© www.ampool.de / Archiv -> www.imloop.de
pool #16 24.09.-30.09.1999
pool #15 / pool #17
Danke, Eva, das war sehr nett. Ich frage mich: Bin ich wirklich der Mann,
der nicht alle Bananen im Sack hat und die Alleinherrschaft über das Internet anstrebt?
Nicht doch! Aber wie Tom Kummer fragt WHAT ARE WE DOING HERE? frage ich das auch, wenn
auch gewissermassen aus der entgegengesetzten Richtung. Eben, was ist der literarische
Mehrwert von pool, Null, Forum der Dreizehn und all den anderen Dingern, die sich jetzt im
Netz entwickeln. Du hast recht Eva, vielleicht sollte man diese Frage einfach mit sich
herumtragen, sie nicht vergessen, aber auch nicht dauernd stellen und währenddessen hier
Geschichten hineinschreiben (die
"Das-haben-wir-doch-immer-schon-gesagt"-Fraktion soll das Maul halten: Wieso,
weshalb, warum. Wer nicht fragt bleibt dumm!).
Georg M. Oswald München, Deutschland - 24.09.99 at 00:38:58
Die Wiesn. Unendliche Weiten. Die One-Man-Show Vinzenz dringt in Galaxien
vor, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Nachdem er am Sonntag seinen Rausch
ausgeschlafen hat, ruft er mich am Montag vormittag aus seinem Kiosk an und kräht in
Bestlaune: "I bin wieder soweit!"
Wir treffen uns um vier an der Bavaria, anschliessend wieder Schottenhammelzelt, Watten
und jeder drei Mass. Dann will er - Fünferlooping fahren. Also gut, Fünferlooping. Wir
gehen da hin und stellen uns an. Plötzlich entsteht vor uns aus dem Nichts: eine
Schlägerei. Die Umstehenden betrachten mit routiniertem Desinteresse die Szene: Zwei
kräftige junge Burschen, von denen einer den Schriftzug THE BEATLES über den gesamten
Unterarm tätowiert hat, prügeln auf eine schon auf dem Boden liegende, kleine,
kugelrunde Frau ein. Aus dem Geplärr, das die drei veranstalten, ist herauszuhören, dass
sie die Mutter der beiden ist. Vinzenz zögert keine Sekunde und wirft sich auf die
Burschen. Da geschieht das Unbegreifliche: die beiden lassen von ihrer Mutter ab, die
rappelt sich auf, schreit "haltsn fest!" und sie gehen zu dritt auf Vinzenz los.
Vinzenz ist geistesgegenwärtig genug, um zu erkennen, dass er nicht die geringste Chance
hat und wir fliehen blitzartig zu einem Schnapsstand in sicherer Entfernung. Vinzenz ist
sichtlich geschockt und nimmt vier Obstler. Dann will er aufs Teufelsrad. Wir gehen
dorthin. Das Teufelsrad ist eine grosse Drehscheibe, auf der sich besoffene Männer und
Frauen aus dem Publikum mit Boxhandschuhen verprügeln dürfen, nachdem sie Eintritt
bezahlt haben. Ein Conferencier in Lederhosen kommentiert das Geschehen. Es dauert, bis
Vinzenz drankommt. Sein Gegner, ein baumlanger, vom Bier bereits weitgehend komatisierter
Mensch, der einen Hut in Gestalt eines Masskrugs auf dem Kopf trägt, wird vom
Conferencier als "der Schweizer" vorgestellt, Vinzenz als "Vinzenz von
Giesing". Das Rad beginnt sich zu drehen, Vinzenz tänzelt anmutig, er trifft den
Schweizer mit einem harten Schlag an der Stirn, der ihn zu Boden wirft. Das Publikum tobt
vor Begeisterung. Vinzenz reckt die Fäuste. Es ist sein Applaus. Auf dem Heimweg
erläutert er mir, dass die traditonellen Schausteller auf der Wiesn schon auch die besten
seien. Aber genau.
Georg M. Oswald München, Deutschland - 24.09.99 at 01:39:55
Der Finzenz, ist der 60er- oder Bayern-Fan?
Britta. Ich werde diese Möglichkeit zur direkteren Kommunikation nutzen, denn ich glaube, der WERT (nicht Mehrwert, schauriger Begriff) liegt in der potentiellen Interaktivität. Geschichten können durch Fragen gelenkt oder erweitert werden. Und noch was: die Wahrheit liegt meistens nicht in der Wiedergabe der Realität (Dogma-Gegenerin extrem) - 24.09.99 at 12:00:57
Gerade scheint die Sonne. Laut aktueller Forsa-Umfrage liegt die
ungestützte Bekanntheit der Marke Coca-Cola bei über 99%. Die gestützte Bekanntheit von
Benjamin von Stuckrad-Barre liegt bei Jugendlichen im Alter von 14-20 Jahren unter 0,01
Prozent. Die Wahrscheinlichkeit, daß Britta in dieser Sekunde unter eine S-Bahn fällt
und dabei »JA, ich LIEBE das Leben« sagt, liegt ebenfalls unter 0,01 Prozent. Jetzt ist
die Sonne weg, und ein leichter Wind kommt auf.
Stefan Beuse Hamburg, - 24.09.99 at 14:38:47
Der Begriff Mehrwert ist überhaupt nicht schaurig, sondern von Vinzenz,
der sagt: "Der Ricken hat ja schon lang keinen Wert mehr." Vinzenz ist, wie
gesagt 60er-Fan. Ich FCB, immer schon.
