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pool #18 08.10.-16.10.1999

pool #17 / pool #19

 

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Die Zuschauerinnen neben mir haben Blumen mitgebracht. Beim ersten Erscheinen der Primaballerina wird geklatscht. Damit weiß ich, für wen der Strauß ist.
2
Sie wirbelt über die Bühne. Wüßte ich es nicht besser, glaubte ich, sie würde gleich durch das Dach in den Himmel über die Stadt schweben.
3
Da rutscht sie aus.
4
Das Lächeln kenne ich. Ich setzte es auch einmal auf, als die Frau eines Geliebten überraschend auf einem Kongreß erschien. Noch im Taxi zum Hotel hatte ich dieses Lächeln im Gesicht. Starr strahlend schloß ich die Tür zu meinem Zimmer auf.
5
Das Gesicht der Ballerina kehrte erst kurz vor dem Schlußvorhang zurück, als meine Nachbarinnen ihre Blumen auf die Bühne warfen.

Carmen Samson Berlin, - 08.10.99 at 08:38:11

Nach einem reichlich fetten Abendessen empfehle ich allen, die sich insgeheim immer gewünscht haben, sich über der Kloschüssel den Finger in den Hals zu stecken, die Vorstellung davon aber irgendwie eklig fanden, den Besuch des Films "Mein liebster Feind" von Werner Herzog, der nicht zufällig im selben Jahr geboren ist wie Peter Handke und Botho Strauss. Allein schon, wenn man die Namen untereinanderschreibt:
Peter Handke
Werner Herzog
Botho Strauss

Keine Ahnung, was das besagt, aber ich finde, das besagt etwas. Jedenfalls: Alle, die sich nach spätestens 20 Minuten nicht übergeben haben, erhalten ihr Eintrittsgeld zurück. Und sollen einen großen Bogen um mich machen.

Stefan Beuse Hamburg, - 08.10.99 at 11:31:20

 

Der Amerikaner an sich sollte sich ja echt mal lockermachen. Klar, Giuliani will die Sensation-Ausstellung schließen lassen, weil er beschlossen hat, im Rennen gegen Hillary auf die urbane Wählerschaft zu verzichten. Aber was da mit pseudosubversigen "Vorsicht Kunst"-Plakaten als Schock und Frevel von Damien Hirst und Konsorten verkauft wird, ist ja dann doch eher die MTV-Version von Nitsch, Muehl und Beuys. Dazu laufen dann Kunstkacke-für-Anfänger-Texte, von David Bowie gesprochen, damit sich's auch jeder anhört, die in Provokationsplatitüden wie "Is this art?" kulminieren. Wahrscheinlich der verzweifelte Versuch gestriger Kuratoren der plakativen Jungkunst einen theoretischen Überbau zu verleihen, dabei gibt es nicht viel zu theoretisieren. Ironie bedarf keiner Erklärung. Aber wer sein Leben lang rechtfertigen mußte, warum abstrakte Expressionisten die höchste Form der westlichen Kultur darstellt, der kann wahrscheinlich nicht anders. Aber auf was ich eigentlich zu sprechen kommen wollte, um den von Moritz auch aufgenommenen Faden weiterzuspinnen - lustfeindliche Protestanten können einem ja wirklich jeden Spaß verderben. Selbst den an hübscher, bunter Kunst.

Andrian New York, - 08.10.99 at 18:56:09


Lieber Herr Goetz! Viel weiß ich ja nicht über Sie, eigentlich gar nichts (obwohl die Fans ja doch einiges über das Opfer ihrer Verehrung aussagen). Vor allem, daß "Auf Reisen" "Ich besuche ein Lyrik-Seminar in Wien" bedeutet, habe ich nicht gewußt. Ich hoffe, Sie werden bald wieder gesund.

Britta Hamburg, Deutschland - 09.10.99 at 13:25:17

Happy Birthday R.!

A. und F. NY, - 09.10.99 at 17:24:10

 

1. Herzlich willkommen Norbert Kron, da drüben im Chaos vom Forum der 13 und also unter den sprechenden Köpfen: das, was Du als TVler immer gerade nicht haben wolltest, Literaten aber genau sind. Werde nie vergessen, wie Du nach dem Dreh, auf dem ich ganz normal mit Dir arbeitete, zu mir sagtest: Du bist ja gar nicht zickig. - Soviel zum Fernsehmenschen beim Schriftautor!

2. Lieber, geschätzter Gerd Scobel: Gute Frage, was der Postfeminismus eigentlich sein soll. Sicher mehr als das Ende der Herren als den eifrig besseren Feministen, also solchen Leuten, die ihre vermeintlich stärkere Stimme den vermeintlich schwächeren leihen, um diese vor den vermeintlich stärkeren, also sich selbst, besser in Szene zu setzen: vermeintlich. Gut ist jedenfalls schon mal, daß er eher Post als Ismus ist.

3. Heute morgen ruft ein Freund aus Berlin an: Er habe die konzepte 18 in einem Antiquariat gesehen. Preis: 25 DM. - Das ist auch Markt!


Ralf Bönt, Spotendorf, - 09.10.99 at 19:57:45

Neue Seite von: Britta

pool*S. - 09.10.99 at 21:18:36

Eigentlich wähnten wir uns hier um den East Broadway resistent gegen die allgegenwärtige Immobilienangst, doch die ersten Vorboten sind in diesem Sommer eingezogen. Ums Eck hat eine Sushibar eröffnet, zwei Blocks weiter eine schwedische Lounge Bar. Am Nebentisch sitzen chinesische Jünglinge in Khakihosen, erzählen sich von Systemkonfigurationen und .com-Erfolgen, die Knaben mit den Aktienpaketen lässig zurückgelehnt, die Neuankömmlinge eifrig vornübergebeugt und lauschend. Ein paar Straßen weiter haben ein paar Schulabgänger letztes Jahr eine Website mit einem Videoverleih und ein paar Fahrradkurieren kombiniert. Jetzt schalten sie landesweite Fernsehspots und gehen an die Börse. Warum noch schreiben? Matthias führt ein Dienstleistungsbüro für europäische Medien und fährt einen weißen Cadillac. Wolfgang macht jetzt in crossmedia consulting. Erwin handelt in der Schweiz mit virtuellen Firmen. Man ertappt sich bei uramerikanischen Habgiergedanken.

