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pool #38 23.03.-31.03.2000

pool #37 / pool #39


Lieber,
seit zwei Tagen bist Du also nicht mehr in meiner Welt.
Wer weint heute um Dich, Lieber? In wessen Leben reißt Dein Gehen eine ähnliche oder gar größere Lücke als in meines? Eben habe ich zwei Freundinnen gesagt, daß Du nicht mehr lebst. Meine Freundinnen, die Du auch einmal, vielleicht sogar mehrmals zum Essen ausgeführt hast. Hast Du auch ihnen zwischendurch die Hand geküßt, ihnen tief in die Augen geschaut und gesagt: "Mein Hering"?
Drei Tage vorher riefst Du an. "Ich komme in die Stadt", und meist war es etwas Berufliches. Das bedeutete für mich viel Vorbereitung. Friseurtermin, Stunden vor dem Schrank, die Suche nach dem richtigen Ton in der Lippenstiftfarbe und nach einem nicht zu herben Duft. Die einzige Art, wie ich mich bei Dir für die Abende zu bedanken wußte, war: nett auszusehen. Nicht zu streng, nicht zu leger. Nur meine Brille mochtest Du nie.
ApÈritif bei Dir. Ich versuchte, nicht unpünktlich und doch nicht allzu pünktlich zu sein. Ein bißchen warten wolltest Du schon. Durch die Sprechanlage rasselte Dein Name mit ganz vielen "r". So hast Du Dich auch am Telephon gemeldet.
Für den Kir Royal stand eine kleine Flasche Sekt bereit, natürlich die teuerste Marke vom besten Feinkosthändler der Stadt. Als er in Konkurs ging, war es Dir eine traurige Nachsinnminute wert. Mir fiel die Aufgabe zu, auf dem Sofa zu sitzen, die Kerzen anzuzünden (ich habe Dich nie gefragt, warum das eigentlich immer meine Pflicht war), und zu warten, bis Du aus der Küche kamst mit dem, was Du beharrlich "Nüßchen" nanntest. Cashewnüsse. Unter dem ölgemalten, goldgerahmten Blick Deiner Mutter setztest Du Themen als Säulen, um die herum sich das Gebäude unseres Gesprächs errichten würde. Meist wurde eine Pergola daraus. Nach genau einer halben Stunde tatest Du dann kund, Du hättest Dir erlaubt, einen Tisch zu bestellen, ob wir da nicht hingehen wollten. Natürlich wollten wir.
In unserer Stadt hattest du ein Gefährt, das Du "Automobil" nanntest. Es war immer rasant, zum Schluß ein Cabriolet mit "LeBaron" als Markenbezeichnung. Das war Dir peinlich. Du ließest den Schriftzug entfernen und einen neuen anbringen -- Leonessa. Ich vermute, daß Du den Namen wähltest, um einer Deiner "ganz ganz ganz großen Lieben" (und bei deren Erwähnung geriet Dir vor Rührung das "s" immer etwas verschwommen und lispelich) ein Denkmal zu setzen. Vielleicht auch nur ihrem Sternzeichen.
Säßen wir jetzt beieinander, dann würdest Du lachen und mit einem Ausweichmanöver das Gespräch in eine andere Richtung lenken. Ich lernte schnell, solche Fragen nicht allzu direkt zu stellen. Du hingegen geniertest Dich nicht, die Rahmenbedingungen einer Reise zu erfragen -- ob mir etwa ein monoglotter Geschäftsmann die Reise bezahlt hätte, damit ich für ihn dolmetschte? Natürlich antwortete ich nie.
Wir fuhren also mit der Leonessa in das Restaurant, in dem Du einen Tisch bestellt hattest. Später fuhren wir mit dem "Taxamobil", und noch später mit dem Bus. Schweigend saßen wir, denn entweder mußtest Du Dich konzentrieren, oder es war zu laut. Du hast es nie zugegeben, aber in den letzten Jahren hörtest Du nicht mehr gut. Es war nie ganz einfach, die Stimme gleichzeitig tief zu senken und doch deutlich zu sprechen, ohne daß Du meine Bemühungen merktest.
