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pool #39 01.04.-07.04.2000

pool #38 / pool #40




Ende März 2000: Hammer und Sichel im Staatswappen von Österreich
Anfang April 2000: Hammer und Sichel im Staatswappen von Österreich

Abb.: Hammer und Sichel im Staatswappen von Österreich

(was ich H. schon immer fragen wollte: ob er irgendwas mit der Waffenhandlung am Münchner Ostbahnhof zu tun hat)


Andreas Neumeister - 01.04.00 at 17:25:42




nichts. ich erbe nichts. gar nichts. verdammt.


HelK m, - 01.04.00 at 17:41:40




loop-lesen statt rauchen statt fernsehn statt rauchen
loop-lesen und rauchen statt fernsehn und rauchen
loop-lesen und rauchen und fernsehn und rauchen:
loop-lesen und fernsehn ist irgendwie schwierig

kettenhören statt rauchen statt bb-schaun statt rauchen
kettenhören und rauchen statt bb-schaun und rauchen
kettenhören und rauchen und bb-schaun und rauchen:
kettenhören und bb-schaun ist irgendwie schwierig

Abb.: Executive Manipulator Bob Last

(kein Versuch: ich bewege mich ständig, als würde ich von Kameras verfolgt, ich meine, schließlich wird man ständig von Kameras verfolgt, ich meine, auf irgendeinem Monitor erscheint man ja immer, ich meine, irgendwann kriegt man schließlich Routine)

was ist eigentlich aus Bob Last geworden?


Andreas Neumeister Mjunik, - 01.04.00 at 18:33:33




Hanna kommt zu Besuch. Sie zeigt uns Fotos. Wir rauchen und reden, über das, was Fotografie kann und was nicht. Nebenan spielen die Kinder mit einem neuen Spiel. Eine piepsige Stimme sagt: "Möchtest du Blumen pflanzen oder etwas anderes spielen?" Ich überrede Hanna einen Caro-Kaffee zu trinken, statt einen richtigen. Mir wäre richtiger Kaffee auch lieber. Die Sonne scheint auf das Stockwerk über uns. Wir rauchen weiter. Elke hustet. Die Kinder gehen nicht gerne in den Kinderladen, aber das Trackpad macht ihnen keine Schwierigkeiten.
Axel kommt. Wir gehen über den Platz und testen das Skateboard. Müll wird weggeräumt von einem LKW mit Bürsten. Wir reden über die Klitschko-Brüder, essen Minipizza, dann Eis, das uns auskühlt, dann Döner. Der Himmel ist grau geworden, Berlin wieder meine Stadt. Hanna kommt vorbei und wir testen das Laufrad meiner Tochter. Ich habe die Kamera vergessen. Die Kinder wollen getragen werden. Mein Sohn will noch einmal wissen was sibirische Tiger sind. Die Turmuhr schlägt sieben. Maxim Biller scheint ein echter Kotzbrocken zu sein.


Worte können so abweisend sein. Mein Leben lang habe ich mich darüber geärgert, daß die abweisenden Jungs für die Mädchen immer interessanter waren. Ich habe mich immer nur in abweisende Mädchen verliebt.


Sven Lager - B., - 02.04.00 at 01:53:19




Heute erster Flohmarkt des Jahres in Gilching.
Wir gingen durch die Reihen - aus einer Bücherkiste
spitzte "Melodien", Hardcover, 2.Ausgabe. Wie neu.
Ich fragte die alte, sehr alte Frau, wieviel das Buch denn kosten würde.
"Ohne Handeln - drei Mark."
Ich gab ihr die drei Mark. Da fragte sie mich, ob ich den
Autor kennen würde.
Ein bißchen, antwortete ich.
"Der wohnt hier nämlich am Ort. Deswegen hab ich mir
das Buch nämlich gekauft. Ich hab auch die ersten Seiten
gelesen. Aber verstanden hab ich's net."
"Das kommt noch", sagte ich.
Sie lächelte, wie man lächelt,
wenn man ahnt, daß man lächeln sollte, aber nicht weiß warum.

Und die Sonne schien den ganzen Tag.


