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pool #13 01.09.-07.09.1999

pool #12 / pool #14

 

Komme gerade vom Saufen mit meinem Ex-Lektor heim, es war spassig. Ich habe ihm von Brittas Rock'n'Roll-Text erzählt. "Der Rock'n'Roll rast wie ein rotgoldener Blitz aus ihren Augen." WOW! An einem Frauentag habe ich einmal ein Konzert der "Cycle Sluts from Hell" besucht - "I wish you were a beer" (statt "I wish you were here"). Danke Britta, so wie Du es beschreibst, fällt mir alles wieder ein!

Georg M. Oswald München, Deutschland - 01.09.99 at 00:01:28

Antje Dorn, Berlin - 01.09.99 at 00:28:17

Ja, verdammt, es fällt mir wirklich wieder alles ein. 1979 mit meiner aufgebohrten Kreidler 50ccm, enger genähten Bundeswehrhosen, AC/DC-T-Shirt, Erdmann-Motoradjacke, "halblangen" Haaren mit Mittelscheitel unterwegs zum Jugendzentrum Hochstadt, mit dem unbedingten Vorsatz Gabi - die hieß wirklich so - an diesem Abend rumzukriegen. Hat nicht geklappt. Dafür, zusammen mit Günther, jedes Kickermatch gewonnen. Oh, Mann!

Georg M. Oswald München, Deutschland - 01.09.99 at 01:41:32

1
Meine Wohnung liegt im fünften Stock über einer S-Bahn-Haltestelle. Durch die Gitterstangen des Klofensters hindurch kann man den Bahnhof sehen. Heute: eine junge Frau im schmalen, offenbar seidenen minzgrünen Kleid mit tiefem Schlitz. Vielleicht ist es auch ein Wickelrock. Sie setzt sich auf die Bank, kreuzt ihre langen schlanken Beine, holt einen Zettel aus ihrer Handtasche und liest. Tief beugt sie sich über das Papier auf ihren Knien. Zuerst denke ich, es müßte ein Brief sein, so liebevoll ist die Rundung ihres Rückens. Aber dann sehe ich die bunte, großen Flächen. Ich glaube, es ist wohl eher eine Karte der U-Bahnlinien meiner Stadt.

2
Als ich spät nachts zurückkehrte, sah ich einen Graffiti-Sprayer. Zuerst verstand ich nicht, warum ich aus der Richtung des Bahnhofs ein Zischen hörte. Ich konnte es mir nicht erklären und wußte auch nicht, ob ich zuerst darüber nachdenken sollte oder über die Tatsache, daß ich ein derart leises Geräusch in der lauten Stadt wahrnahm. Dann sah ich die Hand mit der Sprühdose, die sich an der Außenwand der stehenden S-Bahn entlang bewegte. Im Licht aus dem Wagen. Und schließlich den Sprayer selbst. Das war nicht so einfach, weil er dunkel gekleidet war und auf dem Kopf eine schwarze Mütze trug. Als das Signal zu hören war, mit dem das Schließen der Türen angekündigt wird, hörte er auf zu sprühen und verschwand wieder in den Schatten an der Hauswand.

3
Mitunter auch: Polizisten (in der Regel zwei), Geschäftsleute mit Aktentasche, Frauen mit großen Papiertüten von Designerläden, Ausflügler mit Fahrrädern. Die letzten beiden Gruppen steigen immer in die S-Bahn in Richtung Wannsee. Die ersten wohnen dort, die zweiten werden abends müde und heiß von dort zurückehren. Mit Sonnenbrand.
Jungs mit Schirmmütze, ältere Herren mit lässig über die Schulter gehängter Jacke aus weichem Ziegenleder. Mütter mit Kinderwagen. Manchmal ist darunter meine Schwester mit meiner Nichte.
Der Mann, der mich früher gelegentlich zum Tee besuchte, ist auch einmal über den Bahnsteig gegangen. Das hatte er angekündigt, als er sich beim letzten Mal verabschiedete. Aber ich habe ihn nicht dabei beobachtet. Es schien mir zu albern, am Fenster zu warten, um ihm zuzuwinken. Außerdem hätte er gewußt, daß es das Klofenster war. Wie romantisch. Ein Abschiedswinken neben der Schüssel.

4
Vielleicht für Sie, Herr Oswald: An meinem S-Bahnhof kommen auch die Züge vorbei, die der Love Parade die Teilnehmer anliefern. Aber ich fürchte, das meinen Sie gar nicht, wenn Sie von Musik sprechen.

Carmen Samson Berlin, - 01.09.99 at 09:52:13

Trotz aller Aufgeklaertheit verehren wir als ewige Jungs natuerlich jede Form von Maennergesellschaft, und als Hobbymachos faellt es uns auch nicht weiter schwer, uns auf selbige einzustellen. Wir haben soeben im Verwaltungsbezirk Middle Bush Area auf der Insel Tanna Freundschaften fuers Leben geschlossen. Selbstverstaendlich beim gemeinsamen Genuss von Rauschmitteln, der international anerkannten Form der Spontandiplomatie.

Die Buschmaenner sind hier ab 16:00 unter Ausschluss aller Frauen damit beschaeftigt sich auf dem Dorfplatz zu berauschen. Mit Kava, einer Wurzel, die der Buschmann nach den hiesigen Regeln der Hoeflichkeit fuer Nachbarn, Freunde und Gaeste zu Brei zerkaut, in Batzen auf ein Blatt spuckt, mit Wasser vermischt und in einer Kokosschale serviert. Eine sofortige Betaeubung des Mund- und Rachenbereichs sowie eine angenehm schlaefrige Euphorie sind die Folge, die bei Genuss von mehr als drei Schalen zu wohliger Bewegungsunfaehigkeit und entspanntem Brechen fuehren kann. Fotografische Dokumentation war uns leider nicht gestattet, da Frauen ja nicht einmal zusehen duerfen beim Kavatrinken und die Buschmaenner sehr wohl wissen, dass bei uns im Westen Frauen ja sogar lesen und schreiben koennen und somit die Gefahr besteht, dass sie selbige Bilder in den Magazinen sehen koennten.

Nur die Mythologie erinnerte uns ein wenig zu sehr an die Kulturkritik unverbesserlicher 68er-Nervensaegen. Demnach wurde die Welt von einer grossen Kraft im Meer geschaffen, die konzentrische Kreise zog und so die Insel Tanna erschuf. Danach zog diese Kraft weiter gen Norden, wo sie die Salomonen, Papua, Australien, Asien und Europa schuf. Mit jeder neuen Insel liess jedoch die spirituelle Kraft des Goetterwirbels nach und so brachte er den Materialismus auf diese Inseln. Als letztes schuf er die Insel Amerika von Osten nach Westen. Und da meinte der Haeuptling doch wirklich, als letztes sei ein Dorf ganz im Westen von Amerika geschaffen worden, bei dem der Goetterwirbel schliesslich all seine spirituelle Kraft verloren hatte und dieses Dorf deswegen auf blosser Materie beruhe. Und dieses Dorf sei Hollywood. Na, wo er das wohl wieder herhat. Sicherlich von einem der Hippie-Anthropologen, die die Inseln hier in den 70ern unsicher gemacht haben.