Georg M. Oswald Südkurve, - 24.09.99 at 15:00:56
1. Doktor Werner Funk
2. Claus Larass
3. Franz-Josef Wagner
4. Jochen Siemens
5. Benjamin von Stuckrad-Barre
6. Jessica Nitzschke
8. Michael Juergs
9. Erich Follath
10. Claus-Christian Malzahn
11. Joachim Hoelzgen
12. Thomas Melle
13. Florian Illies
14. Sibylle Berg
15. Lisa Feldmann
16. Walter Mayer
17. Thomas Huetlin
18. Christoph Amend
19. Giovanni di Lorenzo
20. Anne Phillipi
21. Rainer Schmidt
22. Stefan Lebert
23. Helmut Ziegler
24. Andreas Kilb
25. Reinhard Mohr
Christian Kracht Ko Samui, Thailand - 24.09.99 at 15:06:25
Heute Morgen wollte ich den Brief an meinen Vater noch einmal lesen. Als
ich die Datei aufrief, war sie nicht mehr zu lesen. Zerstört. Sie hat sich selbst
zerstört. Auch auf der Diskette: nur rätselhafte Fremdzeichen und fremde Textfragmente.
Ich bin verstört.
Meine Mutter sagt: Mein Vater hat den Brief zerissen und einen zornigen Schrei
ausgestossen.
M. M. s.: Ich hätte das nicht schreiben dürfen. Ich hätte ihn sehr verletzt.
M. M. s.: Alles ist wieder gut. Sie fliegen nach Kapstadt.
M. M. s: Sie will so nicht mehr weiterleben.
M. M. s.: Womit habe ich das verdient.
Ich weiß nicht, was meine Mutter sagt, weil ich in dieser Minute, als sie anrief, zum
Briefkasten gelaufen war, um einen Brief einzuwerfen. Ich habe sie nicht zurückgerufen.
Elke Naters Berlin - 24.09.99 at 16:49:49
Natürlich lese ich lieber einen Bericht über die Wiesn, noch dazu so
charmant erzählt, als Betrachtungen über das Schreiben an sich, welche dann viel zu oft
den larmoyanten Ton jener "Writers about Writing"-Anthologien annehmen, die
einem wohlmeinende Bekannte als Prophylaxe gegen Schreibblockaden schenken (würden sie
einem Jockey Hämoridencreme mitbringen?). Weil schreiben können viele, was zu erzählen
und sagen sollen sie haben.
Andrian Frankfurt, - 24.09.99 at 19:32:29
Einen herzlichen tiefen Dank für den letzten Satz von Andrian! Literatur
ist mehr als ein Lichtbildervortrag mit Überblendtechnik. Und an den Liebhaber der reinen
Unterhaltung, wie er uns diese Woche wieder begegnete: Niemand, kein Lyriker will Ihnen
ihre Regale in den Kaufhäusern und Tankstellen wegnehmen! Prügeln Sie sich doch nicht
immer mit Schwächeren! Außerdem wissen sie doch: ohne Jugend keine Rente. Vom Spaß mal
ganz abgesehen. Auch kein aufrichtiger Intellektueller will Ihnen übrigens was, Herr
Liebhaber der reinen Unterhaltung, hören Sie: Niemand will Ihnen Ihren Verlag streitig
machen (solange Ihre Kaufverträge i.O. sind).
Ralf Bönt boomtown, - 25.09.99 at 08:48:24
Aus dem Polzeibericht:
Tot zusammengebrochen
Aus bisher ungeklärter Ursache ist am Freitag um 19 Uhr ein Mann auf der Eppelheimer
Straße in Höhe der Jet-Tankstelle tot zusammengebrochen. Bei dem 33-jährigen handelt es
sich um einen promovierten Akademiker ohne festen Wohnsitz. Kurz zuvor war er bei einem
Telefonat beobachtet worden. Seine Leiche wurde beschlagnahmt und zur Feststellung der
Todesursache in die Gerichtsmedizin gebracht.
Für den StA: Lf8-c5.
Dr. Eckhart Nickel Heidelberg, Gewitterland - 25.09.99 at 14:35:07
03.45 Uhr. Ein roter Ferrari auf dem Sunset-Boulevard. Mehr als 100 mph
hat der drauf, obwohl wir uns da nicht ganz einig sind. Er rast richtung Westen, dann
wieder zurück, richtung Osten. Ein Wahnsinniger?
Wir sitzen mit zwei Freunden und zwei Cheesburgern bei "Mels drive-in". Nach der
vierten Runde schleudert der Ferrari plötzlich ausser Kontrolle, direkt vor uns, über
den Randstein und streift eine Parkuhr. Der Fahrer hat noch nicht genug. Er fährt
rückwaerts über den grasbewachsenen Mittelstreifen, die Räder drehen beinahe durch,
aber der Typ hat seinen Wagen in der Gewalt und kommt auf der anderen Seite wieder heraus,
wie ein Motorboot auf einer Welle. Er rast einen Zaun vor dem neuen Prada-Laden nieder und
schleift ihn ein paar Meter weit mit.
Pause. Der Ferrari bleibt stehen.