Andrian Kreye New York, - 10.10.99 at 20:15:12


Ich sitze über meinem Manuskript und da ist dieser Geruch. Es sind die Korrekturen der Korrekturen der ..., und es sind nicht die letzten. Ich bin verwirrt. Wegen dem Geruch. Mein Stiefvater hat mich ja gequält mit seinen Verben und Deklinationen, seinem Scheißlatein, ich gebückt, verheult, ein dicker Jugendlicher über dem Papier. Und es ist der gleiche Geruch. Papier, Zigaretten, Marker, eine ganz besondere, plötzliche Mischung, seit zwanzig Jahren nicht mehr gerochen.
Er schlief nicht, oder nur wenig, saß vor seinen Schachprogrammen oder las den Spiegel, Wort für Wort. Wegen der Müdigkeit rieb er sich ständig die Nase, und rauchte. Schlechte Zigaretten, billige.
Nein, es ist kein innerer Zusammenhang, ich mag mein Manuskript, ich mag meine Lektorin. Ich glaube sie ist eine Frohnatur. Mit bunten Markern mache ich meine Anmerkungen, ich will daß es voll wird, komplette Absätze, die auf dem letzten leeren Weiß dazugekritzelt sind. So sind Schriftsteller.
Ich nehme Elkes 'Shalimar' und sprühe ein wenig davon auf die Seiten.

Sven Lager - 11.10.99 at 02:16:45

Ellis, lieber Melle, fragte mich am Samstag beim Frühstück, wer dieser "Thomas" gewesen sei. So ein netter Kerl, der ihm die schönsten Komplimente gemacht habe. Er hat mir auch erzählt, welche, aber ich werde das hier nicht hineinschreiben, das ist eine Sache zwischen Euch beiden. Ellis hat mir aufgetragen, Dir auszurichten, dass er sich darüber gefreut hat. Du siehst, Melle, es ist möglich, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, ohne, dass die es sofort als unangenehm empfinden MÜSSEN. Selbst Dir kann das gelingen. Aus diesem Grund widme ich Dir die Blutwurst in der Paris-Bar. Du rührst mich, aber Du bist unerträglich. Nimm Dir doch einfach mal vor, NICHT unerträglich zu sein. Ich weiss, dass Du das kannst.

Georg M. Oswald - 11.10.99 at 10:00:04


Herzlich willkommen Björn Kuhligk im loop!
Tschüß und ab dafür Herr Radunski in der Berliner Kultur: Daß ich von Ihnen keinen Glückwunsch mehr befürchten muß, ist eine Erleichterung.

Ralf Bönt, Spotendorf, - 11.10.99 at 10:22:14

 

Gestern: yes! Das Fernseh-Großereignis, Christiansen live aus Berlin. Lafontaine spricht. Und alles, alles, was man sich so gedacht hatte (Lafontaine: Depp, Verräter, woran eigentlich?, Arschloch usw.) war dahin. Er: ruhig, kühl, souverän, alle Angriffe parierend, weggrinsend, wegsteckend. So stellt man sich einen Staatsmann vor. Darunter, unter dieser tollen Profi-Schicht, natürlich: das BEBEN des Angeschossenen, des Verletzten. BIG. Schade, dass er weg ist. Umwerfend: das DU der Sozialdemokratie. Das war mir so einfach nicht klar. Dass man sich duzen darf, von Krawatten-Mann zu Krawatten-Mann, überall alle Meinungsverschiedenheiten, die unerbittlichsten, hinweg - wenn man ein Sozi ist. Egon Bahr (riesgroßes gelbes Jacket, tolle Alt-Sozi-Fresse, unsäglich selbstverliebt, lässig brumm-murmelnd) hatte dauernd einen Daumen oben und sprach Sachen wie: "Erstens, zweitens ...!" und "Erstens A! B! C!". Peter Glotz, selbst der, dieser unsäglich eklig aussehende Fistel-Wicht - selbst er hatte Würde. Er durfte Sache dazwischen rufen wie "OSKAR! OSKAR!". Die Fragen allein: "OSKAR, WARUM HAST DU DAS GEMACHT?" Was für ein Drama. Unendlich groß bei mir sofort die Sehnsucht, in einem Club, irgendeinem Club, ganz egal, welchem, MITGLIED zu sein. Ich saß - echt: schaudernd - vor dem Fernseher. Heute früh, in der Badewanne, kam dann alles noch mal aus dem Radio. Es sprach: der Herrenklub.
Beloved Rainald: I'd love to hear your voice and see your fuckin face live again. Yes yes, yo. To the beat, yo. Und nun gilt es wieder: VOLL DIE MOSCHE REINZUJAMMEN. Ich mache mich dran. Mal sehen, ob Frankfurt diese Woche DOCH irgendwie: klappt.

Moritz von Uslar, München - 11.10.99 at 16:41:30


S. hat zu mir gesagt: Du bist so ernst geworden. Achnein, sage ich, soll ich Dir ein paar lustige Geschichten erzählen?
A.ist total angefressen wieder mal. Ihre Schwanzflosse ist bis auf den Stumpf zerrupft, nur ein paar grau-grün angelaufene, gelähmte Gräten hängen noch raus. Ein Auge ist weißlich matt, ihre Bauchflosse ist zerfasert. Ich weiß nicht, was in B. gefahren ist, sie pickt und hackt mit ihrem Skalarmaul und A. hängt nur noch in den Pflanzen rum. Als Rache wird sie wohl in zwei oder drei Tagen B.'s Eier auffressen, die sie auf die Steine geklebt hat. Selten so gelacht.
Ich komme vom Einkaufen und als ich unter dem Regenschirm rausspähe, sehe ich K. wie sie mir entgegenkommt. Hass, Hass, Hass. Wenn ich mich jetzt nicht beherrsche, steche ich ihr mit der Schirmspitze die Augen aus. Ich trete ihren Scheißkopf auf dem Straßenpflaster platt. Ich zerquetsche - und dann spuckt sie mir vor die Füße. Die Spucke fliegt aus ihrem verkniffenen Mund ohne Lippen und sie wird von hysterischem Lachen gebeutelt. Achnein, soll wohl Weinen sein. Oder doch Lachen? Mir scheißegal. Irgendwie presst sie dann noch diese unglaubliche Beschimpfung raus: Fick Dich ins Knie. Nicht mal im Beleidigen ist sie gut. Heute habe ich erfahren, daß ich sie ja quasi angefallen habe und wohl echt nicht ganz dicht bin. Lustig, nicht!?
Mir geht es also echt gut, sagt M. Dann ist ja alles gut, sage ich. Sonst noch was? Der Telefonhörer stinkt. Naja, sagt er, ich bin mir sicher, daß ich bald eine süße Freundin haben werde .... Schön sage ich und sammel die Brotkrümel vom Teppich auf. Dich sagt er. Ähähähä, ich verkrampfe, das glaube ich nicht. Ja, tschüß dann sage ich und lege schnell auf. Witzig, was!?
Mein Leben lang habe ich gedacht, daß alle gestört sind, nur ich bin normal. Jaha, hebt da der Küchenpsychologe den Finger: Die mit dem Knall glauben immer, daß sie normal sind. Aber etwas hat sich geändert, so viele Psychos überall. Immer öfter frage ich mich: Sind die vielleicht normal und ich gestört? Und weiter dann: Bin ich in Wirklichkeit also doch normal? Alles in allem lustige Wochen.