Im Lokal begrüßte der Wirt Dich mit Handschlag und tat so, als wäre ich die einzige, mit der Du regelmäßig bei ihm erschienst. "Signora..." Dann nahm er die Bestellung auf. Die Vor- und Nachteile einzelner Hauptgerichte wurden sorgfältig gegeneinander abgewogen, Wild oder ein anderes Fleisch in Champagnersauce. Am Ende nahmst Du immer Fisch. Der sei so leicht. Die Sauce komponierte man nach Deinen Vorlieben, und es gab einen nicht zu herben Weißwein. Es war immer derselbe, aber wir besprachen ihn jedes Mal ausführlich. Das Dach, die Außenwände wollen sorgfältig gesetzt sein.
Eine erste Anekdote führte dann zu Betrachtungen über -- ach, alles mögliche. Die Welt. Die Menschen. Freundschaften. Aber vorsichtig. Nicht verletzend, nie bitter. Manchmal empörtest Du Dich doch über schlechte Menschen oder über meinen Zynismus, aber böse, richtig böse habe ich Dich nie erlebt. Angedeutet hast Du wohl, daß es nicht so einfach war, Dein Leben. Das war die Schattenseite der Leichtigkeit, mit der Du mich hineinlocktest in dieses zierliche Bauwerk distanzierter Vertrautheit, in dem man sich nie zu nahe treten konnte.
Du warst mein Ratgeber. Die Kümmernisse eines studentischen Liebeskummers, die Verärgerung über ein zu hektisches Berufsleben, die Trauer um ein Abschiedstelegramm -- all das fand seinen Platz zwischen den Wänden unseres Gesprächs.
Nur Kellner drangen gelegentlich ein, um Wein nachzuschenken oder um zu fragen, ob man noch ein Dessert wünsche. Ich wünschte immer, und für Dich wurde ein "ganz, ganz großer Löffel mit einem ganz, ganz langen Stiel" gebracht. Jedes Mal erklärtest Du, daß man "bei dieser Dame aber auch gar nichts" abbekäme, bei der müsse man sich schon um sich selber kümmern. Die Kellner waren Deine Komplizen, standen am Tisch und versuchten, höflich zu lächeln und nicht zu grinsen, wenn Du mir erklärtest, was "Tiramisu" auf Italienisch heißt. Nach dem Kaffee gab es einen Schnaps, und Du lehrtest mich, wie man brennenden Sambucca trinkt. Sehr vorsichtig. Ich durfte gelegentlich auch einen Amaretto bestellen, einen "Hauch von Grausamkeit" nanntest Du ihn.
Vor meinem Haus eiltest Du ums Auto, öffnetest mir die Tür, küßtest mir dann lange und gefühlvoll die Hand und blicktest mir tief in die Augen. Weil ich es so gewohnt war, küßte ich Dich links und rechts auf die Wangen, und Du sagtest: "Schlaf recht gut, mein Hering, ich werde jetzt meine Apollo-Beine nach Hause fahren." Das eine oder andere Mal hast Du mich auch auf den Mund geküßt. Meine Versuche, mich artig für den wie immer wunderbaren Abend zu bedanken, erreichten nur noch Deinen Rücken. Dank, Lieber, mochtest Du nicht so gerne, und das habe ich auch immer nur mich fragen können und nicht Dich, woran das lag.
Wenn Du mich anriefst und das Gespräch zu lang zu werden drohte -- ich hatte mich ja nun vorzubereiten -- , dann holte ich kurz Luft und sagte mit Abschiedsstimme knapp "Ja".
Nun also "Ja". Ich habe jetzt einen schwarzen Mantel in die Reinigung zu bringen.