Rauch. Discolicht. Sirenen. Die Cops, die längst über den Ferrari informiert sind, haben
mit drei Wagen den Sunset richtung Osten blockiert. Der Ferrari hockt einfach da, keine
Bewegung. Durch die getönten Scheiben ist nichts zu erkennen. Vielleicht ueberlegt der
Fahrer, was zu tun ist. Ja, was? Direkt auf die Blockade rasen?
Wichtigste Frage: Wer sitzt am Steuer? Ein Junge, der ausser einer bestickten Stola von
Etro nichts trägt? Auf dem Nebensitz, George Michael?
Die Cops haben ihre Waffen gezogen, brüllen den üblichen Unsinn über Lautsprecher:
Türen auf, rauskommen, hinknien. Now!
Die Zeremonie dauert zwanzig Sekunden. Dann schiebt sich das Blech seitlich am Ferrari
nach oben, wie Flügel. Vom Nebensitz taucht jetzt eine Frau ins Freie. Mitte Dreissig.
Sie sieht hässlich und gut aus. Sie ist fit und stark, breit in der Brust und Schultern,
schmal in der Taille. Sie hat fette Beine und dicke Knöchel und grosse Pferdezähne und
eine grosse Narbe auf dem Bauch. Vielleicht ist es auch ein Tattoo. Sie trägt irgendetwas
Verrücktes von Givenchy, behauptet Nina.
Zehn Sekunden später: Zwischen der hochgeschobenen Tür auf der Fahrerseite taucht eine
Cordjacke von Ralph Lauren auf. Drei Sekunden später wird alles ganz deutlich: Fettiges
Haar, Schädelform wie die von Wolfgang Joop, knochiges Gesicht, gedopt.
Jean-Claude Van Damme zittert. Zunächst dachten wir, es wäre eine schreckliche, neue Art
von Zorn die von seinem ganzen Körper Besitz ergriffen hat. Doch Jean Claude "the
muscles from brussels" kniet sich einfach zitternd auf den Asphalt, die Arme hinter
den Kopf gelegt. Von dort, wo wir stehen, können wir sehen, wie er hinter dem Kopf
nervös mit einen Ring am Mittelfinger spielt. Die Polizei legt ihm Handschellen an. Dann
verschwindet Jean Claude im Inneren eines Polizei-Van.
Fünf Stunden später.
Jean Claude gibt beim Verlassen der Polizeistation gegenüber Fernsehkameras bekannt, er
könne nicht sagen, ob er sich letzte Nacht in einer Halluzination befunden habe. Er sei
zuhause eingeschlafen, dann gegen 02.00 Uhr erwacht, auf die Beine gekommen, torkelnd,
stolpernd und kotzend. Er habe sich gedacht, vielleicht sei es eine Magenvergiftung. Er
habe Thunfisch bei einem Japaner in Brentwood gegessen. Man könne ja nie wissen.
Sicherheitshalber wollte er zu einer Nachtapotheke am Santa Monica Boulevard fahren. Aber
soweit ist er nicht gekommen.
Jean Claude behauptet, er sei ins Freie zum Wagen gerannt. Er habe Schmerzen von Kopf bis
Fuss gehabt, Schmerzen die ihn Kotzen und doppelt sehen liessen. Er sei total
durcheinander geraten.
Tatsächlich fanden die Cops Spuren von Erbrochenem im Ferrari.
Ob er getrunken habe, wird er von einer jungen Journalistin gefragt. Sie trägt einen
Wollpullover von French Connection.
Ja, antwortet Jean Claude.
Warum er trinke, fragt die gleiche Frau.
Jean Claude blickt reumütig gegen den Boden, schenkt der jungen Frau ein verschmitztes
Patentlächeln und liefert dann eine der strahlendsten Antworten, die Hollywood diesen
Sommer vernommen hat:
"Lady, I only drink to make other people seem interesting"
Das war alles.
tom kummer hollywood, - 25.09.99 at 22:49:26
Yeah Tom! Gerade zurückgekommen aus dem Kino: Eyes Wide Shut. Ich war die einzige die
BEGEISTERT war von dem Film. Jetzt nach vielen Worten und fünf Margharitas weiß ich auch
nicht mehr, ob die Begeisterung nur vom Kino kam. Der großen Leinwand. So selten gehe ich
ins Kino. Das muß sich ändern. Weil ich keinen Schlüßel dabei hatte, mußte ich Sven
rausklingeln. Er entschuldigt sich, daß er schon geschlafen hat. Er sagt: Ich habe den
pool für dich eingelassen: Super Geschichte von Tom. Und legt sich wieder schlafen. Yeah.
Ein würdiger Abschluß des Abends. Glückliche Grüße nach LA.
1. Laab Gai
2. Zwetschgenknödel
3. Kostas Murkudis
4. Eyes Wide Shut
5. Frozen Margaritas
6. Sven
7. Tom (Kummer not Cruise)
Elke Naters eyes wide open - 26.09.99 at 02:54:53
Die Welt ist noch da:
Marilyn Monroe rollt einen Apfel über ihren nackten Busen, sie zieht ihr weißes Höschen
ein wenig herunter. Dann greift sie in die Picknicktüte und holt eine Colaflasche heraus.
Sie verschüttet absichtlich ein wenig und wischt sich umständlich sauber. Ein Orgelloop
läuft im Hintergrund. Sie schaut mich an.