HelK m, - 02.04.00 at 17:48:13




1
Mein ältester Verehrer müßte etwa zwischen 85 und 92 Jahren alt sein. Genau weiß das keiner, aber fragen tut man es bestimmt nicht. Altgediente Gewerkschaftsfunktionäre wissen von patriarchalischer Haltung, von straffer Führung der Firma zu berichten. Aber diese Männer sind dann auch schon sehr alt. Und finden sich im Kreis ihrer neuen, smarten Nachfolger nicht zurecht.
2
Mein ältester Verehrer, der in anderer Hinsicht mein jüngster, weil am neuesten dazugekommener, ist, rief mich zum Valentinstag an (er wolle mir, sagte er im Gespräch, seine richtige Postleitzahl durchgeben ñ neulich, als er mir seine Visitenkarte überreichte, habe er die Zahlen verdreht notiert). Das war im Oktober gewesen. Als ich später die in englischer Schreibschrift, auf altmodisch schmaler Glanzpappe gedruckte Karte anschaute, sah ich, daß es stimmte. Ich glaube, ich werde meinen Verehrer nächstes Jahr zum Valentinstag anrufen. Mal sehen, was er dann sagt.
3
Als mein ältester Verehrer kürzlich in Berlin war, kam das Gespräch zum ersten Mal auf persönliche Angelegenheiten. Vielleicht, weil wir auf der Rückbank im Taxi so dicht an dicht saßen, vielleicht auch, weil mein Verehrer keine Zeit verlieren will. Und so fragte er mich: "Und wann gibt es Ihr ganz großes Fest?" Dabei hob er die Hände an die Schläfen und fuhr mit ihnen hinunter bis knapp unter das Schulterjoch. Er mußte die Frage zweimal wiederholen, auch die Geste, bis ich ihn verstand.
4
Meine Antwort fiel erstaunlich ausführlich aus. Wir hielten schon vor seinem Hotel, als er sagte: "Es heißt, ein Junggeselle lebt in seiner Jugend wie ein König und im Alter wie ein Bettelmann."
5
Ich kann den Grund nicht genau sagen, aber mein ältester Verehrer rührt mich.



Carmen Samson Berlin, - 02.04.00 at 18:54:23




Seit Tagen esse ich nur noch Käsebaguettes. Auf Bahnhöfen. Manchmal denke ich dabei an Lebensmittelvergiftung, aber nichts passiert. Ich steige aus dem Zug in den Zubringer zur Buchmesse, ich steige aus dem Zug nach Berlin, ich steige die Stufen zur soeben gekauften Fabriketage meiner Freundin hoch, in Chemnitz, da kann ich dann am Fenster stehen und auf den Fluss sehen, der eine Flurbeungradigung braucht, die er nicht kriegt, gibt Wichtigeres. Ich fahre irgendwo wieder ab und höre, im Bus, dass ich gar nicht erst zu kommen brauche, wenn ich nur so kurz bleibe, ich rufe Freunde an, auf dem Bahnhof, die haben ihre Handys abgemeldet, und wenn nicht, erzählen sie von ihren Börsengeschäften, hoch runter, 7000 allein in dieser Woche, warum machst du das nicht, sie, habt ihr nicht genug Monopoly gespielt, musstet ihr als Kinder immer alles wegräumen vor dem Schlafengehen, ich. Spielgeld, PC an, hoch runter. Aber 7000, willst du die denn nicht auch einfach haben, nur für lau? Ich fall nicht um deswegen. Es beißt mich nicht. Ich kaufe Feuerzeuge am Bahnhof, die nicht funktionieren, und ich gehe nicht nochmal zurück, um sie umzutauschen, obwohl der Zug erst in 25 Minuten kommt. In letzter Zeit sind sie immer alle kaputt, die Feurzeuge. Ich weiss nicht ganz genau, ob ich die richtige Fahrkarte habe, ich fahre oft schwarz, oder so halb, ich sehe nicht so aus, also passiert nichts. Sechs Städte, fünf Tage, ich komme lieber gar nicht erst zurück, werfe sonst nur meine Tasche in den Flur, um sie auszupacken, weil ich das hasse, weil ich das hasse, und dann springe ich drei Wochen drüber, über die Tasche, weil ich sie nicht auspacke, weil ich das hasse. Irgendwann bringe ich alles in die Reinigung, bügeln geht nicht, ich muss wieder zum Zug, kann mir nur merken, wann ich das alles wieder abholen muss, spätestens, wenn nicht, ist auch egal, ich will immer gleichzeitig alles tragen, bis es auseinander fällt, und jeden Tag was Neues haben. Ich gehe siebenmal zum Friseur, um je zwei Zentimeter abschneiden zu lassen, nicht auf dem Bahnhof zum Friseur, das nicht. Irgendwo erreicht mich dann die Sekretärin, da hat wer angerufen, wo denn mein Beitrag bleibt. Mein Beitrag - wozu. Will nur eine Summe, will stundenlang Benz fahren, will nicht mit Leuten am Tisch sitzen, die den Grappa wieder in die Flasche zurückgiessen, weil er zu schnell betrunken macht, und dabei nicht merken, dass der Grappa da, dass der im Hals kratzt und dass da einer reingespuckt hat, weil er genau weiss, dass am Ende des Abends irgendjemand über die Rechnung verhandeln wird, wohl in die falsche Rabattspalte gerutscht, sagen Sie mal. Später liege ich wach in einem Blindenwohnheim, ist vielleicht doch die Nicht-Scham des einen die Peinlichkeit des anderen?, und vor der Tür steht ein Fühlbaum, eine braune, nadelnde Tanne mit Konservenbüchsen dran, Schrammen in der Netzhaut nur vom Hinsehen. Und Mitleiden. Dann wieder Bahnhof, die Fernabfrage des Anrufbeantworters kennt mich nicht, vielleicht habe ich überhaupt keinen Wohnungsschlüssel mehr, vielleicht komme ich wieder und der ganze Plunder ist weg, ausrichten, nicht wieder einrichten. Vorher noch ein Anruf, Telephonkarte gültig bis, begrenzte Verbindung, wo steckst du denn, seit Tagen, hast du was Schwarzes dabei, Jans Vater ist gestorben, um vier ist die Beerdigung, das schaffst du. Das schaffe ich. Vorher noch ein Käsebaguette. Auf Bahnsteig 11 zieht es immer so.