Carmen Samson zurück in Berlin, - 23.03.00 at 11:03:41




Heute auf CD den ersten Rough-20-Track-Mix des
ersten Stücks der G&H-Reunion
abgehört. Toller Moment. Wie wieder 20 sein.
El Conde sagte: "Musik von in fünfzig Jahren."
Raus in zwei.

Girgl: 12. ...Sd5

Jana, die intrigante Sau,
und Zlatko, das dumme Vieh,
haben Big Brother wieder interessant gemacht.


HelK backfromthewoods, - 23.03.00 at 18:56:10




Ursula Döbereiner Berlin, - 23.03.00 at 19:24:26




Meine erste Klavierstunde seit sechzehn Jahren und die Finger sind, ganz Laptop-Suchsystem geschädigt, völlig starr, verweigern sich der fließenden Bewegung eines eleganten Spiels, befolgen zudem kaum die gerade noch gespeicherten Notenlese-Befehle. Immer wieder verläßt mein Lehrer das Wohnzimmer, in dem der jüngst aus London verschiffte schwarze Steinway-Flügel steht, der mich mein fehlerhaftes Spiel noch mehr schmerzhafter empfinden läßt, immer wieder also geht mein Klavierlehrer in die Küche, um sich ein Glas Rotwein nachzuschenken, streicht in den Noten die richtigen Fingersätze an, nimmt den Bleistift nervös in den Mund und rast die Czerny-Ðbung dann selbst an einem Stück hinab, gibt mir schließlich ein Präludium aus dem Wohltemperierten Klavier von Bach, dieses Antje Schaeffer-Kühnemann Stück, das ich jedoch nur in der Aufnahme von Glenn Gould kenne, und zu dem ich daher auch immer und vor allen Dingen dieses Gould-Gebrummel im Kopf habe, und läßt es mich dann geduldig vom Blatt spielen. Anschließend gibt es Abendbrot, ein befreundeter italienischer Maler hat ein Safran-Risotto gekocht, den Safran hat die Frau meines Klavierlehrers gerade aus Bangalore mitgebracht, und beim Essen diskutieren wir, von spanischem Rotwein befeuert, die Vor- und Nachteile eines Chemielaboranten-Postens beim BKA in Wiesbaden. Als ich aus der Tür trete, beginnt es zu regnen.


Eckhart Nickel Heidelberg, - 23.03.00 at 23:22:47



Musik für Show Rooms
Musik für Dark Rooms

Abb.: OTL AICHER läßt sich im Jahr 1987 in einer Baumschule in Bad Waldsee die Besonderheiten bestimmter Obstsorten erklären


Andreas Neumeister - 24.03.00 at 00:34:09



Es müssen noch mehr Würste gebraten werden.
Lieber Christian: vielen Dank für die Zusendung Deines Groß-Spaß-schön-anzusehen-Buches "Der gelbe Bleistift". Es liest sich wunderbar.


Moritz von Uslar, München, - 24.03.00 at 11:58:37


Ein Din-A 4 Blatt, geknüllt in der Innentasche meiner Jacke. Ich erinnere mich, daß ich es einstecken mußte, um dem Taxifahrer Geld zu geben, lange nachdem wir im Morgengrauen aus Cords Wohnung gewankt sind.
Auf dem Zettel stehen nur wenige Sätze, die, nicht nur wegen der Unleserlichkeit meiner Schrift, das Scheitern aufzeigen ganze Gedankenketten während dem Weiterreden aufzeichnen zu wollen:
"Das Ende des dumpfen Rebellionsrevivals. ENDLICH im 3. Jahrtausend!"
"Konrad Lorenz ist the Beach der Biologie."
"Ende: Das Opfern für Medienbedingungen. (für Moritz)"
Dazwischen völlig unleserliche Sätze, halblesbare Worte. Gut so. Nackte Sätze, die ich noch vor wenigen Stunden mit erregter Begeisterung aufgeschrieben habe in einer Fülle der Gedanken. Kugelschreiberkurven, die zu Zeichnungen quer über das verbeulte Papier geworden sind. Fett, ein Weinfleck.
Ich denke an: rich, flavor, flow; an: fett, massiv, leuchten. Dieser Abend, das Ðberschlagen und sich ins Wort fallen, das plötzliche Freilegen der Ideen, die im Schatten nicht so deutlich waren. Und zum erstenmal denke ich angesichts weniger Sätze, Worte, die geschrieben sind: Souvenir, Polaroid vom Fotografen im Park.