Dann kommt Jürgen Drews und wirbt für eine Sendung, in der er pausenlos Girls an den
Busen und den Arsch fasst. Danach Southpark. Kleine Scherenschnittmännchen.
Amerikanischer Humor ist nicht sehr subtil. Als ich auf den winzigen Knopf drücke zieht
sich der Abspann zu einem wabernden Punkt zusammen, der noch einen Atemzug bleibt.
Die Luft draussen ist kühl, die Nacht leer. Sie ist so ländlich in ihrer Stille, daß
die Autos Gas geben zum großen Stern, zur Frankfurter Allee, wo man cruisen kann.
Klickende Geräusche sind gekommen mit dem wenigen Regen, der den ganzen Tag über Berlin
war, daß ich schon gegen Mittag kurz in eine melancholische Laune verfiel. Ein Reflex,
Berlin Ende der 80er, als man mehr die Depressionen pflegte, weniger die Biere.
Ich stand auf dem Platz und musste lachen, obwohl ich an Becksbier dachte und schlechte
Gedichte. Ein schwarzer Ami kam vorbei und gab mir 5. Ob ich mitkomme, er hat ein super
Sailor Moon-Video zuhause. Ich kannte ihn gar nicht, aber wir grinsten uns ordentlich an.
Sailor Monroe. Sie sieht in die Kamera, klüger und schöner als jeder unsichtbare Satz,
der immerwieder sagt: Ja, dreh dich um, mach das nochmal.
Kurz bevor ich ausschalte schaut sie dem Kameramann durch die Kamera in die Augen.
In die Stille denke ich, jetzt würde ich gerne mit Jean-Claudes Flitzer auf die
Köhlbrandbrücke.
Bier und Heavy Metal.
S. Lager at 3:16, - 27.09.99 at 10:39:35
Madagaskar zog sich langgestreckt und kuppig als dunkler Busch
dahin, dicht und doch zart, fast moosig. Wie Seeigel unter Wasser. Der Wald atmete einen
Geruch aus, salzig, moschusartig. An den fernen, feinen Bäumen schienen salzige
Tautropfen zu hängen. Madagaskar -ein unbekanntes, fettes Etwas.
Schlangen, Ungeheuer, wilde Kreaturen, alles mögliche konnte sich in diesem Urwald
verbergen, eine unendliche Masse. Ebensogut könnte sich aber auch im Inneren ein Meer
erstrecken, und die Küste wäre nur ein dünner Landring. Vielleicht gab es Gold im
Inselinneren. Oder ein mächtiges Volk. Vermutlich gab es dort aber nichts als
lichtundurchlässigen Urwald. Der einzige Zweck lag des Landkolosses darin, an ihm
vorbeizufahren. Möglichst schnell und sicher. Da drüben war etwas, was man lieber nicht
sehen sollte.Hier lebten die Wilden, nackte, wilde Horden.
"Wir Seeleute taufen unsere Schiffe auf weibliche Namen. Warum wohl? Weil sie unsere
Rettung vor dem Meer sind. Schiffe trennen uns vor dem Meer und dem Tod."
"Ich dachte immer, Schiffe seien weiblich, weil es an Bord nur Männer gibt."
"Ja, ja."
Sehnsuchtsvoll sah der Kapitän hinauf in die weissen, vom Wind geballten Segel, die sie
rund und groß vorwärts trieben.
"Schön. So schön."
Es hatte etwas obszönes, wie der Kapitän die milchig vollen Segel anstarrte. Ich wendete
mich geniert ab und sah hinüber zum Horizont - was für eine schöne männliche Linie,
unendlich und nicht kurvig, so beruhigend abstrakt.
"Die Wilden sind anders als wir," fuhr derKapitän fort.
"Weil sie anders sind, sind sie Wilde. Das Anderssein macht sie zu Wilden."
Ich genoß schweigend seine Gegenwart. Endlich hatte ich sein Vertrauen errungen.
"Sie sind glitschig, haarig, sie riechen. Wir verstehen sie nicht. Sie scheinen eine
andere Seele zu haben, falls sie überhaupt eine besitzen."
Geistesabwesend nickte ich und sah hinüber zum Ufer. Dieser unbekannte, abweisende
Urwald, der einen zu verschlingen droht. Ganz klein wird man darin.
"Es gibt noch eine Rasse, die uns ebenso vorkommt wie die Wilden."
Ich hörte nur mit halbem Ohr zu. Das Fremde sollte man von außen betrachten, in Linien
auf Landkarten bannen, aber nicht berühren, hineingehen. Die Sterne will ich ja auch
nicht anfassen, nur sehen, abzeichnen und ausrechnen. Allein die Vorstellung die Gestirne
zu berühren. Das wäre ja so, als ob man die Heldin eines Buches küssen würde. Zum
Glück lagen aber tausende von Meilen Entfernung dazwischen, wie das Vakuum, welches den
Leser vom Inhalt trennt.
"Es gibt noch eine Rasse, die uns ebenso vorkommt wie die Wilden."
Eine Pause war entstanden und ich wandte mich langsam ab vom Dschungel hin zum Kapitän.
Etwas silbriges lag in seinen Augen.
"Frauen."
Das flüsterte der schwarze Kapitän fast.
"Frauen. Sie sind auch anders, ganz anders als wir. Sie gehorchen merkwürdigen
Gesetzen. Aus denen wird nicht niemand schlau. Sie riechen anders, sie können wild werden
ohne Anlaß, sie sind glitschig und..."
