Sirenen immer näher kamen, irgendein kleiner Banküberfall, dachte ich, sah wieder auf das Gebäude, Bundesdruckerei stand da, was machen die dort wohl genau, blöde Frage, da bogen die ersten Streifenwagen auch schon mit Affenzahn, Drehlicht und Horn in diese Kommandantenstraße ein, gefolgt von zwei unförmigen, gepanzerten Lastwagen, dahinter dann wieder Polizei, ich mußte das natürlich gleich fotografieren, wie ich zuvor gerade all die tollen Drei-Buchstaben-Akronyme an der Heinrich-Heine-Straße fotografiert hatte, ein trüber Tag, nichts mehr Hochsommer-Frühling, der Blitz schaltete sich ungefragt ein, noch ein Foto, noch ein Blitz und schon sah ich mich umringt von diesen jungen Leuten in Panzerwesten und umgehängten Maschinenpistolen, während die Panzerwagen durch ein plötzlich sich öffnendes Tor im Schlund des Bundesneubaus eiligst verschwanden, es sei strengstens verboten diesen Konvoi zu fotografieren, mein Film werde jetzt beschlagnahmt, Kollegen dort hinten im zivilen BMW würden jetzt meine Personalien aufnehmen, die sprachen pfälzisch, ja, man komme mal eben aus Mainz, aber was genau, das könne man mir natürlich nicht sagen ... fiction, non-fiction? Das Neue Berlin

Abb.: Satellitenbild Berlin


Andreas Neumeister - 21.05.00 at 01:33:54




Ströme - can you catch it?

So habe ich mir das Leben vorgestellt: den lieben Tag lang mails schreiben.
Dieses Thema, das, weite Verzweigungen. Snapshots, die fortgesetzt werden. Mit dem Mail-Fenster vor mir, verbinde ich die eine fortgesetzte Geschichte mit demjenigen, eine andere mit dem, der gleich darunter steht. Es erinnert mich, jetzt gerade, an Simultanschach. Das Sprunghafte, das eine weit größere Konzentration erfordert, als eine einzige Sache allein. Verwirrung, dieser Überblick.

Ein Blatt Papier. Ich habe mich hingesetzt und einen Brief geschrieben wie vor 2, 3 Jahren. Mit meinem Lieblingsstift, einem gelben BIG mit schwarzer, feiner Mine. Ich könnte ihm zusehen, wie er übers Papier gleitet, ich liebe seine Linien. Einen Brief schreiben kann ich damit nicht. Ich will, was die Ursache des Briefeschreibens ist, sofort: Kontakt mit dem anderen.

'Ein reger Briefwechsel', so hieß es früher. Heute maile ich mir mit A. in einer Stunde 6 Mal hin-und zurück. Was übrigens nicht so neu ist. Vor mehr als hundert Jahren sandte man sich Noten (kurze Mitteilungen) mit einem Kurier. Das ging dann sehr schnell in ein und derselben Stadt. Mit A. maile ich einmal um die halbe Welt. Wenn er ins Bett geht, stehe ich auf.

Nein, nicht Wunder der Technik, das meine ich nicht. Sondern wie sich Glück und Verwirrung paaren, einerseits an so vielen Briefwechseln schreiben zu können, wie es immer mein Wunsch war. Andererseits: Ich schreibe nicht an meinem Buch. Ich gehe nicht ins Bergwerk.
Auch das nicht, ich will das nicht ausführen: Das Schreiben. Es ist so privat und doch ein Allgemeinplatz. Die mails/Briefe führen mich zum pool, wie schon zu Anfang, zu der kurzen Form überhaupt. Wohin hat sie mich geführt, was habe ich von ihr gelernt?

Überhaupt, gemeinsam Schreiben, wie weit geht das? Network. Was kann das, was wir noch nicht getan haben? Hier. Das ist kein Zweifel. Eine Frage, leicht wie der Thaipop, der gerade im Hintergrund läuft, und nicht weniger ernst, denn:


pool wird in zwei Wochen, am sechsten Juni, ein Jahr.