Sven Lager B., - 24.03.00 at 15:56:22




Einbläuen ist auch so ein Wort von einer gewissen Härte, die ausdrücken will, jemand kann froh sein, wenn er mit dem blauen Auge davonkommt. Sein blaues Wunder erleben. Das Blaue Wunder als Brücke bei Dresden. Das Blausein als psychosomatischer Zustand der verschiedene Möglichkeiten eröffnet. (Hansjörg trinkt jetzt nur mehr farblose Getränke.) Ein Getränk aus lauter Atomen. Malzatome sind gleich Gerstenatome plus Hitze. Malzatome plus Hopfenatome plus zwei Teile Wasserstoff und ein Teil Sauerstoff. Jetzt haben wir die Mengen erreicht, die ein einzelner gerade noch trinken kann, sagt der Präsident des Brauerbundes auf einer Pressekonferenz, er sei überzeugt, die Inlandszuwachsraten ausgelöst durch die Wiedervereinigung gehörten endgültig der Vergangenheit an

Abb.: Joop van den Ende und John de Mol

Andreas Neumeister - 25.03.00 at 01:00:56




Wer wissen will, was er zum Frühstück zu sich nimmt, verlässt kurz nach dem Verspeisen von zwei Eiern im Glas den Raum, kehrt nach einer Zigarettenlänge zurück, und öffnet dann den Riechsinn weit.
Fade to Grey.

 
Eckhart Nickel Heidelberg, - 25.03.00 at 10:02:55




heut ist mir alles so egal.
es ist mir wurscht, ob ich
geschrieben hab, ist einerlei,
welche musik im hintergrund
und welcher wein mir durch
die kehle läuft, und was die
welt zusammenhält, es ist mir
schnurz, und daß ich diese
frau nie hatte, pfeif drauf.
Und ob es morgen regnet
oder hühnerbrust in curry
gibt, es sei darauf geschissen.
es spielt auch keine rolle ob
ich graue haare kriege, ob
die waage lügt oder die post
mir neue briefe bringt,
ob jan bosse mein stück in
hamburg verbosselt oder nicht,
wen kümmerts, melodien
kommt in frankreich raus?
na und? wen scherts? in
den usa gute kritiken? ach je.
in litauen bin ich ein star,
in china fällt der reissack um.
ob man in hundert jahren
montherlant noch kennt? wen
interessierts? das konto ist
verbraucht? ja, du mich auch.
heut ist mir alles so egal.
gegen wen spielt bayern?
porto. hatten wir schon mal.
anything goes? nichts bleibt.
bea sagt, da sei ein mensch
am telefon, der wolle was.
sag, ich sei nicht bei mir.
sie sagt, ich sei woanders.
der mensch ist beleidigt, er
habe ja nur mein bestes gewollt.
das wollen sie alle. soll er
doch, am arsch vorbei, und
kreuzweise, es ist mir gleich,
nichts rührt sich, nichts berührt mich,
es tut sich
nichts.


HelK irgendwo, - 25.03.00 at 11:54:43




"Wenn mein Leib zu drei Vierteln in der Grube liegt, werde ich immer noch über all das lachen, was nur ein Lachen wert ist.
Gelobt sei, wer über sich selber lacht, ohne es darauf anzulegen, dem Lachen der anderen zuvorzukommen."
Henry de Montherlant, Tagebücher 1930-1944, Kiepenheuer & Witsch 1961.