Der Kapitän brach ab und verschwand in der Nacht.
Was war das? War das die geheime Wunde des Kapitäns? Frauen und Wilde, nichts ist
unvereinbarer. Frauen sind ein geistiges Prinzip, raschelnd, duftend, verfeinert.
Unberührbar gleiten sie über die Erde dahin ohne sie zu berühren. Frauen sind
unerreichbar wie die Sterne und ebenso kristallklar schön.
Aber vielleicht hat er ja doch Recht. Sind Frauen die besseren Menschen, weil sie keine
Kriege führen und so wie die Wilden edel, frei und ungebunden sind? Oder sind beide nur
ein Schatten des zivilisierten Mannes, denen man Kultur beibringen muss um sie zu retten?
Das Fremde, das Andere, das hatten beide sicher gemein -aber waren sie deshalb besser oder
schlechter? Sind Frauen Edle Wilde oder blutrünstige Barbaren? Sie verwirrten mich auf
jeden Fall genauso wie diese..., diese..., diese.... Nur jetzt nicht an sie denken.
Dunkel zog Madagaskar mit allen seinen Geheimnissen vorbei. Ein salziger, dunkler Wald,
genauso undurchdringlich wie die Sprache der Wilden. So feindlich wie alles Fremde. Wie
ein giftiges, pelzige Tier lauerte es über dem Wasser. Als könnte es zubeißen.
Lorenz Schröter Madagaskar, - 27.09.99 at 15:11:22
Alles voll mit Japan und den Japanern. Erst die groesste Simpsons-Folge
aller Zeiten. Leider im Englischen Original, also ohne Sandra's einzigartige Stimme in der
Rolle als Bart Simpson, trotzdem gut, weil Bart wenig zu sagen hat, diesmal. Er liegt in
seinem Hotelzimmer gleich nach drei Sekunden flach auf dem Boden und waelzt sich mit
riesengrossen Pupillen auf dem Teppichboden eines Business-Hotels in Shibuya. Epilepsie,
ausgeloest durch ein blinkendes Zeichentrickmonster im Fernsehen.
Ueberall ploetzlich Japaner, Reisegruppen, Restaurantbesitzer, einsame Business-Vatis, die
jeden Monat einen Scheck aus Bangkok nach Nagoya schicken. Sie sitzen an der Bar des
schmalen Restaurants und lesen versaute Comics. Schwarz-weiss gezeichnet, einfach nur
Umrisse, wenig Text.
Ich trinke Bier und warte auf meine Bestellung. Keiner der Maenner blickt aus seinem Comic
auf beim Essen. Sie rauchen Mild Seven, essen gepoekelte Makrelen und trinken aus ihren
mit Namen versehenen Whiskey-Flaschen Johnny Walker Black Label. Mr. Kobayashi (steht auf
seiner Johnny-Flasche) ascht sich direkt auf das Wasabi und taucht dann einen
undefinierbaren Batzen Fleisch rein und rein in den Mund damit.
Mr. Kobayashi hat anderes im Kopf als sich mit langweiligen Details, wie dem genauen Ort
des Aschenbechers im Verhaeltnis zu seinem Wasabi-Behaelter zu widmen. Sein Comic ist
gerade sehr spannend.
Ich sehe eine Frau von hinten gezeichnet, die ihren Arsch in die Luft streckt. Zwischen
den Beinen ist ein deutlicher Schatten erkennbar. Nur ein Schatten oder etwa Schamhaare?
Mr. Kobayashi grunzt kurz, zieht dann das Comic ganz nah vor seine goldgerahmte Brille.
Grunzt noch mal, hustet und wirft das Comic halbgelesen auf den Tresen. Er laechelt,
verschraenkt die Arme vor der Brust, zuendet sich noch eine Mild Seven an und laesst die
andere einfach im Wasabi weiterbrennen. Angst, nach Japan zu fahren, weil ich dort nie
wieder weg will.
Eva Munz Bangkok, Thailand - 27.09.99 at 15:41:46
Eine Berichtigung vorab: Die Einträge der 'Hacker', die gar keine waren,
stehen natürlich noch im pool und wurden nicht entfernt, so wie es im neuen Spiegel-Spezial
steht, weswegen es dann Alban Nikolai Herbst 'uncool' fand, das mit dem Rausnehmen. Es hat
uns keiner gefragt wie es wirklich war. Hallo?
Sven Lager * pool - 27.09.99 at 15:52:26
1. Alban Nikolai Herbst
2. Norbert Niemann
3. Helmut Krausser
4. Georg Oswald
5. Ilya Trojanow
6. Martin Hielscher
7. Thomas Melle
8. Peter Henning
9. Ralf Boent
10. Maxim Biller
11. Judith Herrmann
12. Alexa Henning von Lange
13. Tim Staffel
14. Gion Matthias Cavelty
15. Katja Lange-Mueller
16. Karin Duve
17. "Hippi"
18. Malte Siebenrok
19. Burkhard Spinnen
19. Hans-Joerg Schertenleib
20. Benjamin Lebert
21. Michael Kleeberg
22. Marcel Hartges
23. Doris Doerrie
24. Thomas Findeiss
25. Peter Haertling
Christian Kracht Ko Samui, Thailand - 27.09.99 at 16:42:01
Wie steht es eigentlich um die Diskussionen ueber das Holocaust-Denkmal in
Berlin? Hier in Ruanda haben sie das mangels Budget recht schlicht und
effektiv geregelt. In Ntarama haben sie in der Kirche, in der sie 5000
Leute getoetet haben, alles so belassen, wie sie es gefunden haben.