Britta Hamburg, Deutschland - 11.10.99 at 16:52:29


Genau, M. v. Uslar: Ganz großer Auftritt. Ich hab ihn mir heute mittag auf N3 angesehen. Die Altsozis immer per Du und über Ihn sprechend als Er, mit dem Finger auf Ihn zeigend. Er das Du komplett vermeidend, einmal rutscht er ins "Du", verbessert ins "Sie", nimmt den Satz zurück, formuliert ihn neu mit "man". Läßt sich immer von der grunzblöden C. das Wort abschneiden, nur einmal nicht, als er darauf hinweist, daß die Wirtschaftszahlen in Frankreich beim Altlinken besser sind als die in England beim Immerlächler. Am Ende die Klarstellung, daß Modernisierung nicht das schlechteste Sozialsystem heißt, sondern die besten Schulen, die besten Universitäten, die besten Unternehmer und das beste soziale Klima meinen muß. ENDLICH SAGT DAS MAL EINER! Zum Schluß zu C.: Daß ich von zwei Ämtern zurückgetreten bin, heißt ja nun nicht, daß man mir alberne Fragen stellen kann.

Ich kann die Wirtschaftstheorien nicht wirklich beurteilen. Aber natürlich muß man internationale Politik machen wie Lafontaine wollte, das ist eine Trivialität. Und daß er alles durchgerechnet hat, glaube ich auch nur ihm. Und nicht weil er Physiker ist, sondern weil er sich immer mehr getraut hat als andere und er kein Karrierist ist.

Ralf Bönt, Spotendorf, - 11.10.99 at 18:32:58

Kurz: Ich finde Christiansen nicht grunzblöd, sondern einfach, glaube ich, derzeit die beste, angenemste Stichwortgeberin im Fernsehen. Fertig. Auch egal,

Moritz von Uslar, München - 11.10.99 at 19:34:22

Ich bin immer noch krank. Seit über einer Woche jetzt. Alle anderen, die gleichzeitig mit mir krank geworden sind, sind natürlich wieder gesund. Aber durch meinen Geburtstag bzw. durch die Party bzw. durch das Fähnchen, dass ich mir einbildete, auf meiner Geburtstagsparty tragen zu müssen, und die Uhrzeit, vor der ins Bett zu gehen mir an so einem Geburtstag nicht richtig erschien sowie der Liebeskummer, mit dem anscheinend zur Zeit jeder zu kämpfen hat (sogar Smudo, wie er mir und einer Millionen anderen heute im jetzt-Magazin mitteilte, hat mich irgendwie sehr gerührt, wieviele Leute können eigentlich noch so richtig toll schreiben?) - all das hat mich jetzt zurückgeworfen, hinter die Seeligen, Wollpullovertragenden, Schlummernden, Wick-Medinait-geht-aufs-Herz-mir-doch-egal-Trinker. Mein Bett langweilt mich so. Auch deshalb werde heute nacht wieder gesund werden.
Ich lag also heute den ganzen Tag in meinem langweiligen Bett und habe hin und wieder auf meine fliederfarbene Zimmerwand gestarrt und dann wieder gelesen, das jetzt-Magazin, die Süddeutsche Zeitung und den Spiegel. Man liest ja, wenn man länger unfreiwillig isoliert ist, ganz anders. Dankbarer, aufmerksamer und staunender. Ein bisschen so wie man ganz früher als Kind, vielleicht in einem stinklangweiligen Urlaub, den "Stern" der Eltern las. Ohne die Möglichkeit der sofort sich anschliessenden Diskussion darüber, ohne die Möglichkeit, das Geschriebene seinem Entstehungsgedanken zuzuordnen oder zu relativieren. Man nimmt einfach zur Kenntnis und schaut sich die Bilder dazu an. Und wartet, dass sich autark die eigene Meinung bildet. Mich hat beispielsweise heute etwas gestört, was mir sonst überhaupt gar nicht mehr aufällt: die "ureigene", total veraltet-süffisante Spiegel-Sprache nämlich, wenn es um Kultur geht. Die so ist, wie ein ältlicher Herr guckt, wenn er einem Kollegen bei einem Bier einen Herrenwitz erzählt. In dieser Tradition muss Anke Dürr, die ja nun wirklich kein ältlicher Herr, sondern jung und sehr nett ist, ein Buch, rein zufällig Deines, liebe Elke, mit dem Münchner Klatschmagazin "Bunte" vergleichen und eine Internet-Seite, zufällig Eure, Sven und Elke, mit einer "Schreibstube". Ich meine, wer sagt denn heute bitte noch das Wort "Schreibstube", und zu was? Wieso eigentlich "Stube", Ihr da oben in Hamburg: Solltet Ihr nicht lieber "Tipp-Kombüse" und "Gala" nehmen? Inhaltlich war mir das dann auch gleich nicht mehr so zwingend. Ich verstehe dieses ganze Pop-Argument nicht wirklich, sicher nicht so, wie es gemeint ist. Ich bin dann irgendwie langsam wieder weggedämmert, während ich mir das Spiegel- Titelbild nochmal angeguckt und gefunden habe: Elke, Du hast wirklich sehr hübsche Beine, und wahrscheinlich ist das Pop.

rebecca casati münchen, deutschland - 12.10.99 at 00:21:26

Und ich vergaß: Andrian! Auch Dir und John Lennon herzlichen Glückwunsch!

rebecca casati münchen, deutschland - 12.10.99 at 00:31:45

  1
Libellen, erzählte ihr einer, fräßen ihre Männer. Bei ihrem glitzernden, satten Flug dächte er an Liebe und Vermehrung.
2
Am nächsten Tag der Gruß: "Guten Morgen, Libelle." Ihre Antwort blieb ab dann "Guten Morgen, Lieber." Das war zuerst des Stabreims wegen geschehen.
3
Daß er es als Kosewort verstehen könnte, hatte sie nicht bedacht.
4
Später, als er sie nicht mehr besuchte, schrieb sie sich Briefe mit seiner Frau. Die hatte ihr im Namen der Kinder für ihre Rücksichtnahme gedankt.