Andrian Kreye Luganville, Vanuatu via mail, - 01.09.99 at 12:15:12

Auf dem Rückflug aus Bangkok, wo das Cyberia-Café geschlossen hatte, sitzt in der MD 11 der Thai-Airways neben mir ein Mann. Er ist etwa Mitte fünfzig, trägt ein Freizeithemd und einen strengen Scheitel, schwitzt dick vor sich hin und ordnet die Schalen seines gegessenen Menüs zehn Mal hin- und her, bevor er sie angewidert der Stewardess hinschiebt. Er bestellt nicht "a beer", sondern sagt nur laut "Carlsberg!", wenn sie ihn freundlich fragt, was er trinken möchte. All das, um kein Singha-Beer zu bekommen. Es gibt Menschen, mit denen möchte man nicht einmal stumm die Sitzreihe in einem Flugzeug teilen. Aber die Außentemperatur beträgt -52 Grad und 10700 Fuß unter uns liegt funkelnd in der Nachmittagssonne das Schwarze Meer. Und Brett Anderson von Suede singt: "Everything will flow". Die Distanz zum Zielflughafen, stetig sinkend, gibt ihm recht.

Eckhart Nickel Heidelberg, BRD - 01.09.99 at 15:26:31

Die Technik. Aus unerklärlichen Gründen hat sich mein Laptop verabschiedet und diverse Notcomputer, die ich anlief, ließen mich nicht in den anscheinend wild rotierenden Pool. Jetzt geh' ich gleich in den Superstore und kauf' mir ein Notebook mit drei Jahre Garantie.
Die Textmasse im Pool überfordert mich. Daher: Rekapitulation.

Besuch im S.Fischer-Verlag in Frankfurt. Immer eine Freude. Leider fanden mein Lektor und ich auch diesmal keinen Japaner, der ans Shoya oder an die Zen-Klause im Gärtnerplatzviertel herankäme. Der erste wartete mit Action-Cooking und amerikanischen Reisetruppen auf, das zweite Restaurant war in
der Zeil-Galerie, wo's sich im Schneider-Ambiente bekanntlich traut speisen läßt... Das nächste Mal gehen wir zum Franzosen.
Dafür gab's einen lustigen Phototermin. Viele, viele Photos: Maike mit Elefantino rossos sogar - im Senckenberg-Museum. Ein gleichnamiges Auto nenn' ich nämlich bald mein eigen.

Maike Wetzel in München über Frankfurt, - 01.09.99 at 17:45:34

Ein Ballon von den Grünen, aus dem schon ziemlich die Luft raus ist. Er liegt immer im Weg rum mit dem zerknitterten Gesicht drauf. Oder was ist das, ein Logo? Ich stopfe ihn in den Mülleimer. Pfennige sammeln sich in meinen Taschen, an ihnen klebt das Gefühl schmutziger Mühe. Es ist es mir eine Freude Geld wegzuschmeißen. Sofort kommt mir die dicke Haushälterin in den Sinn, die wirklich jeden Pfennig umdrehte, im Licht des Küchenfensters. Während meine Mutter arbeiten ging, war ich bei ihr zuhause, nach der Schule. Wachstuchtischdecken. Kartoffeln ohne Salz. Der Geruch von kalter gewaschener Erde an ihrern Händen. Der Geruch von vergeblichem Fleiß.
Die Pfennigstücke prasseln auf den Boden. Für einen Moment überlege ich, ob ich ohne es zu merken schon in einem Zustand bin, in einem so desolaten, daß ich aus einem Meter Entfernung den Mülleimer nicht mehr treffe. Eine Schlaufe mit sehr schnellen Gedanken folgt, ob es eher lustig ist oder ob ich mich schon mal fürchten soll vor mir.
Die Espressokanne ist noch warm. Ich schnippe den klumpigen Satz in den - , aber schon beim Umdrehen höre ich die Brocken neben dem Mülleimer wieder aufschlagen. Ich stand direkt davor! Vielleicht ist es doch eine Art von Wahnsinn, denke ich. Die wahre Verzweiflung beginnt mit den kleinen Dingen. Ein lächerlicher Gedanke, denke ich an die Geschichte von Ernst, die Mutter, die Leute, die in der Nacht auf mit dem Finger auf ihren Balkon zeigen.
Also kehre ich die Gedanken, die Pfennige und den Kaffee wieder zusammen und werfe sie zurück in die Tonne. Beinahe hätte ich geschrien. Das Zeug sprang von alleine wieder raus. Jack Nicholson blitzt kurz auf vor mir; schon ziemlich am Ende von 'Shining'. Mit Grausen ein letzter Blick in die Mülltonne: Da ist der Ballon mit seinem Gesicht, das mich angrinst, und an dem alles abgeprallt ist.
Eins weiß ich: Ich werde nie, nie die Grünen wählen. Wenn jetzt einer sagt, so ein Irrer, der nur rumzickt in seinem Elfenbeinturm, dann hat er nicht recht. Es sind die unscheinbaren Dinge, die uns für immer etwas entscheiden lassen, für das viel größer Dinge wie der Krieg offensichtlich nicht ausgereicht haben.
Die Zehnpfennigstücke gebe ich meinem Sohn. Wieviel schöner ist die Welt mit dem Geschmack eines Zehnpfennig Kaugummis.

sven l. - 01.09.99 at 23:55:36

*Gestern war ich in 'Star Wars'. Danach war ich: leer. Heute war ich in 'Eiskalte Engel', kam aus dem Kino raus und dachte, verdammt, was schreibst du für langweiliges Zeug, da müssen Intrigen her, Action, Sex, der böse Humor, und ich weiß schon, morgen früh denke ich dann, ach was, das Leben ist anders, mehr Feinheiten, die aufgeschrieben werden wollen. Zwei verschieden Menschen bin ich: so mitgerissen von einem drive und: so ausgeschlafen.

s. lager berlin, - 01.09.99 at 23:57:00

1
Im Fernsehen sehe ich einen erfolgreichen Unternehmer Fußball spielen. Er ist der reichste Mann Rußlands, sagt der Sprecher. Der Journalist fragt den erfolgreichen Unternehmer, der jetzt in einer Bibliothek sitzt und Schlips trägt, wie es sich denn in Rußland so lebe. Mit einem solch unermeßlichen Reichtum. Im Unterton ist deutlich zu hören: in einem Land, in dem die Großmütter an den Einkaufsstraßen stehen und irgendetwas feilbieten, um zu ein bißchen Bargeld zu kommen.

2
Das Lächeln des reichsten Mannes von Rußland ist andächtig. Ganz sacht nur zieht es die Mundwinkel in seinem Gesicht ein bißchen in die Höhe. Weich. Sanft. Das erste Lächeln eines Kindes, kurz nachdem es die Kerzen am Weihnachtsbaum gesehen hat. Das unverdorbene, bevor die Erwartungen hinzugekommen sind. Aus einer anderen Zeit. So ein Lächeln. Oder das nach Sex, der auch für einen selber gut war. Entspannt, zufrieden, nicht allzu nachdenklich.

3
Der reichste Mann Rußlands antwortet auf die Frage des Journalisten, wie es sich in Rußland denn so lebe mit all dem Geld:
"Darüber kann ich nicht sprechen."