Knoecheltief liegen dort Schaedel, Knochen, Koffer und Schulhefte zwischen
den Kirchbaenken. Und in der technischen Hochschule von Gikongoro haben sie
5000 der 27000 Leichen wieder ausgegraben, mit Insektenschutz und Kalk
mumifiziert und in den ehemaligen Klassenzimmern aufgereiht. Weil die
meisten begraben wurden, nachdem die Leichenstarre schon eingesetzt hatte,
liegen die Körper in genau der Stellung, in der sie getötet wurden - Arme
um Gesicht und Kopf geschlungen, um die Schlaege der Macheten abzuwehren,
die Kiefer im Schrei festgefroren. Und es stimmt, dass sich der Geruch von
Verwesung fuer Stunden und Tage in Haaren und Kleidern festsetzt.
Andrian Kreye
Kigali, Ruanda
via mail - 28.09.99 at 00:43:34
Äquinoctium
Am Tag, an dem, ja, Tag und Nacht sich wie ein Ei dem anderen gleichen, an diesem Tag
sitze ich abends im Interregio-Bistro nach Frankfurt und sehe einen doppelten Regenbogen,
den ersten kräftig, stark, und bunter als die Farben, die der Herbst jetzt auf die
Blätter malt, der zweite dünn, ein Schleier, wie ein schwacher Schauer über fernen
Feldern.
Die Regenfront bleibt auf den Hügeln über der Weinstraße liegen, draussen gegen Westen
hin ist schon die späte Sonne durchgebrochen, und eine niedrige Wolkenbank, tropisch
leicht in den Himmel geformt, zieht langsam über dem Pfälzer Wald nach Norden.
Alle Aufmerksamkeit der Mitreisenden gilt plötzlich diesem Schauspiel, selbst der Kellner
nimmt die Gläser zum Polieren mit ans Fenster. Alle schauen, keiner redet.
"Der Wein braucht noch drei Tage, drei Tage Sonne, keinen Regen, dann ist die Ernte
eingefahren, dann mache ich mir keinen Kopf mehr". Der das vor sich hinmurmelt, ist
ein Geologie-Student, der aussieht wie Morrissey. Er ist, wie ich zwischen Bensheim und
Darmstadt erfahre, Vater einer 15 Monate alten Tochter und Verbindungsstudent aus Marburg,
der ein eigenes kleines Weingut besitzt und seinen Onkel, den deutschen Botschafter in
Karachi, besuchen will, wenn es seine Frau erlaubt.
In seinem Karohemd sitzt er da, raucht Lucky Strike und seine Tolle fällt ihm manchmal in
die über das Geologie-Lehrbuch gebeugte Stirn. Eigentlich will er aber Fotograf werden,
weswegen ihn die Stimmung, die wir vom Zug aussehen, mit Wehmut erfasst. Er hätte so gern
fotografiert. Er kratzt sich traurig an den spitz ausrasierten Koteletten, nimmt einen
Schluck aus der inzwischen kalt gewordenen Tasse Kaffee, die er mit der ganzen Hand
umschlossen hält. Ich merke erst an der Mainbrücke, daß wir schon in Frankfurt
einfahren. Ein Abschied: "Viel Glück und Mut", was kann man sich schon sonst
Besseres wünschen.
Eckhart Nickel Heidelberg, Pflaumenkuchen - 28.09.99 at 19:02:45
Das Hotel Umubano ist derzeit das Lieblingshotel der kongolesischen
Rebellen, die auf dem Parkplatz mit den Hilfsorganisationen im Wettstreit
liegen, wer den huebschesten Land Cruiser hat. In der Lobby das uebliche
Volk, die trunkenen Langzeittropenbesucher mit den huebschen Maedchen, die
Gschaftler mit den scharfen Buegelfalten und Goldrandsonnenbrillen, die
redlichen Geschaeftsleute aus der Provinz in schlecht sitzenden,
verblassten Nadelstreifen, die Militaers ausser Dienst in Hawaiihemden und
Nike-Jacken.
Zum Fruehstueck (Croissant und Café Creme) Zeitungen. Schlagzeile auf Seite
1 der New Vision, Staatszeitung des benachbarten Uganda: Arrest Homos Says
Museveni. Der Praesident hat nach zwei schwulen Hochzeitsfeiern in Kampala
seine Polizei angewiesen, alle Homosexuelle im Lande zu verhaften und vor
Gericht zu bringen. Homosexualitaet ist in Uganda illegal, das uebliche
Strafmass lebenslaenglich. Die UN-Konventionen seien uebrigens ohne
Afrikaner geschrieben worden, sagte der Praesident, und waeren deswegen
in Afrika nicht gueltig.