Kathrin Glosch, Halle, - 03.04.00 at 18:17:26




die Verweigerung
der Verweigerung
war als Verweigerung gemeint

die Verweigerung
der Verweigerung
war als Zustimmung gemeint

you decide

Abb.: Il cadavere di Armando DeMarco portato via


Andreas Neumeister - 05.04.00 at 00:00:44



Alle haben darauf gewartet, jetzt ist es passiert: Sex bei Big Brother.
Nachts, heimlich, im Mädchenschlafzimmer, unter der Bettdecke mit der Infrarotkamera aufgezeichnet. Man sieht: eine Bettdecke sich bewegen. Man hört: Leises Ja....Ja von Kerstin. Dann kommmt Alex zu früh. Das ist alles. Die Kamera zommt auf die Bettdecke, als hoffte sie, diese würde sich durch die Auflösung des Kamerabilds ebenfalls auflösen, aber nicht einmal diese aufgelösten Bilder, bei denen man kaum mehr als eine Bewegung erahnen kann, machen den Sex zu dem, wie er normalerweise bei RTL 2 stattfindet. Stattdessen ist dieser: Normal. So beruhigend normal und harmlos, wie er eben bei normalen Menschen stattfindet, die heimlich Sex unter einer Bettdecke haben und wissen, daß hunderttausendmenschen dabei zusehen. Richtig nett ist das, da schaut man fast gerne zu, so wie man anderen beim Zähneputzen zusieht, weil man das von sich selbst kennt und zum ersten Mal hat Sex im Fernsehen auch etwas mit dem eigenen Sex zu tun. Dem normalen, leisen, unaufgeregten, netten Sex, den man sonst so nie sieht.


Elke Naters, Berlin, - 05.04.00 at 04:10:04




Lockermachen:

Wie ich dich liebe du: Bastard. Drecksstadt! Du Haufen Scheiße. Ich liebe deinen Glanz. Noch klingt Berlin wie: 'Berlin tut gut', Azubis in Lederjacken machen sich auf den Weg nach: Berlin. David Bowie singt zitternd Hymnen in Blond, Nick Cave und Blixa Bargeld drücken ihre Kippen in die Kunstledersitze der Linie 1. Die Menschen auf den Straßen sehen zwar noch genau SO aus, aber es ist vorbei. Gott sei Dank. Undankbar wie ich bin, habe ich dabei immer das wichtigste vergessen: Berlin: META STADT.
Nie ist es mir eingefallen, warum ich die langen Jahre hier war, warum ich immer noch hier bin. Berlin ist DIE GEDACHTE Stadt. Stumpf in den Erdboden gerammt worden vor einem Jahrhundert, eine Großsstadt als Sammellager des Proletariats. Wasteland. Die Stadt, die ich liebe, in der ich lebe, ist in meinem Kopf. (So wie, pardon, schreibe ich das richtig? Tutzingen für einige Tage eine Gedankenstadt war, deren Echo heute in den Zeitungen sichtbar war.)
Ganz im Gegensatz zu München. München ist in Wirklichkeit sehr viel größer als Berlin. München ist eine reale Stadt. Nähme ich alle Orte zusammen, die für mich Berlin ausmachten, zusammen wären sie nicht größer als der Parkplatz gegenüber. Die dunklen Löcher, die Clubs, die Wohnungen. Momente, die sich an Momente reihen. Gedankenketten in der Erinnerung. Platzsparend, Innenleben. Dabei ist Berlin: riesig. Freunde wohnen anderthalb Stunden entfernt, in der rush-hour kann ein Tag vergehen, um zu ihnen zu kommen. Der Raum, der Stadtkörper, der zwischen ihnen und uns liegt, ist eindeutig eine: Leerstelle. Schreiben. Da reinschreiben! Schreiben! Ein riesiger, weißer Körper, auf dem man schreibt.
Es ist so viel Platz, daß die ganze Neuerfindung Berlins, das NEUE Berlin, kaum auffällt. Eine ganze Stadt wird neu erfunden, vor allem: die reale Stadt, Plätze, Bauten, Bahnhöfe. Das ist so schön, daß wir in den letzten Jahren lachend über den Potsdamer Platz gingen, durch die Friedrichstraße. Wir freuen uns, sehen wir den riesigen Würfel des Kanzleramts. Die neue Mitte: wie ein rasiertes Sportlerbein. Wir weinen auch, aber immer sind wir heiter. So schnell ist die reale Stadt da, wie ausgedacht, neu, als hätte man die Verpackung gerade erst abgerissen.
Wie wichtig das alles ist? Nun: Gerhard Schröder mit seinem neuen Berlin ist so klein, SO, so klein mit Hut. Das ist ja das Nette, er findet auch Platz hier, der neue Reichstag, hierher, da, da hinten links, so ist gut. In einer Metastadt ist viel Platz.
Und die anderen Städte?
Hamburg war immer meine heimliche Liebe. Erst heute merke ich: wie romantisch. Der Hafen, der Wind, Menschen, die einem in die Augen sehen. Auch München liebe ich, mir unbekannt, die Isarauen, Straßen, in denen man spazieren geht, Fleischgerichte, die man tatsächlich essen kann. Und auch sehr romatisch: Stets eine Sonne am Winterhimmel.
Inzwischen habe ich es verstanden: Berlin war immer Matrix, ich immer Keanu Reeves. Auch Joachim Lottmann ist Keanu Reeves, der Kurvenstar sein kleines Raumschiff.

Siehe loop: sehr schöne Berlintexte.


Sven Lager, B. - 05.04.00 at 04:12:40




Elke Naters, Christian Kracht und Ich, mit der größten Bühnen- und Lightshow Europas unterwegs, live:

5.4. Zakk, Fichtenstr. 40, Düsseldorf
6.4. Mayersche Buchhandlung, Kortumstr. 72, Bochum
8.4. Roter Salon, Volksbühne am Rosa Luxemburg Platz, Berlin
9.4. Mojo- Club, Neuer Kamp 25, Hamburg
10.4. Muffathalle, Zellstr.9, München
*11.4. pool*party, Literaturhaus München
12.4. Club O 25, Ostparkstr. 25, Frankfurt
13.4. Buchhaus Gonski, Neumarkt 18a, Köln

welcome!


Sven Lager, Berlin, - 05.04.00 at 04:20:00




WHITE SPACE 3
(Sofia Coppolas Geisterbeschwörung & The possibilities and pleasures of Virgin Pasta Poetry)

PASTA OF SUBLIME SIMPLICITY
aglio olio

BASIC PASTA
amatriciana (tomato, chili flakes, bacon bits)

THE FLAPPY PASTA
a masterful play between elements
with its
RESERVOIRS
of creamy sauce
POP of peas
INNER SWEETNESS
and
the play between the

WHITE SPACE


Tom Kummer Los Angeles, - 05.04.00 at 20:10:41




was haben raf, jacob grimm, wiener gruppe, club ultraschall, to rococo rot und kathrin röggla gemeinsam?