Carmen Samson Berlin, - 02.09.99 at 00:13:34

Elke sprach am Telephon vom Poolueberdruss. Das kann ich gar nicht verstehen. So viel Text, das ist Wahnsinn, hat es lange nicht gegeben.Manchmal verwechsle ich die Eintraege. Ich habe Elke zu ihrem Roman, der zu 90 Prozent fertig ist gratulieren wollen. Dabei war es der Roman des Atheisten Schroeter( Ist das der mit dem Esel Bella?). Aber, oder besser UND: mir geht es aehnlich wie vielleicht Rebecca: wo ist mein Bezug? Was verbindet mich mit den anderen? Ich verfolge keine Literaturpreisverleihungen und Tageszeitungen mag ich nur selten lesen.
Hier lese ich manchmal morgens die Bangkok Post und das ist unfassbar deprimierend. Die Kack-nationalistische BJP wird die Wahlen in Indien gewinnen, in East Timor schiessen paramilitaerische Milizen die Wahlgewinner ueber den Haufen, Hun Sen der ehemalige Rote Khmer fliegt nach New York um dort Kofi Annan zu sagen, dass die UNO sich aus den kambodschanischen Wahlen raushalten sollen und ein wahnsinniger Englaender laesst sich zum zweitenmal in Burma in ein schlimmes Quaelgefaengnis sperren, damit die Welt diese kleine unterdrueckte Nation nicht vergisst. Ein Buddhist hier sagen mir: Was du nicht mit dem Verstand regeln kannst, damit musst du dich abfinden. Es wir viel gelogen, viel gelaechelt und spaeter, viel spaeter wird dann viel geheult.

Eva Munz Bangkok, Thailand - 02.09.99 at 10:47:47

Man stelle sich vor, meine Eltern wären zuhause gewesen und hätten auf dem Sofa gesessen, als die Wespen sich durch die Wand nagten und zu tausenden in ihr Wohnzimmer einfielen.

Liebe Casati, sehr schön gesagt: die Anwesenheit von Alternativen macht mir ein sinnvolles Tun unmöglich, wenn ich einmal Zeit habe. Bei all den Möglichkeiten, was ich alles tun könnte, tu ich gar nichts mehr und lege mich ins Bett. Da ich in der Regel allerdings wenig Zeit habe, erübrigt sich die Auswahl und ich mache in den zwei Stunden das, was wirklich ansteht und nur so tu ich überhaupt was, weil ich keine Zeit für Alternativen habe.

Heute traf ich Britta. Ganz kurz, zwischen ihren Dates Landwehr und Melle, habe ich sie zur U-Bahn begleitet. Sie sagt, wo bleiben die Bezüge untereinander? Jeder schreibt da seinen Text rein und damit Schluß.
Ich sage, mir geht es immer so: ich denke mir: naja - oder: GENAU so - oder: finde ich auch - oder: schöne Geschichte - aber mehr kann ich dazu nicht schreiben und das will ich auch nicht .
Vielmehr beeinflußen mich Textformen der anderen in dem was ich schreibe, und DAS ist für mich interessant.

Britta sieht nicht so aus, wie man sie sich vorstellt und ich glaube Melle sieht auch nicht so aus, wie Britta ihn sich vorstellt.
Ich weiß nicht, ob ich so aussehe, wie Britta sich mich vorgestellt hat und ich hätte gerne gehört, wie Britta Melle erzählt, wie ich aussehe.

Ich mag die Texte von Carmen Samson, weil hinter jeder Beobachtung ein Gedanke steht, der sich allein durch die Beschreibung des Geschehens mitteilt.

Elke Naters Berlin - 02.09.99 at 15:26:21

Strasbourg, den 2. September

Ein letztes Mal der Bahnhofsvorplatz: Ein überblau strahlender Vormitttag, reingewaschen, still, mit angehaltenem Atem. Ein petit dejeuner classique in der Brasserie "Le rive gauche" am Fluß, das mir garcon 2 namens Remi bringt. In der Sonne, am Rand der Straße, als wollte sich die Stadt ins Gedächtnis rufen zur bestmöglichen aller Erinnerungen.

Dann beim durchgedrehten Vermieter, in dessen blau und gold gehaltenen Jagdzimmer er mir, mit einer nicht angezündeten Pfeife in der Hand, die Kaution zurückzahlt, in 500 Franc-Scheinen, en espices, wie er betont. Er trägt wie immer eine dunkelgrüne Cordhose und ein schwarzes Lacoste-Polohemd. Sein grauer, kurz rasierter Kopf mit dem exakt geschnittenen grauen Schnurrbart, die gerötete Gesichtshaut, wie er in penibler Schreibschrift mit seinem schwarzen durchsichtigen Bic-Kugelschreiber das Recu ausfüllt, das ich bestätige, lu et approuvé. "Sie haben sisch an ihr Wort gehalten, die Miet bezahlt, und isch habe die Nachmieter gefunde. So gehn mir auseinander, reschtmäßig. Und im Einvernehmen."

Beim Gang durch die Altstadt noch schnell beim Antiquariat hereingeschaut. Sensation: Eine Drieu la Rochelle-Erstausgabe von "Rêveuse Bourgeoisie" von 1937 für 120 Franc. Dazu die Fragmente des Heraklit in der Heimeran-Ausgabe, übersetzt von Dr. Bruno Snell, Hamburg, und "Die griechische Sprache" von Hans Poeschl als Erstausgabe für 35 Franc, ebenfalls Heimeran 1950. Den Arbeitsalltag in Frankreich erspart, im Gegenzug die Möglichkeit: das Erlernen des Altgriechischen. Vielleicht nicht der schlechteste Tausch.

Nun, im EC Mozart, im blau gestylten österreichischen Trainristo ein Ottakringer und Gulaschsuppe, obwohl mir der Oberkellner mit Zopf unbedingt den Käseteller andrehen will. Die Französin in Zivil nebenan gehört auf mysteriöse Weise zum Zugteam, das sie ausgiebig begrüßt. Sie trägt Sonnebrille und trinkt einen Kaffee. Als ich bemerke, das meine Packung thailändische Marlboro Lights leer ist, frage ich sie nach einer Zigarette: "Biensûr, Monsieur!". Als sie in Baden-Baden den Zug verläßt, schenkt sie mir das ganze Päckchen mit noch insgesamt drei Camel Filter. Einfach so.

An solchen Tagen möchte man einfach nur immer weiter unterwegs sein, hier in der vertrackten Spätmoderne des österreichischen Speisewagens, der sich in seinen zwei Farben, dunkelblau und dunkelbraun, nicht dem Auge aufdrängt, aber den Blick auf die vorbeirasende Rheinebene freigibt, hinter beige-silbernen Kugellampen und sandfarbenen Vorhängen, in solch einer kastenförmigen Anordnung der architektonischen Elemente muß man sich einfach wohlfühlen. Vergeßt ICE.

Draußen ist Bruchsal: Gedanken an Thomas Meinecke.
Meine Krawatte heute: Helmut Lang, dunkelblau.
Spätsommer, vielleicht die schönste Jahreszeit.
Suede: SheÎs in fashion.
Mäht alle Felder.
Leuchtende Äpfel.
September.