Carmen Samson Berlin, - 12.10.99 at 10:12:03

"Angenehm" schreibt man mit H. Es heißt deshalb nicht: angenem. Liebe Elke, lieber Sven, bitte das zu korregieren. Bei Rückfragen unter den bekannten Nummern zu erreichen, danke

Moritz von Uslar, München - 12.10.99 at 10:58:22

Eben komme ich vom Brötchen holen und wer reckt mir da an den Briefkästen den Arsch entgegen? Da brauch ich gar nicht das Gesicht sehen - es ist die Prosieglerin. Morgen, ich bin schon die halbe Treppe hoch, als ich das zwischen den Zähnen rausdrücke. Na wollnse denn nicht die Post, Sie hab ich ja ewich nich, ich hab schon meinem Mann gesacht, die is bestimmt ausgezogen, die hat längst was besseres. Das trifft mich unvorbereitet. Ich muß jetzt stehenbleiben, die Zähne fletschen, mich umdrehen. Was ist das denn? Wie sieht denn die Prosiegel aus? Was ist denn jetzt passiert? Leggings immer noch, sicher, aber dazu eine Jeanscorsage, drunter ein Oberteil aus Synthetikspitze in in rosa. Und - wie krass - sie hat sich die Haare noch mal aufkrausen lassen, eine fisselige gelbe Wolke schwebt um ihren Kopf. Sie wedelt mir mit einem Haufen Briefe zu und quatscht ununterbrochen, der Sascha hat doch am Wochenende geheiratet, also, ganz toll, Cordon bleu und Spargelcremesuppe, sowas von edel. Sie hats der Patricia ja gleich gesagt, daß das ohne Hochzeitstisch nix wird und das hamse jetzt davon, nur Kochtöpfe, aber Sascha wollte ja nicht auf seine Mutter hören, hätte er mal besser noch gewartet, er ist doch noch so jung. Sie weiß wovon sie redet, weil sie ja jetzt schon 23 Jahre verheiratet ist. Und sie wedelt noch mal mit der Post und da fällt mir auf, das ist gar keine Post, das sind ja so Fototaschen. Sie hat mich abgefangen, klar, das sind die Scheißhochzeitsfotos, die ich mir jetzt alle angucken muß. Ich ess die Kischtasche aus der Hand und werf die leere Tüte in den Karton für die Werbesendungen. Das ist aber kein Mülleimer, sagt die Prosiegel tadelnd zwischen zwei Fotos.

Britta es heißt auch "korr>i", deutschland - 12.10.99 at 11:03:28

 

Wollte sagen: Es heißt korr>i< und wieso bin ich jetzt 2x drin?

Britta - 12.10.99 at 11:06:19

Man schneidet mich ab. Korr i gieren, verdammt

britta - 12.10.99 at 11:08:11

Stimmt, es heisst korrigieren, nicht korregieren, obwohl korrigieren ja von Korrektur kommt - das ist sehr unangenem.

Georg M. Oswald - 12.10.99 at 11:57:32

  Heidelberger Herbst

Heute letzter Tag des goldenen Herbstes. Das sind diese Tage, an denen man aufwacht, aus dem Fenster schaut, und alles ist erst einmal grundsätzlich in Ordnung: Zartes Hellblau, weiter Himmel, faserige dünne Wolken ganz weit oben, die die Sonne nur verschleiern, nie verdecken. Starken Kaffee gefrühstückt.

Mittags Mensa. Früher, in den Achtziger Jahren, war in der Marstall-Mensa mit dem mittelalterlich hohen gekalkten Speisesaal alles klar, eine einzige Entscheidung. Links für die Vegetarier Soja-Schnitzel und rechts das Tagesgericht für Sättigungsbedürftige. Jetzt ist alles anders. Links kocht in der Italienischen Mensa ein Italiener mit Klischeename, Guido Reni oder so ähnlich, und rechts alles wie gehabt. Heute, zur Verdeutlichung, ein Carbonara-Auflauf, rechts sogar, als Konkurrenz, ein Gericht, das früher Maultaschen mit Hackfleichsosse benannt worden wäre, und heute, als Neidprodukt des Massenkochs, Canneloni in Tomatensauce heißt. Schmeckt aber. Die Gesichter sind unvertraut. Nicht mehr, wie noch vor ein paar Jahren, der gute Geologentisch neben dem schlechten Juristentisch. Alles ist einheitlicher. Die Barbourjacke als Trennmittel hat ihre Funktion aufgegeben. Die Studiengänge sind heute inkognito unterwegs. Nicht mal die Speisesäle sind unterschiedlich belegt.

Ich bin mir ganz sicher, das ist der letzte Tag des Herbstes. Irgendeine Warmfront saugt einmal noch unter Zwischenhocheinfluß südlichere Winde ins Land. Noch einmal mit Blick auf die leuchtenden rostfarbenen Hügel im Freien sitzen und die Sonne spüren. Auf der Hauptstraße Klassenausflüge. Vor der Max-Bar am Marktplatz ein Maroc im sonnendurchfluteten Nachmittagslicht. Einzig störend ein Gitarrenspieler, der Beatles-Songs interpretiert. Let it be.. singt er. Soll er es doch sein lassen.

Am Neckar danach ein Spaziergang, geblendet von der sich spiegelnden tief stehenden Sonne. Glück. In Neuenheim kurz auf der Brückenstraße vorbeigeschaut an der Neueröffnung: Wiener Kaffehaus Galerie 33. Furchtbar. Wieder so ein Projekt, das sich eine von sich selbst gelangweilte Mittvierzigerin mit Kunst- und Kulturambitionen auf dem heimeligen Sperrholz-Reißbrett ausgedacht hat. So, in der Art, Nische für Kultur im kapitalistisch verseuchten groben und anonymen Spätjahrhundert. Stehtische und Billigkunst. Wenn man sich überlegt, daß die größte Stärke der österreichischen Kaffeehauskultur immer schon in der Abwesenheit von Kunst und dem unbegrenzten Sitzen und Zeitungslesen bestand. Wahrscheinlich auch noch Nichtraucherzone. Indiskutabel.