Abb.: dpa


Andreas Neumeister - 06.04.00 at 00:29:41





Ich sitze in meinem Schnupfenturm. Da unten liegt das Li-La-Literatur-Land. Blasen steigen auf. Es macht Pop, pop, plop. Maxim Biller ruft eine neue Generation aus. Das macht er schon seit zwanzig Jahren, seit der Zeitschrift Elaste 1982. Als erstes wählt er sich dann selbst als Vorsitzenden. So weit, so geschickt. Als zweites beschimpft er alle seiner potentiellen Mitstreiter gegen 68er, 47er etc. als Nazi. Das ist eigentlich etwas kontraproduktiv und deshalb wiederum lobenswert. Erstaunlicherweise kommen dann alle doch immer wieder, wenn er nach Tutzing ruft. Ðbrigens ein Landkreis in dem 1945 nur ein einziger Bewohner nicht in der NSDAP war, der Dorftrottel.
Gestern habe ich Rainald Goetz gelesen, Dekonspiratione. Zuerst langweilte ich mich durch die ersten 135 Seiten, dann wird es echt echt. Er scheitert. Ðbermalt Arnulf Rainer-mäßig die ersten 135 Seiten. Rainalds schlechteste, aber menschlichstes Buch. Er war ja immer der steinerne Gast, der große, böse Mann, vor dem alle Angst hatten. Nicht nur wir kleinen Pophasen. Sondern alle. Von Hans Magnus Enzensberger bis Frank Schirrmacher. "Ja, Schatz, das stimmt."


Lorenz schröter Berlin, - 06.04.00 at 10:00:29




Tutzing?


HelK m, - 06.04.00 at 10:54:47




Tutzing! Kenn ich. Peter Maffay wohnt dort. Es gibt da auch so eine niedlich ungetarnte Außenstelle vom Bundesnachrichtendienst Pullach

Abb.: Seeuferpromenade Tutzing (Luftkurort)


Andreas Neumeister - 06.04.00 at 13:29:09



TUTZING & DAS BEVERLY-HILLS-SUPERBABY-MASSAKER

Unsere Nanny heisst Juanita. Auf einem Spielplatz nahe Benedict Canyon und Sunset-Boulevard, im zart gefilterten Licht von Palmen und Yuccas, sitzt sie meistens mit anderen Kinderfrauen auf hübschen Holzbänken. In der Mitte eines Ovals spielen ihre Schützlinge in BIJAN- und DKNY-Spielhosen auf Schaukeln und Wippen. Juanita gehört zur Nanny-Mafia, die tonangebenden Kinderfrauen von Beverly Hills. (Latino-Nannies sind die gnadenlosesten Snobs von Greater Los Angeles. Weisse und schwarze Nannies haben nichts zu melden. Nur eine Mutter, die ihr Kind selbst zum Spielplatz bringt, wird noch niedriger eingestuft. Sie ist ein absolutes Nichts, ha,ha,ha)
Es war Vier als ich Henry abholte. Der Wind wehte. Die Stämme der Palmen bewegten sich langsam im Rhythmus, während ihre luftigen Kronen in kreisförmigen Bewegungen leicht schwankten. Um meinen Sohn ein bisschen zu überraschen, trug ich ein PR-Hemd zum Film "The Virgin Suicides" (Eine süsse PR-Sister hatte es mir nach meinem Treffen mit Sofia Coppola geschenkt. Wirklich sehr freundlich)
Henry spielte mit Jennifer, einem kleinen, frühreifen Biest. Sie brüllte Henry ständig ins Ohr, warf Sand in sein Gesicht. (Jennifers Vater, soviel erzählte mir Juanita, sei der Regisseur Robert Zemeckis)
Jennifer Zemeckis quäkte also ständig auf Henry ein, dass ihre Schuhe echte Indianische Mokassin sind, hergestellt im Indianerland, wo Daddy mal gedreht hat. Und dann ging es so mit dem Singsang weiter, den sich Superbabies als frühe Folterinstrumente aneignen. Jennifer brüllte auf Henry ein:
"Deine Schuhe sind Plunder, Plunder, Plunder"
(Immerhin sind es Ledersandalen von Patagonia)
Henry schlug Jennifer die Hand ins Gesicht. Wunderbar. Jennifer antwortete mit noch mehr Sand. Und Juanita sagte dann:
"Oooh, schaut nur, Klein-Henry heult." und "Tutututu! Nicht weinen, Henry. Tutututut!"
Aber Jennifer Zemeckis warf wieder mit Sand um sich und schrie es noch lauter als vorher: "Plunderschuhe, Plunderschuhe"
Und so ging es einfach weiter, bis die Superbabyfolter bei mir ein Zucken im Arm und krampfartigen Schmerz im Hinterkopf verursachte. Am Stoff konnte es nicht liegen, ich war hundertprozentig clean. Trotzdem sah ich plötzlich, wie diese Jennifer Zemeckis vor mir aufschwebte, in der Luft hing, den Mund im stummen Röcheln geöffnet, während ihre sterbenden Gesichtszüge ineinander verschwammen und zu etwas anderem wurden.
WHITE SPACE! , dachte ich zuerst. Aber dann passierte nichts mehr. Ich nahm Henry in die Arme, küsste ihn dreimal und sprach zärtlich in sein Ohr: "Für Dreck wie CONTACTS muss Jennifer Zemeckis in Zukunft bluten, okay?" Henry grinste. "Das wird vielleicht ein lustiges Gemetzel, okay?" Und Henry lächelte noch ein bisschen mehr.
Zurück im "Grand Cherokee" wiederholte Henry den Namen Zemeckis noch genau viermal und jedesmal klang es ein bisschen wie MECKI, MECKI, Henrys Lieblingsigel.
Die Sonne hing bereits tief über dem Pazifischen Ozean als wir richtung West-Hollywood fuhren. Der Wind wehte. Die Stämme der Palmen bewegten sich wie immer langsam im Rhythmus, während ihre luftigen Kronen leicht kreisförmig schwankten. Einmal mehr wurde mir salzscharf bestätigt: Das gute, schöne Leben lohnt sich.