Eckhart Nickel Eurocity 65 , Mozart - 02.09.99 at 15:58:58

So. Jetzt habe ich drei Minuten, um hier reinzuschreiben, was hier heute reinmuss - was mir heute auf dem Nachhauseweg einfiel. Das gehört hier rein. Dann hat Toffi Geburtstag. Dann trinke ich Bier. Dann ist Schluss für heute mit Schlausein, und ich bin jetzt schon: müde. Also, los!
In den Schaukästen der SZ an den Häuserwänden heute: "Panzer, Partner, Provisionen". Unterzeile: Irgendwas mit Strauß, die neuesten Schweinereien seiner Familie. Ich denke sofort: bäh! Was für ein Muff! Ich lasse mich doch nicht so von der Seite anmuffen - mit PPP! Wenn sich altgediente Journalistenschüler was einfallen lassen; wenn Redakteure dichten; wenn Deutschlands führende Tageszeitung zu bewährtem HANDWERK greift: nur Langeweile. Man stellt sich vor, wie die Bierbauch-Beulenjeans-Mösenbart-Redakteure (und die sehen in der SZ ja wirklich so aus!) sich über die Druckfahne beugen, und einer, der dickste, mit seiner Lesebrille den Einsatz gibt: "PPP? Sehr schön. So raus." Als gesunder Mensch schraffiert man doch lieber einen TV-Spielfilm-Cover-Busen grau, als sich wegen PPP die Seite 3 durchzulesen.
Kurzum, wir lernen: Alliterationen muffen. Weiter muffen:
- Naturbeschreibungen
- Beschreibungen von Fahrten im ICE
- ausgefallene Wein- und Champagnersorten kennen und ausschreiben (dagegen mufft nicht: ein Becks! ein Schneider-UrBock! ein Paulaner-Bier!)
- beleidigt sein
- "daß" statt "dass" schreiben, die wunderbare Rechtschreibreform missachten, überhaupt alle Rechtschreibfehler
Ich bin, im Widerspruch zu allem, was ich bisher rausposaunt habe, für: schlampiges Schreiben. Meine Vision: Es müsste mehr so: BRABBELN, vor sich hinbrabbeln. Brabrabra. Nicht: blablabla. Das gibt es schon überall genug. Dabei müssten, beim Brabbeln, die klassischen Fallen Geschwätzigkeit (Gästebuch) und IRRSINN (dieser komische Melle im Gästebuch) umgangen werden.
Hier also mein Manifest für mehr BRABRA: nö. Ich habe echt Besseres zu tun. Ich gehe jetzt ein Bier trinken. Ha!

Moritz von Uslar, München - 02.09.99 at 20:24:05

JA! JA! JA!
Dagegen sext: Manifeste, Bier und Eiskalte Engel.

Elke Naters Berlin, - 02.09.99 at 22:23:21

Ich gerate ins Grübeln, lieber Dr. Nickel. Vergangene Woche habe ich in einem Angebot meines Antiquars "Verträumte Bourgeoise", Propyläen Ullstein Verlag, Berlin, 1969 entdeckt und sofort bestellt. Propyläen Ullstein hat, wie ich höre, zwischen '66 und '70 einige annehmbare Übersetzungen Drieus gebracht. Wissen Sie etwas darüber? Im übrigen fände ich es angebracht, eine neue Schachpartie zu beginnen. Ich bevorzuge, wie Sie wissen, die Offenen Spiele und ziehe deshalb e2-e4. Falls Sie, wie bisher, mit e7-e5 erwidern, wähle ich das Königsspringerspiel und setzte mit Sg1-f3 fort.

Georg M. Oswald München, Deutschland - 03.09.99 at 00:00:19

Hach. Elke! Danke.
Auch für Beschreibungen wie die von Britta + Herrn Melle. Wäre gerne dabei gewesen.
Einen halben Meter Bücher von Pool-Autoren habe ich heute abgeholt. Fange an mit: Herrn Oswald. Soll heißen: mache weiter mit Herrn Oswald. Dich hab ich ja schon gelesen. Andere auch, aber ich sag nicht, wen.
Schön am Pool ist: das Forum überhaupt. Der Disput zwischen Maike und Katrin. Die Auseinandersetzung mit Moritz v. Uslars Brabrabra, die für mich jetzt ansteht. (Ich trinke übrigens auch BeckÎs, Herr v. Uslar. Aus der Flasche. Prost.)
Und mit Genozid WatchÎs Reaktion aus dem Gästebuch. An dem Tag, an dem ich eine neue Patentochter bekam. Sie stammt aus Indien und wird gerade von meinen Freunden adoptiert. Wir könnten uns einmal über die Infantizid-Rate weiblicher Säuglinge in jenem Land unterhalten. Im übrigen sind wir, glaube ich, einer Meinung, Mr./Ms. Watch. Gut, daß Sie zuhören.
So. Damit keiner glaubt, ich würde hier in splendider Isolation meine Runden drehen wollen.
Zum ersten, zum zweiten: morgen beim Sommerfest von Aufbau. 22:00 Uhr an der Bar. The beerÎs on me.

Carmen Samson Berlin, - 03.09.99 at 00:33:22

1
In einem Restaurant in Mitte. Es dudelt leichter Jazz. Wie damals im Hotel Europa in St. Petersburg, als die Stadt noch Leningrad hieß und das Hotel nicht von einem schwedisch-britisch-norwegischen Konsortium kaputtrenoviert worden war. Mit weißem Marmor, Zimmerspringbrunnen, pastell gemusterten Sitzbänken und lackierten Sommerstühlen. Sondern zu Zeiten, als es in den Leitungen noch gurgelte, auf den Etagen die alten Frauen saßen, denen man Strümpfe und Lippenstifte schenkte, und das Wasser so streng nach Chlor und Schwefel roch, daß man beim Duschen die Augen fest schloß und aufpaßte, immer schön die Lippen aufeinander zu pressen.

2
Der Jazz. Leicht. Soft. Man kann ganz gut dabei essen und sich unterhalten. Wenn das Gespräch stockt, ist immerhin eine Geräuschkulisse da. In diesem Fall kommt sie aus Lautsprechern und nicht, wie 1983 in Leningrad im Hotel Europa, von einer in weinroten Uniformen gekleideten Combo, die irgendwo am anderen Ende des riesigen Speisesaals steht, während man pappiges Brot mit hauchdünnen Gurkenscheiben ißt.

3
Mir bleibt der Bissen im Hals stecken. "Well, you neednÎt" von Thelonious Monk. In einer Easy Listening Version. Melodisch schieben sich irgendwelche Klarinetten in die Melodie hinein, Streicher kleistern plötzlich die ganze Angelegenheit zu. Die haben da nichts zu suchen! schreit es in mir, während mein Nachbar sich vorbeugt und Gottseidank jemand anderem am Tisch eine Frage stellt. Ich höre fassungslos der Musik zu.
Die ganze lebendige Zickigkeit, der wunderbare vertonte Streit, unter dem ein Lächeln liegt, weil klar ist, worum der Disput eigentlich geht (Sex, finde ich, und daß beide ihn eigentlich wollen, so what the hell we fightinÎ for, baby?), die Aufnahme also von 1947 mit Gene Ramey am Bass und Art Blakey am Schlagzeug und natürlich Thelonious am Piano ö vergewaltigt.

4
Meine Phantasie war immer, daß er dieses Stück nach einer Auseinandersetzung mit der Baroness of Jazz geschrieben hat, Nica Richthofen, verheiratete Rothschild Bindestrich irgendwas. Ich kann mir diese adligen Doppelnamen nicht merken. Stimmte aber gar nicht. Damals haben sich die beiden noch gar nicht gekannt. Erst die letzten paar Jahre vor seinem Tod hat er bei ihr gewohnt. In ihrem Haus mit dem Blick auf den Hudson River. Ich glaube, sie hat ihn geliebt. Wie Charlie Parker vor ihm. Der hat auch die letzten Jahre bei ihr gewohnt.

Carmen Samson Berlin, - 03.09.99 at 00:53:47

WO IST KRACHTO-KRACHTO-KRACHT?

Moritz von Uslar, München - 03.09.99 at 10:59:02

Lieber Herr Dr. Nickel!
Wie kommt es, daß Sie ständig in Zügen mit wohlklingenden Namen wie "EC Mozart" sitzen, während ich mit ICEs Vorlieb nehmen muß, die klingen wie die Doppelnamen verknorrter weiblicher Bundestagsabgeordneter?
"Ich begrüße die Zugestiegenen im ICE Else Lasker-Schüler auf der Weiterfahrt nach Leipzig". Was ist denn das? - Käseplatte!