Eckhart Nickel Every day is like Sunday, - 26.03.00 at 18:00:02




1
Anthropologe gesucht, der die Deutschen und ihre Vereinskultur betrachten will. Biete Einsichten in die Streitkultur berufsständischer Verbände.
2
Da schreibt einer den Vorsitzenden der Landesverbände (im folgenden LVe genannt), er werde auf der nächsten JMV (gesprochen Jottempfau, gemeint ist: Jahresmitgliederversammlung) für das Amt des Präsidenten kandidieren. Nicht für das eines Vizepräsidenten, wohlverstanden.
3
Das Institut, das er hätte gründen wollen, könne schon längst bestehen, wenn das derzeit amtierende Präsidium ihn nicht dauernd gebremst hätte. Sagt der Präsidentschaftskandidat in einem Telephongespräch.
4
Auf der JMV erzählt er, ein solches Institut sei nunmehr außerhalb des Verbandes gegründet worden. Die ausweichenden Antworten auf die Nachfragen der 1. Vorsitzenden der LVe legen den Schluß nahe, daß dieses Institut nirgends existiert außer auf den Folien des Präsidentschaftskandidaten.
5
Die Frage, wie man sich erdreisten kann, fünfzig erwachsene, bestens ausgebildete Unternehmer so dreist zu belügen, wirft keiner der anwesenden Delegierten auf. Es stellt auch niemand fest, daß die Unterschreitung eines bestimmten intellektuellen Niveaus einer Beleidigung des Gesprächspartners gleichkommt.
6
In diesem Sommer werden auf unserem Balkon Dahlien, Levkojen, Wicken und Mandelröschen blühen.


Carmen Samson Berlin, - 26.03.00 at 19:44:21




Oh nein, oh nein, oh nein.
Und die Frage, wie ich dazu komme, einen Text unredigiert ins Pool zu werfen, stellt hoffentlich auch keiner.
Lieber Sven, schick mich meinetwegen für die nächsten Wochen gärtnern, verbanne mich auf den Balkon, verweigere mir das Wiedersehensbier auf der Premierenfeier von "Phosphor" -- aber BITTE bitte streiche meinen obigen Beitrag wieder. How embarassing.
Man soll nicht wütend schreiben. Man soll nicht wütend schreiben. Man soll nicht wütend schreiben.


Carmen Samson Berlin, - 26.03.00 at 20:02:22





Cuddle & Bubble
in a Jacuzzi built for 2
International Inn
Hyannisport - Cape Cod



Ole Groenwoldt, Tina Obladen, Christian Kracht, Eva Munz, Sandra Schwittau, Axel Pflugbeil Phnom Penh, Kambodscha, - 26.03.00 at 20:03:51




Nachttraum Äquinoctium: Ich bin auf einen Flug in die Tschechoslowakei gebucht, der von einem Abhang, eine steile und enge Steingasse hinab, startet. Der Copilot steht, wie auch alle anderen zwei, drei Passagiere. Nur der Kapitän sitzt auf einem hohen Drehstuhl. Es ist eine milde Abendstimmung, in die hinein wir fliegen. Hinten am gelben Horizont verschwimmen rötliche Schleierwolken. Als die Maschine beschleunigt, sehe ich, wie die Flügel gerade so über die Hecken und Mauern am Rande der Steingasse hinweghuschen. Dann sind wir in der Luft. Die Maschine tanzt sanft, wie eine Mücke in ihrem Schwarm, ganz leicht aufwärts und dann wieder abwärts. Eine Besonderheit des Fluges mit der Maschine, die nur von einem einzigen Propeller vorne angetrieben wird, ist die Tatsache, daß wir sehr tief fliegen, die Maschine sich also, nur wenige Meter über dem Erdboden den Veränderungen gleitend, der Landschaft, anpaßt. Nach der Zwischenlandung auf einem Jahrmarkt, wo es Thüringer Bratwurst mit Senf gibt, wird der Weiterflug wegen Gewitter verschoben. Der erste Blitz sirrt über den Wäldern. Ich wache auf.