Oben auf der Straße, die vom Schloß über den Berg nach Westen führt, das orange kreiselnde Blinklicht der Räumungsfahrzeuge, die das nasse Laub von den Straßen wischen. Hier unten, wo der Wind alles trocken gemacht hat, das zerbrechliche Rascheln von Blätterstrudeln, kleine Mini-Tornados vor der Tür.

Abends eigentlich nur auf ein Bier in die gestylte, aber nette und dann doch wieder zu helle Pepper-Bar. Ebenfalls dann doch mit Freunden drei Champagner und ein Kölsch. Sehr gut das Bild von Wilhelm Reich als erstem Punk des Jahrhunderts. Dazu passt dann auch der Party-Mix von den B 52's. Surprise: Paartey! Herbstalkoholismus. Beim Trinken selbst nichts merken, nur am nächsten Morgen etwas schwerer aus dem Bett hochkommen.

Natürlich zu lange geschlafen. Feind Alkohol. Weltuntergangshimmel, peitschender Regen.

Dann, zum Glück, beim Friseur Benders in der Unteren Straße. Gespräch mit meiner Haarschneiderin läuft sehr wortkarg an. Stellt sie dann auch fest und entschuldigt sich dafür. Alle sind scheinbar ein bißchen angeschlagen. Im Hintergrund, wie immer, gute Musik. Es läuft Thievery Corporation. Dieser Salon ist eigentlich ein Wunder. Seit ich Kunde bin, das heißt, seit ich in Heidelberg bin, hat sich nichts verändert. Die hellgelben Wände, das einfache Interieur in Schwarz und die sparsam verteilten Gegenstände. Zeitlose Moderne. Die Haare müssen wieder länger werden, deswegen nur angleichen und hinten ab. Alle Welt trägt heute kurze Haare. Das ist wieder so eine Entwicklung, die sich zunächst ganz unbemerkt eingeschlichen hat. Plötzlich schaut man sich um, und wie, als ob man Wochen und Monate verschlafen hat, ist alles anders.

Spätnachmittags auf einen Espresso ins Hörnchen. Mitten im Gespräch plötzlich Aufruhr: Ein Kamerawagen, ein umgebauter Citroen DS, braust die Untere Straße entlang, dahinter ein 72er Porsche Targa in Braun mit Katja Riemann und Jürgen Vogel drin. Sie bremsen, Katja steigt aus, Schnitt. Nichts gewesen, also alles noch mal von vorn. Dreimal sind wir Zeugen des Schauspiels. Der Himmel ist nämlich aufgerissen und orange leben die Frühabendfarben noch einmal auf. Drehzeit. Wolkenfetzen treiben am Himmel. Trotz der nervenden Wiederholung haben die beiden Spaß in Ihrem Porsche, man lacht halb gequält, halb überdreht. Ein Blick in den Aschenbecher auf dem Tisch: Zuviel geraucht, die nächste Packung Marlboro Ultra wartet im Automat darauf, gezogen zu werden.

Abends mit einem Freund zum Abendessen im Café Burckardt. Die Elementarstrukturen des Lebens bedürfen der feierlichen Überhöhung, um sie aus dem Einerlei der Tage auszuschneiden. Was es gleich ausmacht, wenn der Tisch, an dem man sitzt, mit einer frischen weißen Decke geschmückt ist. Wenn schon Flucht, dann Flucht in den Luxus.

Gut, daß bald Buchmesse ist. Und wie jedes Jahr eine Platte von Stereolab mit einem unvergleichlichen Titel erschienen ist: Cobra and phases group play voltage in the milky night. Mein Messesoundtrack.

Jetzt schon schön: Die Vorstellung, daß sich wie jedes Jahr ab Mittag der Nebel auflöst und die Bratwurst an der Messebushaltestelle in der Sonne wartet.

1999 ist das Jahr der am schlechtesten geschriebenen Literaturbeilagen seit langem. Heute FAZ und NZZ. Die ersten Sätze: Es gibt Dichter, die sich verbergen (NZZ). Na sowas. Wer hätte das gedacht.
In diesem Herbst gibt es ein Buch, das auf beunruhigende, ja erschreckende Weise anders ist.(FAZ) Ja Potzblitz. Anders als was denn? Als ein Kleiderständer?




Eckhart Nickel Heidelberg, Vorfreude - 12.10.99 at 14:37:56



in den früheren Fassungen unseres Romans
entschließt sich daraufhin Augustinus zum Selbstmord
der nur durch das Dazwischentreten des Obristen
verhindert wird

in der sogenannten letzten Mappe
aus der wir ja lesen
hat Stifter dann dieses Motiv getilgt

wenige Monate bevor er sich selbst
jene Verletzung beibrachte
von der in Frage steht
ob sie ein Suizidversuch war

KRANK

will man auf dem Niveau des Dichters
an diese Frage herangehen
so hat man sie
auf sich beruhen zu lassen

Dienstag, 12. Oktober 1999, Berlin

nehmen Sie die Taube
aus der Arche
freundlich auf


Rainald Goetz - 12.10.99 at 16:48:21

Bitte "korregieren" zu korrigieren. Danke,

Moritz von Uslar, München - 12.10.99 at 18:01:47

Und wie immer läßt das Establishment (darf man jetzt wieder sagen) nicht auf sich warten bei der Verdniedlichung neuer Bewegungen und Strömungen. Ist doch wirklich nichts zu sagen gegen Popstar-Attitüden. Das sind doch nur die Berührungsängste deutscher Bildungsbürger vor Selbstverständlichkeiten wie Marketing und Promotion. Ein Hoch auf Robert Schneider und seine wirklich zivilisierten Forderungen an den Lesebetrieb! Da können wir nur davon profitieren und deswegen wird mich das Literaturbüro Nordrhein-Westfalen im November auch Business Class ins Ruhrgebiet fliegen und im Mövenpick-Hotel unterbringen. Das hat doch Stil, wo liegt das Problem? Denn, um endlich auf den Punkt zu kommen - wer will schon ein Enkel sein? Doch Taten sprechen natürlich deutlicher als Worte, und das Titelbild ist wirklich ein Kracher. Gratulation.