Liebe Elke!
Spätestens Dein letzter Eintrag war Herzmuskelmassage für POOL, denn ich selbst logge mich etwa zehnmal pro Tag ein, weil ich nur darauf warte, daß "Britta & Melle" (das gäb ein schönes Klingelschild. Und auch eine schöne Verlobungsanzeige...) endlich in den Pool geholt werden und damit eine Teilnehmerseite MIT FOTO kriegen.
Und Du, nur Du, hast sie jetzt gesehen! In spätestens drei Stunden will ich hier zum Verwechseln ähnliche Phantomzeichnungen sehen!

Liebe Britta!
Hat Matthias Landwehr endlich Deine Bescheidenheit abgefangen, und kommst Du jetzt endlich vielleicht mal bitte hier rüber und beendest dieses zaghafte Streichelzoo-Gehabe? WIR können das nämlich nicht, wir füttern nach Feierabend Enten.

Lieber Melle!
Ich bin jetzt bis etwa 17:00 Uhr hier. Ruf mal durch.

Lieber Oswald!
Wie war der Weißwein von Karin Graf? Und sollen wir nicht das Foto in der BUNTEN, in dem wir lieblich unsere Hinterköpfe aneinanderlehnen, dem Bekleidungshersteller Hennes & Mauritz zum Bewerben der Herbst/Winter-Kollektion 99/00 anbieten? Gewissermaßen als Streetcredibility-mäßige Antwort auf Kracht und Stuckrad? Sag mal...

stefan beuse hamburg, deutschland - 03.09.99 at 11:27:39

BRITTA: Verloben ist toll. Weil: man kriegt dann 30 Mixer geschenkt, die alle gleich aussehen. Die Mixer kann man einer Tombola spenden, von deren Erlös Krokodile in Streichelzoos gesetzt werden. Und anderes Getier. Zum Beispiel Du. "Gemeine Ich-bin-Ich", stünde dann vielleicht an Dir dran. "Trägt Schlangenlederschuhe zum Zeichen ihrer Individualität. Erreicht eine Länge von bis zu zwei Metern."
Den Mann kannst Du danach ja wegschmeißen. Und die Mixerumverpackungen zum Hammerbrooker Altpapier geben. In Prosiegels Kotze.

Habe gerade aus Langeweile versucht, mir in der spiegelnden Balkontüre eine Christian-Kracht-Frisur zu machen. Aber in der Spiegelung war kein LUX-Plakat, sondern nur blöde Bäume und Häuser, und der Wind hat gemeint, daß Frisuren an mir scheiße aussehen. Das ist doch immer noch der Beste, der Wind.

Stefan Beuse Hamburg, - 03.09.99 at 13:30:11

Britta sieht von weitem aus wie 38 und von nahe wie 28. Sie hat eine lange Nase und schöne braune Augen mit einem weißen Lidstrich. Als sie mir die Hand gab, wurde sie ganz kurz rot.
Ihre Haare waren dünn und ungewaschen und hinten am Kopf zusammengebunden. Sie trug ein schwarzes Oberteil und eine schwarz-weiß gemusterte Hose. Sie ist groß und schlank und hat einen kleinen Bauch. Sie liebt Fußball, weil sie da in die Seelen der Männer schauen kann. Sie ist charmant, ein bißchen trotzig und sollte sich unbedingt die Achseln rasieren.

Elke Naters Berlin, - 03.09.99 at 13:49:31

Einmal habe ich von Britta geträumt. Sie war dunkelblond und schön, aber ihr Gesicht war eigentlich zu hart um schön zu sein. Hart habe ich sie mir immer vorgestellt. In meinem Traum hatte sie kaputte Zähne.
Ich habe sie zu kurz gesehen, um zu wissen wie sie aussieht. Auf jeden Fall so, daß ich sie gerne wiedersehen würde.

Elke Berlin, - 03.09.99 at 14:02:00

Ich habe nie von Britta geträumt, aber ich dachte immer, daß sie nach Dosenbier aussieht, nach GABBA-GABBA-HEY-Transparenten und der ersten Cure-Platte: die mit dem Kühlschrank und dem Staubsauger drauf, "three imaginary boys". Ich habe gedacht, daß sie früher eine Bande angeführt hat, die auf Bäume geklettert ist und sich Dinge geschworen hat, mit Blut und so.
Niemals hätte ich gedacht, daß sie einen weißen Lidstrich trägt und darauf achtet, wer sich die Beine rasiert.
Ich will sofort eine neue Phantomzeichnung. Scheißegal, ob die gelogen ist.

Stefan Beuse Hamburg, - 03.09.99 at 15:22:55

JuHu, Britta du Süße!
Heute dachte ich: nicht brabbeln, sondern einen Gedanken anhalten - und wieder weiter denken. Texte mit Verfallsdatum. Und nicht: HALTBAR. Sondern: LESBAR.
Morgen denk ich wieder anders.

Elke Naters B - 03.09.99 at 17:28:48

Vergreisung, Fräulein Katrin, also das ist doch! Gut, wir haben über Schach und Erstausgaben gesprochen, aber von Weinen und Zigarren war z.B. überhaupt nicht die Rede, was bei alten Männern, die ihre Lebensart unter Beweis stellen wollen, sonst immer der Fall ist. Außerdem musst Du bedenken, daß Dr.Nickel und ich die Dreißig längst überschritten haben und ich, wenn das so weiter geht, sicher bald zum Oberstaatsanwalt oder gar zum Generalbundesanwalt befördert werde. Dann heirate ich Maike und wir fahren in ihrem roten Kabriolett nach - sagen wir Hamburg, zum lieben Herrn Beuse, um uns mit ihm über WEIN zu unterhalten. Gut war er, dieser trockene, leicht moussierende, äh, Weißwein. Hast Du die BUNTE-Fotos je gesehen, Stefan? Falls ja, berichte! Die BUNTE ist ja nachweislich eine der ganz wenigen ernstzunehmende Literaturzeitschriften in Deutschland. Und wir waren drin und ich hab's nicht gesehen. Ich fand schon das sogenannte Shooting so toll, bei dem wir uns gegenseitig an die Knie fassen durften.

Georg M. Oswald München, Deutschland - 03.09.99 at 17:44:54

Ich bin noch nicht geschlechtsreif, Herr Oswald, das bitte ich zu beachten. Falls Sie jedoch über die Einfühlsamkeit eines Proktologen verfügen, ließe sich vielleicht mit meinen Eltern reden...

Maike Wetzel - 03.09.99 at 18:32:58

1. Aber Frau Wetzel!

2. Nickelvertretung: e5-e4 geht nicht. Wir hatten 1. e2-e4, e7-e5; 2.Sg1-f3,...; also. Nochmal versuchen.

3. Ist der Martin im Gästebuch Martin Brinkmann? Krachkultur? Gib Dich zu erkennen, Fremder.

Georg M. Oswald München, Deutschland - 03.09.99 at 20:46:07

Mr. Beuse: das war nicht H&M, die haben immer bekannte, meist schoene Filmschauspieler. Das war Peek und Cloppenburg. Wie sehen sie eigentlich aus Stefan Beuse? Wie muss man sich einen Beuse vorstellen? Sowas frag ich mich zum Beispiel. Ich schlage vor: Sie schicken ein Bild ins Netz und ich sage ihnen spaeter, ob sie so aussehen, wie ich sie mir vorgestellt habe.