Eckhart Nickel Heidelberg, - 27.03.00 at 10:10:32




Ein Schlüsselanhänger mit einem Hondazeichen. Es ist die Halterung für einen roten Einkaufs-Chip, mit dem man statt mit einem Markstück einen Einkaufswagen auslösen kann. Er ist ein Geschenk. Gerade heute wollte ich einem Mann für seinen Wagen eine Mark geben. 'Nee', winkt er ab, 'da is'n Chip drin, so'n blauer, auf dem CDU 97 steht und den wollnse bestimmt nicht haben.'
WM-Weinflaschen, rot und weiß, die kurz unter dem Hals Fußballform haben: Verstaubt auf einem Regal. Der libanesische Kellner stellt sich schräg auf ein Bein und schüttelt für mich sichtbar sein Kleingeld. Zigarettengeld hat er nicht. Im CafÈ die Straße runter stehen Mittdreissiger bei lauter Musik und trinken Becks-Bier. Man tritt ein und schaut in die Runde und alle schauen zurück und dann geht man was bestellen. Aber am Automaten fehlt mir immer noch die Mark und dann werfe ich den Chip ein.
Die erste Zigarette rauche ich stehend, schaue den Leuten zu, die gegen das Gewirr anreden und dann denke ich gleichzeitig, voller Reue: Ich hätte gerne meine Chip wieder. Und ohne das geringste Erstaunen: So alt ist diese Welt.


Sven Lager B., - 28.03.00 at 01:15:02




Lieber Sven, ich habe das nicht gesagt "Seegurke, wenn Du ein Tier wärst". Ich finde das im übrigen auch eine unelegante Idee. Niemalsniemals hätte ich das gesagt über Dich. Ich denke, ich habe stattdessen irgendein Huftier genannt.
Ich würde nicht immer so viel ändern. Ich finde es ehrlich gesagt gerade sehr interessant, wie im loop geschrieben wird. Französisch verstehe ich zwar fast nicht und die Klappendiskussion ist eine langweilige. Dafür finde ich die Namen "rasmus", "off" und "lulu" sehr... interessant.
Ich kann, Sven und Christian, weder Eure Klappentexte noch Eure Bücher lesen. Weil ich sie nicht geschickt bekommen habe, wie jeder andere. Das würde ich ändern.


Rebecca Casati München, - 28.03.00 at 10:40:30




Und: ich hatte recht. Carmen Samson = Mandeln.


Rebecca Casati München, - 28.03.00 at 10:43:37




Sven versucht den Rollschrank aufzubrechen, den er vor unserer Abreise vorsorglich verschlossen hat. Es gibt keinen Schlüssel dafür und jetzt tritt er wütend gegen den Schrank, in dem alles liegt, was wichtig ist. Die Kinder sitzen seit Tagen krank zuhause herum. Ich habe Schnupfen und Pickel auf der Stirn, wie Kerstin von BB. Zwei Stunden habe ich heute morgen im Nieselregen gestanden und vergeblich versucht einen mit unseren Namen beschrifteten Papierstreifen in das Klingelschild hineinzufummeln, weil der Postbote unsere Post hartnäckig mit dem Vermerk "unbekannt verzogen" zurückschickt. Unsere Untermieterin hat eine Wohnung gefunden. Die Zeit drängt. Deshalb:
Wer will unsere Wohnung mieten?
Von April bis August. Erstmal.


Elke Naters, Berlin - Schöneberg - 28.03.00 at 12:56:34




1
Folter im 21. Jahrhundert:
120 Menschen auf 35 Quadratmeter.
Beliebtester Einsatzort: Jumbojet in 6000 Metern Flughöhe.
Second runner-up: Kneipen. Man kann darin die Musik laut stellen.
2
Und behaupten, es sei eine lustige Party.
3
Verzeiht den abrupten Weggang, liebe Elke, lieber Sven. Tauge für derlei Veranstaltungen nicht.
4
"So ist das in einer Umkleidekabine." Phosphor, S. 152 ff.