Andrian Kreye New York, - 12.10.99 at 18:17:43


ganz kurz den Mond ankucken
jetzt

rg, b, - 12.10.99 at 18:47:35

Wo überhaupt ist Lorenz? Wahrscheinlich bereiten er und Frau Döbereiner ja in aller Stille eine ganz grosse, noch geheime Portraitserie vor.

rebecca casati münchen, deutschland - 12.10.99 at 20:50:24

Entschuldigung, Andrian, aber sind es "Popstar-Attitüden" Business-Class zu fliegen und in Hotels der gehobenen Mittelklasse untergebracht zu werden? Ist das nicht eher das Mindeste, wenn man von einem Veranstalter irgendwohin eingeladen wird? Ich wurde in den paar Jahren, die ich jetzt als Autor und Vorleser meiner Sachen unterwegs bin, nie anders behandelt. Ich habe immer gute Honorare bezahlt bekommen, in den besten Hotels am Ort gewohnt und bin - wenn die Verkehrsverbindungen das zugelassen haben - Erster Klasse gereist. Ich habe noch keinen Veranstalter, der mich eingeladen hat, je danach fragen müssen, auch sie haben das offenbar immer als selbstverständlich begriffen. Vom Verlag bekam ich während der Messe stets im Frankfurter Hof ein Zimmer bezahlt, ohne dass ich mich darum hätte bemühen müssen. Ich wurde immer gefragt "Ist es so recht? Wünschen Sie dies? Wünschen Sie das?"
Und was Marketing und Promotion angeht: Ich habe noch keinen, aber wirklich gar keinen getroffen, der behauptet hätte, Autor sein, Bücherverkaufen ginge ohne. Die Art von Bildungsbürgertum, die die Literatur um der "Wahren Werte" willen gegen den "Kommerz" verteidigt und deshalb die Werbung verteufelt, gibt es doch längst nicht mehr - und wenn, dann stinkt es bereits. Nichts, wogegen man antreten müsste.

Georg M. Oswald - 12.10.99 at 20:57:02

Tauchen: Casati

pool*S.


und mal bisschen rumreden
und deswegen sollten wir - hieß es davor
sowieso - also das, was wir sollten - das war aber weg
und dann eben: und mal bisschen rumreden

das waren die Aufwachworte gewesen
ohne Bild, kurz nach fünf
das fand ich ganz passend für heute
für den ersten Buchmessentag

Mittwoch, 13.10.1999, Berlin

gestern Abend
vom Einkaufen daheim
machte ich den Computer an
und schrieb am Pool: ganz kurz den Mond
ankucken jetzt
und die Zeitziffer dahinter

und dann kam es mir aber doch
einfach zu KRANK vor
und ich drückte auf zurück
und schickte es nicht ab

der Mond war so dürr in dem Moment
und sehr hell leuchtete er da am südlichen Himmel
relativ weit unten

hach ja


Rainald Goetz, Berlin, - 13.10.99 at 08:54:24

1
Zurückgelehnt sitzt sie in ihrem Stuhl. Die Hände hat sie über dem Bauch gefaltet. In den letzten Monaten habe ich sie oft so gesehen.
2
Ihre Lippen. Als hätte eine Biene, vom selben Gedanken geführt wie ich, hineingestochen.
3
Auf ihrer Schulterkugel spiegelt sich das Licht als sanft schimmernder Kreis. Die Haut ist glatt, griffig. Ich überlege lange, wie ich die Farbe nennen soll. Messingrot, aber vom Ton einer geringerwertigen Legierung. Was eigentlich schade ist.
4
Ich bin überzeugt, sie riecht auch gut.
5
Traum
Wir sitzen auf einer Hollywoodschaukel. Zu dritt. Die Schaukel legt vom Balkon ab, und wir fliegen träge über den Straßen zum Meer.

Carmen Samson Berlin, - 13.10.99 at 11:45:09

Gerade, vor mir, im Baumarkt: Ein Heranwachsender. In seiner Hand: Ein Handtelefon. Fake. DM 35,-- bei TOYS 'R' US. One-touch-system: Die grüne Taste kann dreimal gedrückt werden.

1. Druck (Mickymausstimme): »Hallo.«
2. Druck (Mickymausstimme): »Wie geht's?«
3. Druck (Mickymausstimme): »Tschüss.«

Reality bites
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KRANK

Warten auf Antwort.


Stefan Beuse Hamburg, - 13.10.99 at 12:43:18

Im Rhythmus
Wo jeder mitmuß
Tanzte mal ein Haufen Kälber
Schwer versunken um sich selber
Ein kleiner Goetz der wurde KRANK
Fiel als offnes Buch vom Schrank
Kommt die Hausfrau rein:
Das darf ja wohl nicht wahr sein
What a Buchmess!
(she's international, man)


Britta Hamburger Fluchmesse, Freuland - 13.10.99 at 12:53:31

Nein, ich gehe nicht zur Buchmesse, liebe Rebecca und ich schreibe auch keine große Portraitserie.
Letzte Woche war meine Frau im Krankenhaus, meine Schwester und ihr Freund kamen am Wochenende zu besuch, mit meinem Papa musste ich im Regen anstehen um die Reichstagskuppel anzugucken, dann waren noch zwei meiner fünft besten Freunde da, was zu einer gepflegten Alkoholvergiftung führte. Fast jeden Tag, so auch gestern, ruft jemand während des Abendessens geschäftlich an, egal wann ich esse, und heute klingelte es ausserdem noch um zwei Uhr nachts, aber da bin ich nicht rangegangen, und um halb acht stand der Maler vor der Tür und ich hab mir nach dem Frühstück in den Finger geschnitten und heute nachmittag muss ich den Staubsauger von der Reparatur holen und ein Schälmesser kaufen und zur Bank gehen. Dann schlag ich mich noch mit zwei bis vier journalistschen Arbeiten rum UND WANN BITTE SOLL ICH DA EIN BUCH SCHREIBEN?
Und wann komm ich auf den Spiegeltitel und wann zahlt mir jemand einen Erste Klasse-Flug? Mein depperter Verleger ruft mich noch nicht mal an. Das ist jetzt das dritte Mal! Zuerst der linke Schlamper von Trikont, dann der Chaot Lothar Menne von Hoffmann&Campe; und jetzt wieder!
Verleger sollen die Krätze kriegen.
He, Verleger, falls Du das liest -irgendwas wirst Du ja den ganzen Tag lang machen- ruf doch mal an. Das Geld habe ich bekommen, danke, aber nach drei Monaten kann man auch mal anrufen, oder?
Nein, ich gehe nicht zur Buchmesse, allein schon deshalb, weil sich da mein Verleger rumtreibt.