 
Tom Kummer Los Angeles, - 06.04.00 at 20:16:06




Mein Gott. Ich sitze im "SAS Radisson Hotel" in Hamburg". Gerade noch habe ich, im "Trader Vic's" in selben Hochhaus sitzend bei einem Brandy Alexander sityend, mit dem netten Andrian SMS ausgetauscht. Er wollte Rainalds eMail-Adresse, die hatten wir beide nicht, und dann schrieb er: "Right on! 5 Star loniless ist gany grandios. Satellitenfernsehen, Minibar und keine Plaene." Well, this guy knows, what he is talking about. Er ist: der Reise-Journalistenprofi.
Nun benutze ich den Hotel-Fernseher in eine Internet-Station, meine Tastatur ist kabellos, unterhaelt sich per Infrarot mit dem Fernseher, und sitze ich nun da und tippe und, bitte, kann es nicht fassen. Wie es funktioniert, ich weiss es nicht, aber: Es funktioniert. Sapperlott. Bisserl nervig: Es ist eine amerikanische Tastur. Man sucht den Bindestrich. Man verwechselt z und y. Es gibt kein ae. Laecherliche Problemchen.
Vorhin, am Flughafen: Der Taxifahrer faehrt an, so ein blondes Brillen-Hamburgerchen um die Fuenfzig, als ein Taxi-Bus nebenan die Tuer nicht zumachen will und so das Weiterfahren verhindert. Mein Blonder: "Mensch, fahre doch weiter, du!" Stimmt. Dann: @Du Kanacke! Ich hasse die Kanacken!" Dann Vollgas. Aha. Kanacke. Ich wusste gar nicht, dass es dieses Wort ueberhaupt noch gibt. Ich dachte, das ist siebziger Jahre. Mehr so ein Problemwort aus unserer Elterngeneration. Ich habe "Kanacke" jedenfalls das letzte mal um 1976 im Grips-Theater zu Berlin am Hansaplatz gehoert, in so einem "Tuerken sind auch okay"-Erziehungsstueck fuer Kinder. Der dumme Blonde musste dann ohne mich weiterfahren, weil ich 'Bitte rechts ran" rief und ein gut erzogener, korrekter junger Mann bin. Who always knows, what he does.
Hier oben, im 21. Stock des "SAS Radisson Hotels" in Hamburg peifft der Wind durch die gekippten Fenster.

Moritz von Uslar, Hamburg, - 07.04.00 at 01:11:09