Andrian Kreye via mail Kigali, Ruanda - 28.09.99 at 21:50:21
MITTWOCH
Heute sechs kleine Billy-Regale, 80 mal 106 Zentimeter, weiß-lackiert, die Treppen rauf -
auf dem Kopf! - in den zweiten Stock getragen. Es war ein derartig trister, mordsmäßiger
Stress. Oben schweißgebadet. Auch ein bisschen traurig darüber, dass man sich als
Mensch! noch so anstrengen muss. Beim vierten Gang, auf Stufe sechzig etwa, schlug ich es
mich dann hin: Packet auf die Stufen, Kopf aufs Geländer. Wumms. Aua. Saß man dann
schön blöd da, plötzlich. Ich trug es, und es schlug mich darnieder mit einem
grassgrünen Zebramuster-Portemonnai von Louis Vuitton, das 270 Mark auf der
Maximilianstraße gekostet hatte. Fand ich dann wieder einen schönen Gegensatz, fand ich
gut: voll auf den Kopp, aber mit Louis Vuiton und goldener Mastercard in der
Gesäßtasche. Derweil machte Casati die Iglo-Gemüsepfanne ³Patna + Wildreis" warm.
Überhaupt. Ein super Tag.
Moritz von Uslar, München - 28.09.99 at 22:28:56
Grüß Dich Helmut
S. *pool - 29.09.99 at 00:36:05
SAMSTAG
Den ganzen Tag, wirklich den ganzen Tag, nach Gründen gesucht, warum Hamburg SO doof ist
- und überall spielend leicht gefungen. Es fängt damit an, dass man in Hamburg nirgendwo
ein Kaffeechen trinken kann. Es gibt nur das ³Gnosa" (wo Olaf Dante Marx um 1980
hinging) und das Käsekuchen-Lokal ³Alsterpavillon", das heißt, wie es ist. Hamburg
findet: Wer kein Zuhause hat, ist asozial. So ist die ganze Stadt konzipiert:
Protestanten. Man HAT nicht plötzlich Lust zu haben auf einen Kaffee, man HAT sich
zusammenzureißen. Aha. Entsprechend dazu, logisch, aber das ist vielleicht ein bisschen
billiger Hinweis, gibt es nur in Hamburg die Reeperbahn (nie mehr Zahnlose, Räudige,
Zusammengeschmetterte auf den Strassen rumliegen sehen als in diesem Sommer).
Protestanten: die Pest.
SONNTAG
Und dann sehnte ich mich wieder mal: nach Ruhe. Sonntag: Ruhetag. Großmutter am Telefon.
Über die Woche hat sich eine geradezu rasende Sehnsucht angestaut, ausgiebig langweilige
Dinge zu studieren. Vielleicht ist das mein Lebensfehler, schon jetzt absehbar: zuwenig
Langweile; dass man sich viel zu selten die Zeit nahm; dass man NICHT studiert hat.
Ungelesen bisher: das atemberaubend langweilig aussehende Suhrkamp-Buch ³Deutsche
Literatur seit 1945" von Volker Bohn, First-Class-Schulbuch-Unterhaltung, sicher
toll. Der Sinn des Lebens, das weiß doch jeder, besteht natürlich darin, zum Beispiel
ALLES über Hubert Fichte zu erfahren. So wird man dann ein 1-A-Fichte-Sonderling. Freund
Christian kürzlich, lässig mit einem ³Schumannâs"-Glas in der Hand, es kam von
Herzen: ³Ach, man weiß genug." Stimmt. Nicht um MEHR Wissen geht es, sondern um den
PROZESS, beim dem Wissen sich öffnet, sein Anspruch anmeldet, entdeckt zu werden, sich
freisetzt im Hirn. Schönerweise bedeuten Hirnarbeiten, Forschritte da, ja immer auch die
Aufregung der GEFÜHLE; oder öfter mal. Konzentration: bestes Vergnügen. Es gibt keine
Alternative zur Erkenntnis, zum Prozess des Begreifens im Kopf, im Herzen.
Moritz von Uslar, pardon, schon wieder: München - 29.09.99 at 02:28:27
Gestern Abend fragt mich Matthias: "Und, wie ist das jetzt mit deinem Brief
ausgegangen?"
Ich habe meine Mutter angerufen. Meine Mutter sagt: Dein Vater hat sich sehr über den
Brief gefreut. Alles ist gut. Sie fliegen nach Kapstadt.
Nachts kann ich wieder nicht schlafen. Der Vollmond hört gar nicht mehr auf. Die letzten
Nächte hing er prall über meinem Bett und leuchtete mir ins Gesicht. Hört das gar nicht
mehr auf? dachte ich mir.
Anton ist aufgewacht und ich habe mich zu ihm ins Bett gelegt. Jede Nacht sitzt ein
Männchen am Bettrand und schaut ihn an. Ich bin trotz Müdigkeit hellwach. Als hätten
sie mir in diese Scheißdrinks was reingemischt, weil ich mich beschwert hatte, daß die
Limonen nicht zerstossen waren. Das Ding kostet 18 Mark und dann kippen sie da Rum und
Zucker rein und schmeißen drei halbe Limonen drauf. Matthias hat bezahlt, aber trotzdem:
GEHT NIE IN DIE LÜTZOWBAR.
Luzie schläft ganz still. Dann sagt sie "Haus". Nur "Haus", sonst
nichts, und schläft still weiter. Dabei kann sie mit 2 1/2 Jahren bereits so komplexe
Sätze sprechen wie: "Papa, hast du eigentlich irgendwo meine Haarspange
gesehen?"