Lorenz Schröter Berlin, - 13.10.99 at 14:03:29

Das, lieber Lorenz, war ein verhängnisvoller Kommafehler, denn, lieber Lorenz, hättest Du das Komma hinter »Rebecca« nicht vergessen, wüsste niemand, lieber Lorenz, niemand in ganz Mediendeutschland, dass Du, obschon verheiratet, lieber Lorenz, die Frau Casati liebst, die, ebenfalls liiert und trotz Krankheit, ihrem Manne Tiefkühlgerichte auf dem Herd zubereitet. Jetzt sieh zu, wie Du da wieder rauskommst. Lieber Lorenz.

Stefan Beuse Hamburg, - 13.10.99 at 15:32:29

1
In der Pause spricht mich ein Mann im Smoking an.
2
Ob ich nicht für einen guten Zweck spenden wolle. Eine milde Gabe. Für Kinder. Schule. Benachteiligte. Auf dem Listenformular für Unterschriften, das er mir vorhält, sind ein Kreuz und ein Wappen mit einer arabisch wirkenden Inschrift abgebildet.
3
Der Mann rückt ganz nah an mich heran und spricht sehr leise.
3
Ich bedaure. Nur die Kreditkarte hätte ich heute dabei. Meine Freundin schaut mich verwirrt an. So kennt sie mich nicht.
4
Die leere Unterschriftenliste, in die ich mich hätte eintragen sollen, war von einer Plastikhülle geschützt. Die Hülle war abgegriffen und schmutzig.

Carmen Samson Berlin, - 14.10.99 at 10:02:01

Und dann war da noch: ULRICH KLEVER. Genau, der erste deutsche Fernsehkoch, damals in der "Drehscheibe". Ich war gerade in der Stadtbücherei, wo ich manchmal zum Schreiben hingehe, die haben sogar Steckdosen, fürs Notebook. Ich sitze also in der Nähe vom Geschichts-Regal und sehe: "Das Reich der Türken" o.s.ä. von Ulrich Klever. Kann doch nicht sein, denke ich, DER Ulrich Klever und das "Reich der Türken"? Ich nehm das Buch heraus, schau es mir an. Tolle Kapitelüberschriften - "Erotik bei den Türken" und sowas - und sehe dann hinten im Einband nach, Autorenfoto. Und? Tatsächlich! Er ist es! DER Ulrich Klever! Das Gesicht werd ich doch nie vergessen. Was wieder einmal beweist: Man begegnet jedem Menschen zweimal im Leben.

Georg M. Oswald München, - 14.10.99 at 12:50:40

In Wirklichkeit ist, lieber Herr Beuse, Lorenz ein Visionär. Hörte ich doch gestern, dass auf internationalen Beschluss die Kommaregeln für den Internet-Schriftverkehr aufgehoben wurden.

rebecca casati münchen, deutschland - 14.10.99 at 14:05:25




Hotel Aria, Zimmer 116
Eckenheimer Landstraße, Ecke Eiserne Hand
sehr geiler Messenepp: brutal laut, asselig versifft, brutal teuer
einfach pervers

ich muss es auch selber zahlen, reise Holzklasse usw
und weiß: wir leben tags genau das Leben
das nachts unsere Träume für uns sich erdenken

so ist es denn beschlossen
und so nehme ich es hin

die Sonne scheint
und freundlich schimmert
eine bronzefarbene Kastanie gegenüber

das ist der goldene Oktober, der vierzehnte
Frankfurt am Main, Donnerstagvormittag

KRANK

bin nicht ich, krank sind meine Worte
am Gemüt, von innen her

ich finde das - okay




Rainald Goetz, Frankfurt, - 14.10.99 at 14:21:39

Klar liebe ich Rebecca. Wer tut das nicht? Honi soit qui mal y pense.
Und, lieber Beuse, wenn Sie auch geliebt werden wollen, seien Sie kein Kommafuchser.

Lorenz, the wild one Brockhaus,, El Dorado - 14.10.99 at 14:44:37

Lieber Ralf Bönt, ich gratuliere Dir zu deinem Preis, 'ein Stipendium im Ledig-Haus im Staat New York und anschließend eine Reise durch die Universitäten und Verlage Amerikas.'Informationen hier aus Erster Hand. Peter Gutmann, der Dich heute besungen hat sitzt neben mir, oder? Ralf, erzähls uns!
Sonst, ich vermisse Rainald, der durch die Gänge der Messe tobt, wo bist Du? Und verdammt gutes Wetter, für mich, weil ich keine Regenjacke dabei habe. Und wo bekomme ich jetzt etwas zu essen her für Covergirl Elke? Weiter weiter weiter.

Sven Lager Frankfurt am Main, - 14.10.99 at 16:50:19

Sven: Luigis Gaststätte Nummer 16, Wiesen- Ecke Burgstraße, ungeschlagener Klassiker, vor allem das Kaninchen. Näher bei der Messe - das Jimmy's im Hessischen Hof, Club Sandwich von internationalem Format und hochprofessionelle Barkeeper.

Andrian, dieses Jahr leider geografisch verhindert., - 14.10.99 at 17:18:08

1
Er sitzt gut an ihm, der Erfolg. Also darf er auch einen Vortrag zur Elitenbildung in Deutschland halten. Als eine der Herausforderungen des nächsten ... und so weiter.
2
Neben dem Vortragenden sitzt beim Essen eine Frau im Minirock. Blond, großgewachsen. Irgendwann fragt sie, worüber der Redner denn sprechen würde heute. Die Vorsitzende ihr gegenüber bemerkt: "Womit Sie sehen können, daß Frau [sie blickt auf das Namensschild] eindeutig Ihretwegen gekommen ist, Herr Minister." Das wiederum scheint die Dame im Minirock nicht wirklich nett zu finden.
3
Nach seinem Vortrag setzt sich der Redner noch einmal kurz an den Tisch. Er blickt nach links zur Minirock-Blondine und nach rechts zu einer Dame, die ihn zum Wahlkampf in Berlin befragt hatte, und sagt dann mit großem Bedauern in der Stimme: "So charmante Damen hier..." Dann steht er auf. Einmal dreht er sich noch um. Zu der Dame gegenüber: "Und die Vorsitzende."
4
Er hat sich genauso gelangweilt wie sie, denkt sie. Und ist froh, keine charmante Dame sein zu müssen.