Schreckliche Dinge getraeumt. Ich war in Berlin, es war furchtbar kalt und alle waren schwanger. Nicht alle, aber Anette und Elke. Und dann habe ich zu Elke gesagt (im Traum): das sieht man, dass du schwanger bist. Und dann haben mich alle ganz boese angesehen und gesagt, das koenne man gar nicht sehen, weil das so eine Art ausserkoerperliche Schwangerschaft sei. Wie gesagt, es war schrecklich. Ich traeume eigentlich nie von sowas. Schon gar nicht so realistisch und mit wirklich lebenden Menschen. Und wenn dann verwandeln sich die Menschen dann im Verlauf des Traums in eine andere meist ganz freudsche Gestalt, wie meinen Bruder oder meine Mutter. Aber Elke hat sich kein bischen in meine Mutter verwandelt. Alle waren wahnsinnig schlau und konnten es nicht fassen, dass ich das mit der ausserkoerperlichen Schwangerschaft noch nicht kannte. Vor allem Ludger. Und Elke konnte wahnsinnig viel Bier trinken, weil das Kind ja in so einem High-Tech-Kasten lag, das aussah wie eine Mikrowelle.
Ich war dann ganz froh wieder hier in Asien aufzuwachen.

Eva Munz Bangkok, Thailand - 04.09.99 at 07:01:11

1
An der Bar auf dem Aufbau-Sommerfest war niemand, der mich erkennen wollte. Dafür wurde ich von einem fremden Mann zum Tanzen aufgefordert. Auf dem Parkett waren wir das einzige Paar. Der Mann stellte sich mir nicht vor. Ich sei, so fand er, bestimmt eine Brigitte. Oder eine Petra. Daraufhin nannte ich ihn Claus-Dieter.
Der Sänger der Band erzählte mir später, mein Tanzpartner hätte Schuhe mit hohen Absätzen getragen. Das hätte er genau gesehen.

2
Nicht ich habe irgendjemandem Biere spendiert, sondern mein Agent mir. Überhaupt: mein Agent.

3
Ich werde einem bedeutenden Mann vorgestellt. Derlei Begegnungen machen mich immer etwas verlegen, aber er ist freundlich und erzählt mir Geschichten. Eine ist wunderbar. Ich muß fragen, ob ich sie weitererzählen darf. Meiner Mutter, weil sie Amerikanerin ist. Das hat er erlaubt. Sie wird die Geschichte nicht glauben, wie ich sie nicht geglaubt habe. Si non e vero, e ben trovato.

4
Der bedeutende Mann liest nur Kafka, Kleist, Keller, Hölderlin, sagt er. Ich glaube, so ging die Reihe. Die Günderrode ist vielleicht auch noch dabei. Mich macht diese Liste sprachlos. Ich weiß immer noch nicht, warum.

5
Durch die Frage, was ich denn so täte im Leben, kommen wir auf meinen Agenten. Der bedeutende Mann fragt nach. "Ihr wer?" Es scheint ihn zu ärgern, daß ich einen Agenten habe. Denn er steht sehr bald auf und geht. Mit einer freundlichen Verabschiedung. Natürlich. Als ich ihm erklären will, warum ich meinen Agenten so schätze, ist der bedeutende Mann schon weg. Aber ich hätte es ohnehin nicht gut erklären können.

6
Traum
Der bedeutende Mann und ich verlassen gemeinsam das Fest und gehen durch die Stadt. Er bringt mich zum Lachen. Das macht er, indem er auf unterschiedlich große Zettel mit roter Tinte etwas schreibt. Ich weiß nicht, was. Aber in meinem Traum liebe ich ihn dafür.

Carmen Samson Berlin, - 04.09.99 at 10:52:44

"Die Pferde soll man nicht warten lassen", sage ich. Es war ein Taxi bestellt worden. Als ich vorne am Haus ankomme, wartet schon ein Paar. Anscheinend auch auf ein Taxi. Die Frau sitzt auf einer steinernen Bank. Ihre Schuhe bestehen aus zwei schmalen Riemen und sehr, sehr hohen, dünnen Absätzen. Das wird der Grund sein, daß sie da sitzt.
Eine andere Frau geht vorbei. Die Sitzende ruft "Hallo" und wünscht alles Gute. Ihr Mann steht daneben und sagt nichts. "Hast du sie nicht wiedererkannt?" fragt die Frau. Daß ihr Mann die andere Frau schweigend und unfreundlich angeschaut hätte, wirft sie ihm vor. Es scheint ihr egal zu sein, daß ich sie höre. Ihrem Mann nicht. Er dreht mir den Rücken zu und murmelt irgendetwas. "Na und, dann bist du eben der Mann an meiner Seite!" sagt die Frau.
Als das Taxi kommt, steigt der Mann ein. Hinten rechts. Seine Frau geht um das Auto herum auf die Straße, öffnet selbst die Tür und setzt sich hinter den Fahrer. Es steht zu vermuten, daß sie das Ziel der Fahrt angibt.

Carmen "Boxenluder" Samson Berlin, - 05.09.99 at 01:49:25

1. Ich will Euch mal was sagen: Nordvorpommern. Erst Hochspätsommer, sehr überraschend, dann später Sommer, dann Hochsommer, schließlich völlig durchgeknallter Hochsommer. Im September. Die Lektion ist mal wieder, daß die neuen Länder erst NACH dem Diskursobjekt, zu dem man sie gern vergewaltigt, so richtig interessant werden. Kinders bin ich sonnen- und meergestählt, det war jeil.

2. Stefan, Elke und Frau Casati: Das neue Gesellschaftsspiel, falls es noch niemandem aufgefallen ist, heißt: Du mußt ein guter Verlierer sein können. Denn Verlierer sein ist schon ekelhaft genug, geh mal um den Block, zwo von dreien sehen so aus. Bald aber noch viel mehr. Und wenn man dann noch ein schlechter Verlierer ist: superekelhaft. Ganz und gar nicht ist dagegen Ambition verpönt, gar nicht. Mein Interesse an solchen Fragen haben aber schon andere Altlinke irritiert, Stefan. Die message ist: Du wirst Dich vorerst dran gewöhnen müssen.

3. Tja, jetzt das Problem: der Basti Deisler ist auf dem AB, als ich zurückkomme. Fragt, ob ich das nun eingefädelt habe mit München, dem SZ-Magazin etc. Ich muß ihn morgen zurückrufen.

Ralf Bönt Berlin, - 05.09.99 at 11:16:29

Gang, gang gah!
Eine halbe Million Anschläge! 92,59 Prozent. Endspurt nach sechs Jahren.
Ich bin nicht mehr von dieser Welt. Meine Freunde werden weniger, ich werde einsilbiger, langweiliger und verstumme immer mehr. Ich bin mehr oder weniger arbeitsunfähig.
Gestern bin ich mit meinem uralt Audi 80, ein echtes Opa Auto, und meiner Scheiss-randlosen Brille, die nur erträglicht ausschaut, wenn ich die Sonnenbrillengläser draufhabe, die habe ich aber verloren, und ich muss die blöde Brille beim Autofahren tragen, hat die Optikerin gesagt, und dass bei 0,1 Dioptrien , also gestern bin ich so mit Scheiss-Brille und Doof-Auto durch die Friedrich-Strasse gefahren und im Oldie-but-Goldie Sender lief Neil Diamonds `Forever in Blue Jeans´ (ich trug aber keine Jeans), da läuft mir immer ein Schauder über den Rücken und ich weiss nicht warum, und ich habe die Lautstärke hoch-und die Fenster runtergekurbelt und es war insgesamt so super, dass ich im Kriechtempo die Friedrichstrasse runter bin und dabei in die Hände den Takt klatschten musste wie ein Irrer, das muss man sich mal vorstellen: im Audi 80, Baujahr ´83, mit FDP-Brille und lautstark zu `Forever in Blue Jeans´und klatschend, vor Freude zuckend durch die sommerliche Strasse zu gurken.
Dann war das Lied zuende und ich versuchte den türkischen Sender reinzukriegen, weil inzwischen eine hübsche Türkin im Wagen hinter mir sass, aber der Sender flutschte dauernd weg und dann war auch ihr Wagen weg und der grossartige Moment auch und das Leben ging wieder weiter.