Carmen Samson Berlin, - 29.03.00 at 09:57:27




WHITE SPACE 2 (Eine Todesanzeige)

Joe "Doc 360" Wolfson
Nicknamed for the THE SPIN
he originated
on the waves of Hermosa Beach
The first to do a 360
A Pioneer in the world of
BODYSURFING

His legend grew
when
facing terminal cancer
he spent his savings on others
left a note and $ 5000 for a PARTY
and then
he paddled out to sea
to die
(Comatose, he was rescued)

But on Monday, Wolfson was killed, when his car veered off the MARINA-Freeway, went down an embarkment and hit a tree.

Doc 360 was 50


tom kummer hermosa beach, - 29.03.00 at 19:43:30




Neuer Werbespot von VW für die Generation Golf: "Blau macht glücklich".
- sag' ich doch schon die ganze Zeit. Vielleicht kapieren's die ja jetzt auch.


Georg M. Oswald - 29.03.00 at 22:26:21




Doppelpunktterror:
Danke an alle, die da waren und Danke an alle die nicht da waren. Meine Synapsen wären sonst geplatzt. Zusatz: es geht hier um die Präsentation meines Buches in dem von mir häufig aufgesuchten Literatenpuff Kumpelnest 3000, Lützowstr.23, in Berlin Schönberg. Dabei getestet: Nur die ganz sicher lustigen Stellen daraus vorgelesen. Das Ergebnis: es kam angenehm literarisch an. Der Schauspielerin Inga Busch vorgestellt worden, ich sage zu ihr: wir kennen uns vom Sehen. Schön blöd: ich. Natürlich kenne ich sie vom SEHEN. Aber niemand hat mir Norbert Krohn vorgestellt. Warum nicht. Wir kennen uns doch vom Lesen.

Jetzt: die Ðberraschungen beginnen: Menschen in Fleisch und Blut, die man nur aus pool und loop kennt. Wir kommen zu euch: München, Hamburg, Bochum, Köln, Frankfurt, Düsseldorf, Berlin. Grossartig. Der Gegensatz dazu: ich liebe pool und loop dafür, daß man sich NUR über Texte kennt. Als zutiefst asozialer Mensch zeihe ich das Textleben vor. Aber meine Neugierde brennt, weil: Manche Menschen passen gar nicht zu dem, was sie hier schreiben. Zweite Seele: Text.

Liebe Rebecca Casati, jetzt möchte ich dich hier kurz bashen!
Mein Buch schicke ich dir natürlich NICHT. Ich bringe dir persönlich eins vorbei, so wie du mir deins auch nicht geschickt hast, weil du es mir AUCH persönlich überreichen wolltest, jetzt dann, in München.
Und das mit der Seegurke, das stand in einer sehr PRIVATEN mail. Was sollen denn die Leute jetzt von mir denken? Ich muß das aufklären:
Rebecca Casati, Elke Naters, Benjamin von Stuckrad-Barre, Heiner Link und ich, wir sassen gemeinsam eines Abends auf der Terasse des Ferien Resorts Pattaayaa, schön am Meer, jeder mit einem kühlen Bier in der Hand und spielten ein Spiel nach der Anleitung des Wellness-instructors. Das Spiel geht so, es eignet sich auch für trübe Berlin-Nachmittage:
Jeder der Anwesenden sucht sich einen der anderen aus, den er spielen wird. Rundum werden Fragen gestellt und jeder muss die Antwort geben für denjenigen, der er vorgibt zu sein. Am Ende müssen die anderen die gespielte Person erraten. (Genau das haben sie bei Big Brother falsch gemacht: man darf NICHT vorher wissen, wer die anderen sind.)
Gute Fragen sind: Bei welchem der hier Anwesenden würdest du am meisten erschrecken, wenn sich eure Füße aus Versehen unter dem Tisch berühren würden (für Fortgeschrittene). Für den Anfang reichen auch: Welches Tier wärst du am liebsten (für die ganz Doofen: man muß natürlich antworten, was man denkt, das derjenige, der man heimlich ist, gerne wäre.)
Ziel des Spiels: Psychische Zerrüttung, Freundschaft, Trunksucht, Streit, Sex. Sehr geeignet für Menschen, deren langjährige Psychoanalyse nichts gebracht hat. Weil: absoluter social contact.
Das Beste ist: was ein anderer, der vorgab man selbst zu sein, über einen gesagt hat, das kommt einem erst später: Seegurke, äh Huftier.