Carmen Samson Berlin, - 15.10.99 at 10:02:31



Die Postbotin steckt sich im Gehen
mit lässiger Bewegung eine Zigarette ins Gesicht,
schwungvoll schiebt sie ihren Wagen
vor sich her und raucht.

Gestern genauso: selbe Stelle, gleiche Zeit;
kleines Ritual des Arbeitstags.

Der Kollege kommt ihr entgegen,
sie treffen sich bei der Trambahnhaltestelle,
da stehen sie paar Minuten und unterhalten sich,
gestützt auf ihre bewegungslos harrenden Last-Tierchen.

Vier Objekte, zwei mit Seele,
dunkelblau und leuchtgelb gemustert:
der neue Postler-Style ist doch eigentlich - auch
ganz okay, oder?

irgendwas stimmt nicht
am Kleiderbügel
hängt schief
ah: ein Ärmchen ist abgebrochen
der Stumpf ist rissig noch

KRANK

Freitag, 15. Oktober 1999, Frankfurt




Rainald Goetz, Frankfurt, - 15.10.99 at 16:11:11



lesen
gehen
trinken
reden

UNKRANK

einen Tag erleben

16.10.99


Rainald Goetz, Frankfurt, - 16.10.99 at 15:01:43

Hbf Goethestadt Frankfurt am Main im Herbst pop S-Bahn raussuchen pop Garderobe Pressekarte raussuchen
pop Transportband für Menschenkörper erster Termin Literatur international und Vermarktung der deutschen Geschichte pop Rumrennen pop Beilagen einsammeln komma hallowiegehtesdirgut auf Gängen und Kreuzungen pop die Blätter der letzten Messe des 20. Jahrhunderts mögen Mädels statt Männer pop Moden komma Ideologien pop wie erwartet pop Heiner treffen John treffen Tropenverlag treffen Julia treffen Norbert nicht treffen pop Party bei Rowohlt pop Ariane Fink treffen pop Silvia Bovenschen wiedersehen pop Taxi fahrn pop Unsinn finanziert Sinn pop morgens der Preis superverständige Einführung von Peter Gutmann komma meine Literatur eignet sich für den US-Markt exclamation mark Bindestrich pop pop pop andere Preise kommen unter den Hammer komma Gerüchte gehen kaliberweise herum pop Peter Weber seit sechs Jahren zum ersten Mal treffen pop Elke treffen Sven ist nicht da komma 3sat strahlt pop Österreicher mit regelmässigem Einkommen sollen verunsichert sein komma eine Demokatriedebatte wird es auch jetzt nicht geben pop Ideologie pop Religion pop Spaß komma nicht mehr über Gesundheit reden pop Terezia treffen Julia treffen Heiner treffen bei Rowohlt rumhängen bei Suhrkamp rumhängen Goetz macht ein Photo pop pop Karen meint ich hätte mir sicher keine Trommel umgehängt ich denke es auch komma abends eine Pizza aufs Zimmer TV dudeln lassen Bier Beine hoch komma schlafen pop morgens Umbuchen von Samstag auf Freitag komma nach der Messe ist vor der Messe pop Drogen pop nur erste Klasse noch Sitze frei komma Preisdifferenz 24 DM nach Berlin pop nochmal hin pop Heiner treffen Daniel treffen Björn treffen Dirk sprechen ein Bier mit Rebekka mit Claudia sprechen Katharina sprechen und Leander sprechen pop mit Annegret sprechen pop nebenbei zwei Geschäfte vielleicht eine Zusammenarbeit pop schöne Messe dieses Jahr komma macht irgendwie leicht pop nächste Woche fürs Traumstadtbuch nach New York das zahlt der Senat pop
weiterarbeiten
pop
noch nix vor für Silvester komma im Januar Urlaub DIE WELT IST EIN DISPOSITIONSKREDIT sehr witzig punkt

Ralf Bönt sehr leicht in Berlin - 16.10.99 at 18:24:08

 

Heute einen Artikel in der FAZ von Diedrich Diederichsen gelesen, einmal im Taxi vom Bahnhof, aber zu viele Gesichter waren mir noch im Kopf, weil ich, vor der Internationalen Presse wartend, im Strom stand der Leute, die von der S-Bahn kamen.

Dann noch einmal, mit dem Koffer auf einem wackeligen Buggy und endlos vielen Tüten mit Büchern und Zeitungen vor dem Puppentheater sitzend, auf dem kleinen Platz, der vom Winterfeldtplatz abgeht. Die Kinder spielten mit Eisenstangen, die sie im Gebüsch gefunden hatten und wedelten damit, und die Leute saßen, gedrängt, in dem schmalen Streifen Sonne, der noch übriggeblieben war vom Nachmittag. Da las ich ihn ganz durch.

Hier ein Absatz gestrichen, weil:
Elke sagt ich soll nicht mehr auf Zeitungsartikel antworten. Sie hat Recht.

- Ja, ich weiß, aber er ist doch von Diedrich D....-
- Und wenn tausendmal pool drinsteht-
- Aber er sagt doch, daß sowas wie pool gefährlich ist, daß man Acht geben muß...-
- Echt? Und wenn schon...-
-Ja, und ich versteh nicht richtig was er meint, warum...-
-Ich versteh den sowieso nicht-
-Vielleicht kann ers ja bei uns nochmal schreiben-
-Klar-

Daß ich gerade davor an sein letztes Buch dachte, auf dem Rückweg, das ich das jetzt, zurückgekommen, gerade das lesen will, schmökern, nach den vielen Büchern, ich weiß nicht warum. Und daß seine legendäre Wohnung in Köln jetzt wahrscheinlich noch in Kisten irgendwo in Berlin steht. Ob er erleichtert darüber ist, denke ich vor meiner Tür, so wie ich erleichtert wäre, würde meine Wohnung jetzt in Kisten sein..

Daß ich, gerade als ich an einem Stand, an dem die Computer-Monitore in einer riesigen Papp-Bücherwand eingelassen waren, hier reingeschrieben habe, daß ich Rainald Goetz vermisse, ihn kurz darauf traf, zum ersten Mal richtig und wir dann ausgerechnet den ganzen Abend Peter Ustinov gegenüber saßen, der Fernsehliebe meiner Jugend (s.o.: 'Ich liebe alte Männer').

Sven Lager hach: Berlin, - 16.10.99 at 22:50:23

 

pool 18