Elke Naters Berlin - 29.09.99 at 12:23:19
Jean-Pierre war frueher Lastwagenfahrer im Kongo. Nach den Massakern, bei
denen sie seine Eltern und alle seine Geschwister ermordet haben, ist er nach Kigali
zurueckgekehrt. "Weil alle zurueckgekehrt sind", wie er sagt. Ausserdem trieben
die Milizen der Hutus unter Kabilas Schutz im Kongo ihr Unwesen. Jetzt ist er Praesident
der Taxigewerkschaft und Moslem.
Moslemische Dolmetscher und Fahrer sind sowieso die besten. Immer korrekt, und weil sie
wissen, dass sie im Jenseits alle Freuden des Paradieses erwarten, fahren sie auch viel
zuegiger. Nur manchmal muss man Jean-Pierre auf den Bergstrassen ein wenig bremsen.
Gestern hat er uns in sein Viertel mitgenomen. Ins Restaurant Bamboo, einem lindgruen
gestrichenen Raum, in dem Goldrahmen mit Fotografien von Gemuesen und Blumen an den
Waenden haengen und wo es gezuckerten Milchtee und Pfannkuchen gibt. Zum Sonnenuntergang
waren wir mit ihm in der Moschee, gleich neben dem neuen Kulturzentrum, das Gaddhafi
gebaut hat.
Bei den Moslems kann man die Stimmung im Land an den Rufen der Muhezzins und Predigten der
Imams ablesen. In den Moscheen der Hamas, ganz klar, klingt der Ruf zum Gebet scharf und
zornig. In den Moscheen der Sahel wie eine bedaechtige, weise Verkuendung. Hier wie eine
melancholische Aufforderung zur Besinnung.
Eigentlich mag Jean-Pierre Ruanda nicht. Im Kongo, da sei Stimmung, da gaebe es Kultur,
Staedte, Musik. Aber hier? "Ici, c'est la brousse."
Andrian KreyeKigali, Ruanda via mail, - 29.09.99 at 23:25:44
GAU in Oslo
Wir gratulieren Robbe
Lorenz S. Lübeck, BRD - 30.09.99 at 19:46:33
Es ist der viele kleine Ärger, der mich zermürbt die Tage, auch wenn ich mich nicht mehr
ärgern lassen will. Einzeln ist es lächerlich, in der Häufung zermürbt es. Wie der
stete Wassertropfen, der auf den Kopf fällt. Ich bin müde, ich übertreibe natürlich.
Trotzdem.
1. Eine Frau von der DVA ruft an und sagt: Würde es ihnen etwas ausmachen in Berlin NICHT
zu lesen. Sie lesen doch schon in München und Göttingen und die anderen wollen auch mal
drankommen.
Es geht um die Lesung für Mesopotamia. Drei Mal hat man mich angesprochen und angerufen,
ob ich bei Wiensowski in Berlin lese. Ich habe mich nicht darum gerissen. Was soll das?.
2. Vor Monaten hat man uns eine Umsetzwohnung angeboten. Immer wieder versichert: Wir
stehen an erster Stelle. Heute erfahren wir zufällig: Die Wohnung ist weg. Wir können
die darunter haben. 20 qm2 kleiner, ohne Balkon und vierhundert Mark teurer. Schiebt sie
euch in den Arsch.
3. Ua sagt: Warum schreiben die beim Spiegel Spezial die Adresse von pool nicht dick und
rot, wie sie es bei den anderen getan haben?
Ich sage: Da steckt System dahinter. Nicht umsonst haben die mich komplett aus dem Heft
rausgeworfen, nachdem man mir bis nach Schweden hinterhertelefoniert hat, damit ich ein
Statement zur Netzliteratur abgebe. Was ich brav gemacht habe. Das schmeißen sie raus,
dann zitieren sie Krawatten, T-Shirt, Nagellack, und anstatt daß einer anruft und UNS
fragt, was wir da machen, schreiben sie lieber Falsches, das A. N. Herbst zu pool sagt.
Was hat der Mann mit UNS zu tun? Ich wollte mich nicht mehr ärgern, aber im Gespräch mit
Ua steigt der Ärger wieder hoch.
Ua sagt: was steckt da für eine komische Angst dahinter, daß man den pool immer klein
machen will, immer auf das Platteste zitiert? Auch bei dem Niemann. Wer nimmt denen denn
was weg? Warum schreibt nicht einmal einer was Sache ist. Daß hier ein PROZESS
transparent gemacht wird, in dem jeder einzelne eine Form für dieses Medium sucht. Und
beschreibt am Einzelnen, wie das aussieht, wie sich das beeinflusst. Warum schaut keiner
mal hin und beschreibt pool, als das, was ist. Und mißt es nicht an dem eigenen
verblendeten Literaturanspruch. Hast du doch so gemeint, oder? Genau.
4. Vielen Dank, Helmut Krausser, daß mal einer darauf hinweist: Hier schreiben alle
UMSONST.
5. Da war auch noch was Schönes. Hab ich vergessen.
Elke Naters müde und erschöpft - 30.09.99 at 22:08:48
1910 bekam Paul Heyse als erster deutscher Dichter den Nobelpreis
verliehen. Unter anderem hat er den Roman "Kinder der Welt" geschrieben. Noch
heute erinnert die Paul-Heyse-Unterführung am Münchener Hauptbahnhof an ihn.
Für Herrn Doktor Nickel: c2-c3
Georg M. Oswald Paul-Heyse-Unterführung, - 30.09.99 at 22:39:23