PS: Bestes Katerfrühstück seit langem: Heiner Link, Banalität des Prolligen.


Sven Lager B., - 30.03.00 at 03:15:20




Der Montblanc als höchster Gipfel im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nationen. Konzentrationsübung: Der Kilimanjaro als höchster Berg des Deutschen Reiches vor dem Ersten Weltkrieg. Die Zugspitze als höchster deutscher Berg nach dem Ersten Weltkrieg. Die Zugspitze als höchster Berg des Deutschen Reiches vor dem Anschluß. Der Großglockner als höchster Berg des Großdeutschen Reiches nach dem Anschluß. Der Wiederanschluß ÷sterreichs ist eine Geschmacksfrage, das Umkippen ÷sterreichs in der Neutralitätsfrage, meint Hansjörg, nur eine Frage der Zeit. Ausreisen, einreisen. Erst ausreisen und dann wieder einreisen. Einreisen, indem man anderswo ausreist. Noch nirgends war ich so oft wie in ÷sterreich. Durchreisen: Einreisen und gleich wieder ausreisen. Das muss man sich mal vorstellen: Einmal Italien bedeutet zwangsläufig zweimal ÷sterreich! Salzburger oder Garmischer oder weder noch? Alles eine Frage der Konzentration. Endlich der Fernpaß. Endlich der Brenner, das Auto, die Bahn. Immer sind wir gerade noch rechtzeitig am Brenner angekommen

Abb.: Einheit und Wesen der deutschen Landschaft - Eine deutsche Farm in Deutsch-Ostafrika, im Hintergrund der Kilimandscharo


Andreas Neumeister - 30.03.00 at 15:14:00




Sven, Sven, SVEN: You got me dangling on a string.
Ich freue mich sehr, daß Ihr kommt.
Und: es ist EGAL, was die Leute über einen denken. Ausser ein paar.


Rebecca Casati München, - 30.03.00 at 23:06:06




Selbstversuch 1:
Ich bewege mich so, als würde alles, was ich tue, den ganzen Tag, immer und überall, von Kameras aufgezeichnet werden.


Elke Naters - Madrid - 31.03.00 at 13:49:03




Gestern in der Presseaufführung den neuen Karmakar-Film "Manila" gesehen.
Ich hätte vorher schwören können, daß er mir nicht gefällt.
Aber: Ein Meisterwerk. Radikal, obsessiv, erfrischend neu und hervorragend gespielt. Die deutsche Antwort auf American Beauty. (German Ugliness? Schon, aber nicht nur.)
Das Finale ist völlig irre: Die Hauptdarsteller und zweihundert Statisten singen 20 Minuten lang zur Melodie des Gefangenenchors aus Nabucco die Zeile:
POLIZEISTUNDE KENNEN WIR NICHT.
Wahnsinn - und es funktioniert.

Und als ich aus dem Kino ging, befiel mich plötzlich eine Stinkwut.
Warum? Weil ich mich dran erinnerte, daß diesem Film beinahe alle
Förderungen aberkannt wurden - und die Kommission zur Filmauswahl
bei der Berlinale ihn abgelehnt hat. Was für ignorante senile Sesselfurzer
müssen das gewesen sein?

Meine Wut war so groß, als hätt ich mit dem Film irgendwas beruflich zu tun.
Hab ich aber nicht. Dennoch tendiere ich in letzter Zeit zum Waffenkauf.

 
HelK m, - 31.03.00 at 15:49:48