Sven Lager genau hier, - 22.05.00 at 19:59:49




Zurück aus London, SPIEGEL gekauft, in Stupor verfallen:
das also ist die Rache der Redakteure am Stilisten,
ich meine den GLADIATOR-Artikel, der aus meiner
Feder stammen soll. Dazu muß man wissen, daß
ich ja schon unter meine Volksschuldiktate schrieb:
"Keine Änderungen ohne Absprache", aber diesmal
mußte ich dringend mal auf die Insel und gab mein
Okay zu "geringfügigen Kürzungen" (denn ich hatte
zuvor selbst nur 5000 statt 10 000 Zeichen beantragt,
war also selber schuld...) - jetzt sehe ich,
daß vom Text grad etwas mehr als die Hälfte übriggeblieben
ist. Jeder Satz wurde nach dem ersten Komma gekappt,
Fragen wurden zu Aussagen und umgekehrt, Absätze
wurden wild durcheinandergewirbelt , Historisches wurde
nach einem Blick in Meyers Volkslexikon umgeschrieben -
und stilistisch ist das jetzt voll nachtblaue Hose. Also:
lieber nicht lesen. (Der Film ist dennoch recht gut.)
Und was Tom Kummer betrifft, ich habe dazu in London
handschriftlich (Notebook kaputt) einige Seiten gefüllt und kann die
jetzt nicht mehr entziffern, bin auch müde - aber schließe
mich allem an, was Georg M.Oswald hier und im Fd13
dazu sagt, ich danke auch A.Kreye für erste klare Worte und war,
noch in London, während gierige Grauhörnchen mir am Bein
hinauf kraxelten, entsetzt über einige anscheinend in
Sauerstoffarmut geschriebene hybrid-popliterarische Affirmationen eines
schlicht anti-aufklärerischen Straftatbestands.
Wobei ich, jetzt muß ich das doch dazusagen, T. K. nachvollziehen,
verstehen und verzeihen kann, erstens, weil ich seine Interviews
nie gelesen habe und und mir solches Zeug auch völlig wurscht ist, zweitens,
weil ich immer schon mit Kleinkriminellen sympathisiert habe, und drittens,
weil die "fiktiv Porträtierten" von derlei Kaliber waren, daß hier nur einer
natürlich wuchernden Legendenbildung quasi mutwillig vorgreifend zugearbeitet wurde, was der Sache schon per se eine parodistische Note gibt. Und sie zuletzt so harmlos macht wie einen Feuerzangenbowlenstreich.
Das zu feiern, geht aber nicht. Und das im Nachhinein zum neuen
Stil zu erklären, mit einer 'Poetik für danach' zu verschwiemeln, geht auch nicht.
Geht schon, ist aber scheiße. Richtig scheiße.
Wenn T.K. damit wirklich zum "Star" wird, (es sei ihm gegönnt, sofern
er das will) dann ist er eben ein Star wie Zlatko, Verona Feldbusch oder Reich-Ranicki.
Ein neuer Auswuchs eines immer ekligeren Systems.

Übrigens, Elke: 'Das richtige Wort zum richtigen Zeitpunkt' ist nichts als der Slogan, der auf dem Zeitgeistmarkt absahnt, was Literatur und ihre im nietzscheanischen Sinne immer unzeitgemäße Zumutung zuvor erarbeitet hat.
Literatur kann nie zu früh kommen. Literatur ist da und wartet, bis sie gebraucht wird. Und ist auch nachher noch da, wenn der Slogan längst vergessen ist. Darüber hab ich einen schönen Aufsatz geschrieben,nachts in London. Ich kann ihn bloß ums Verrecken nicht mehr entziffern.


HelK m, - 22.05.00 at 21:00:08

 


Ursula Döbereiner Berlin, - 22.05.00 at 21:19:53




Ein Berliner über München 1

"Der Baier ist im Ganzen nicht so flüchtig in seinem Wesen als der Österreicher; er ist mehr gesetzt: hat nicht soviel Bewegung in den äußeren Gliedmaßen, einen langsamern Gang, einen festern Tritt. Der wahre eingeborne Münchner und Baier ist sehr leicht von einem andern wegzukennen. Er ist männlich höflich, und schämt sich, jemand eine Schmeicheley zu sagen, welche der andere nicht verdient, oder woran sein Herz nicht denkt. Er spricht über seine Angelegenheiten ohne allem Umweg, und setzt durch seine Kühnheit den höfischen Fremden in Erstaunen; denn der Eingeborne heuchelt nicht, und wo ihm etwas mißfällt, und zu Unrecht daucht, sagt ers geradezu, und beurtheilt öffentlich den Vornehmen, wie den Niedern. Er sagt es laut, und ins Gesicht sagt ers ihm."

Friedrich Nicolai, Schriftsteller und Wortführer der Berliner Aufklärung in seiner zwölfbändigen "Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz im Jahr 1781".


Heiner Link München, - 23.05.00 at 23:34:11