Lorenz Berlin, - 05.09.99 at 12:12:59

Mail vom Donnerstag (?) an Elke und Sven:

gut, es geht. das mailen.
Mir geht's aber nicht so gut mit den Verbal-attacken von dieser
München-Tussi Katrin.

Bin mir nicht sicher, ob ich mit so was "umgehen" kann. War von Anfang
an ein Fehler darauf einzugehen. weiß ich, aber ich reg mich über jeden
Scheiß auf. Schon immer. Und ewig.

Mein Anästhestist sagt: Rothaarige neigen dazu während der Operation zu
kollabieren. Neigen halt zu nervlichen Überreaktionen. Netter Mensch,
sagt er während er mir die Wirbelsäule anbohrt und ne ordentliche Ladung
Narkotika reinschießt, um mich anschließend halbseitig gelähmt in den OP
zu schieben. Daß man von dem Zeug zu zittern anfängt, sagte mir keiner.
also rechne ich jeden Moment mit dem Kollaps. Meine Zähne klappern.

Hält bis heute an.

Aber Narben verheilen immer sehr schön bei mir. Quasi photogen.

Hmm, ich schreib' viel lieber an einen Adressaten oder nur für mich als
für eine undefinierbare Masse, die dann mit komischen
Erwartungshaltungen zurückblökt und all ihren Suff, ihre Mißgunst und
schreiende Kinder und Schwiegermütter, zu wenig Sex, zu viel Sex
und-wer-weiß-was an mir ausläßt.

Vielleicht stell' ich den letzten Teil doch in den pool...?
Verführerisches Becken.

Muß viel machen, hab immer noch keinen Computer. Bin gestreßt und bau'
Scheiß.

Wirklich, Katrin verdirbt mir die Lust auf pool.

laßt es euch gut gehen, Maike

Maike Wetzel Nirvana, - 05.09.99 at 14:12:22

Hej Maike, es gibt nichts zu verlieren. Sehr schön deine lange mail, warum hast du das nicht in den pool gestellt? Das ist die Offenheit, die entwaffnet. Wir schreiben ja auch nicht ins Nichts, sondern an Uslar, Oswald, Kummer usw. ..., wenn wir in den pool schreiben.
Wenn die Kritik an einem gut ist, dann ist sie sinnvoll, wenn sie dumm ist merken das auch alle anderen. Das führt zurück zum ersten Satz: es gibt wirklich nichts zu verlieren.
Wenn du wütend bist, dann schreib es ein letztes Mal in den pool, wir können das nicht erklären. Was du uns sagst und mailst ist, wie gesagt, auch da gut aufgehoben.
Es ist okeh, wenn du 'aussteigen' willst, jeder kann das jederzeit, aber verabschiede dich.
PS: Was ist das für eine fürchterliche Operation, Ginger?
Mit ganz herzlichen Grüßen Sven

mail, gestern an maike sven lager, berlin, - 05.09.99 at 16:55:52

 

Ganz schwer ABZUGEWÖHNEN das Großbuchstabenschreiben, weil es so angenehm ist ab und zu LAUTER zu reden in dem ganzen Singsang. Ein Virus, guter Virus. Guter Ernst, gute Kathrin aus Halle, wie angenehm es ist im loop zu lesen, wie verdammt gut die Musik ist, die Reinhard aus dem Kumpelnest für Elke aufgenommen hat.
Sie ist genau so wie diese Sonne, die den ganzen Tag auf die Stadt strahlt, den Wannsee, an den wir uns gequetscht haben zwischen den ganzen Irren durch, die zum Red Bull Tag ins Strandbad Wannsee wollen, wo jeder sein Fluggerät mitbringen kann, aber wir sehen nur riesige Weltkriegsbomber, blankpoliert, die über den Strand dröhnen und wir saugen das Licht auf, durch jede unserer Poren und dösen und beobachten dabei das Schattenspiel der langblättrigen Büsche. Weiter draußen liegen vier Boote aneinander vertäut. Die Mädchen legen sich steif in die Sonne und die Jungs mixen Getränke, turnen von einem Boot ins andere und ab und zu wehen gedehnte Hardrockgitarren von ihnen herüber wie eine angenehme, träge Droge.
Der Zustand, betäubt und leicht von einem Badetag in einem Auto, im Wind, die gewundene Straße wieder nach Hause zu fahren. Ob man gerade verliebt ist oder nicht, wie unwichtig.

sven l. - 05.09.99 at 17:51:13

Liebe Maike Wetzel, wenn Sie das überhaupt noch lesen ö danke für diesen doch noch hineingestellten Text. Höchste Zeit, daß einmal darüber gesprochen wird, worum es im Pool eigentlich geht. Wenn wir das überhaupt ahnen, und wenn das noch nicht geschehen ist ö es täte mir leid, wenn ich es verpaßt hätte.

Sie verstellen sich nicht, so scheint es. Andere tun es sicher. Ihre Kritikerin aus München könnte es vielleicht tun, das weiß ich nicht.

Um es für mich zu sagen: Pool ist eine Komödie der Verwechslungen. Konkret in meinem Fall: Der Eindruck scheint zu entstehen, meine Texte seien autobiographisch, weil sie als eine Art Tagebuch daherkommen und in der 1. Person Singular geschrieben sind. Und so nehmen einige Leser mich wahr als einen Vamp, die Geld und Macht sexy findet und deswegen ein Boxenluder ist.

Das war das netteste Kompliment seit langem. In Wahrheit bin ich ziemlich schüchtern und in Gesellschaft äußerst ungelenk, was dazu führt, daß ich mich auf Festen leider viel zu häufig betrinke. Gesprächspartner dort, die sich aus welchen Gründen auch immer zu meiner Unterhaltung verpflichtet fühlen, sehen zu, daß sie mich irgendwie an einen, der in der Kommandokette niedriger steht, weiterreichen können, um endlich das Weite zu suchen.

Aber auch das könnte eine Verstellung sein. Nichts muß hier so sein, wie es scheint, und das ist das, was mir am Pool so gut gefällt. Offenheit war schon immer die beste Tarnung. Nein. Hinter der vermeintlichen Offenheit verstecken sich immer die kostbarsten, am sorgfältigsten gehüteten Geheimnisse.

Und: was hier als Text steht, ist das, was wir sehen, wenn wir die Lupe unserer selektiven Wahrnehmung auf unsere Umwelt richten. Um irgendeine Aussage zu treffen. Um zur Unterhaltung beizutragen. In meinem Fall scheint das bislang im weitesten Sinne von "Entertainment" und weniger im Sinne von "Austausch" geschehen zu sein.

Aber das kann sich ja noch ändern. Ich gebe nicht auf.

Ich weiß nicht, ob Sie das tröstet. Ich weiß auch gar nicht, ob ich Sie trösten will. Aber wenn Sie das hier läsen und mir antworteten, fände ich das schon schön.

Carmen Samson Berlin, - 05.09.99 at 21:13:24

1.
Jochen hat mir mal die Geschichte erzählt, als er noch in dem Wohnsilo in der Ainmillerstrasse in Schwabing untergebracht war, in einem von hunderten von Einzimmerappartements: Er schlief, er glaubte ein Klopfen an der Tür zu hören. Völlig dusselig sprang er aus dem Bett und machte die die Tür auf. Niemand war zu sehen. Er ging einen Schritt raus, in den Gang, die Tür fiel zu und - er stand da, um vier Uhr morgens im Winter im Gang in der Unterhose, ohne Schlüssel, ohne Geld, ohne irgendwas, und war ausgesperrt! Er kannte seine Nachbarn nicht, außer einem, so einem enthemmten Alkoholiker, der ihn öfter im Treppenhaus angeblökt hatte. Bei dem läutete er. Der machte tatsächlich auf, aber wußte auch nicht recht. Jochen und er diskutierten ein wenig die Lage, schliesslich lieh ihm der Saufkopf einen Drahtkleiderbügel - einen Drahtkleiderbügel! Jochen versuchte damit, durch den Briefschlitz seine Tür wieder aufzukriegen, was nicht gelang. Dann irrte er durch die Gänge des Hauses, in der Hoffnung, den Hausmeister zu finden. Er wärmte sich im Heizungskeller, dessen Tür offen stand. Um halbsieben kam der Hausmeister, Jochen hörte ihn im Hauseingang, er hatte tatsächlich einen Nachschlüssel zu Jochens Wohnung. Als er wieder drin war, nahm er das schönste brandheisse Bad seines Lebens.

2.
Superschöner Audi-Text, Lorenz. Jetzt Vollgas bei den letzten 7,51%!
3.
Katrins Kritik an Maike war doch absolut im Rahmen. Es ging immer nur um die Texte, keine persönlichen Angriffe. Carmen Samson hat ihr im letzten Beitrag das Spiel erklärt - hoffentlich macht sie weiter mit.

Georg M. Oswald München, Deutschland - 06.09.99 at 01:26:00

Wieder ein Super-Traum:
Ein riesiges Ski-Resort. Viele Freunde da. Und Robert de Niro, der junge. Alles sehr unheimlich. Das grosse Hotel sieht aus wie das in Shining. Wir mussen staendig fliehen. Was schwierig ist, denn Nika hat einen riesigen Golf-Sack von Luis Vuitton dabei. Der Golf-Sack hat keine Rollen und sieht wahnsinnig schwer aus. Wir muessen staendig mit Skistiefeln zu den Seilbahnen rauf- und runterlaufen, um dann doch mit dem Helicopter wegzufliegen. Nika weigert sich den Luis Vuitton Golf-Sack zurueckzulassen. Lacht viel. Dann macht sie irgendwann den Sack auf und da sind keine Golfschlaeger, sondern automatische Schnellfeuergewehre drin. Jeder bekommt eins und dann ballern wir aus dem Helicopter Muster in den Schnee. Als wir landen kommt der Regisseur und sagt, das sei schon ganz gut gewesen. Doch wir haetten das Wort, das wir in den Schnee schreiben sollten falsch buchstabiert. Jetzt muss ich die Louis Vuitton Tasche tragen. Sie ist ganr nicht schwer sondern ganz leicht und auch ich muss viel lachen, denn mit der Tasche ist alles viel leichter.
Dann aufgewacht und versucht weiterzutraeumen. Welches Wort sollten wir in den Schnee schreiben? Unklar. Trotzdem den ganzen Tag bester Laune.

Eva Munz Bangkok, Thailand - 06.09.99 at 09:26:55

Neulich, um, nicht zu sagen gestern, hörte ich von einer Diskussion über das Älterwerden. Wie wahrscheinlich viele Menschen versuche auch ich, der unausweichlichen Tatsache, dass man älter wird, um dann irgendwann zu sterben, einen optimistischen, ja versöhnlichen Aspekt abzugewinnen. Glauben tue ich leider an gar nichts. Wenn auch nicht viel aus meiner Schulzeit hängengeblieben ist, dann doch ein Satz meiner marxistischen Klassenlehrerin. Damals war ich vielleicht zwölf, trug am liebsten Türkis und wußte eben noch nicht, was marxistisch ist. Also nahm ich ich ihren Satz, weil er mir durchweg logisch erschien, einfach ungefiltert auf und speicherte ihn als Lektion aus der ersten Klasse der Schule des Lebens ab. Der Satz lautete nun so: »Religion ist eine Erfindung der Oberschicht, damit die Armen den Reichen nicht die Birne einhauen.«
Religiös werden hat vielleicht auch aus diesem Grund bei mir noch nicht geklappt. Ich suche sozusagen noch.
Und höre deshalb sehr genau zu, wenn die Ergebnisse aus Diskussionen über das Älterwerden bekanntgegeben werden.
Ein paar Aspekte, die man so aufschnappt, lauten jedenfalls so: »Was war ich doch noch blöd mit 21!« oder »Früher hätte ich mir über sowas tagelang den Kopf zerbrochen, heute, haha, da lach ich drüber.« Oder aber, vielleicht aus Iris Berbens Sicht, sowas wie: »Früher war ich unsicher, aber heute liebe ich meine Falten, jede erzählt eine Geschichte über mich.«
Ja, das ist wirklich toll, vor allem, wenn man mal wieder ein paar Pflaster quer über dem Mund hat, wegen dem letzten Lifting.
Oder auch ich selber, noch vor ein paar Jahren: »Wenn man stirbt, sind durchschnittlich 90% des Gehirns ungenutzt. Das soll nicht sein. Ab heute werde ich einfach jeden Tag ein bißchen schlauer, und das ist schon mal die schlaue Erkenntnis für heute. Morgen kommt dann wieder eine. Und wenn ich sterbe, möchte ich sehr, sehr schlau sein.«
Und nun das Ergebnis der Diskussion (sie wurde übrigens geführt am Samstagabend im Ultraschall, von einer Freundin von mir und einem Bekannten von uns. Beide über 30): Das Schöne am Älterwerden ist, dass man gelassener wird. Weil: Had it, been there, done it. Keine bösen Überraschungen mehr, wie die Menschen sind, auch nicht, was die eigene Reaktion darauf betrifft. Stattdessen gute Gelassenheit. Heute, fast genau einen Monat vor meinem 29. Geburtstag, frage ich mich: bin ich denn die einzige, die alles schwerer nimmt, je älter ich werde? Die aus der Wiederholung das Gegenteil von Gelassenheit, nämlich Wut, Verwirrung, Resignation, Aha,-also-doch!-Mißtrauen ableitet? Ich weiß nicht, wie alt Maike Wetzel ist. Aber ich vermute: sie versteht ein bißchen. Zumindest verstehe ich sie. Ich meine natürlich: Dich, falls Du noch an Bord bist.
Oh, und falls das jetzt alles ein bißchen negativ klingt: Es ist natürlich auch eine Einladung an Elke und Sven, zu meinem Geburtstag, am 8. auf den 9. Oktober in MUC, ein Wochenende. Denn eines ist eben doch okay am Älterwerden: die Geburtstagspartys.

rebecca casati münchen, deutschland - 06.09.99 at 11:26:52

MARTIN HAMBURG-BAHRENFELD!
Ich habe keineswegs "den Kopf eingezogen", sondern war nur übers Wochenende nicht verfügbar. Und hier eine "Streitkultur" zu entfachen, wie Sie sich auszudrücken belieben, liegt mir fern. Wie kommen Sie bloß auf sowas?

BRITTA!
Ich habe in der Tat keine Ahnung, wo der Hammer hängt. Vielleicht kommst Du vorbei und zeigst es mir. Aber bring was zu Essen mit. Ich hab Hunger.

EVA MUNZ!
Schon klar ist mir, daß es sich um PEEK & CLOPPENBURG handelte. Ein Foto von mir, mit dem ich jeden "Schwiegermutter's-darling-contest" gewinnen würde, finden Sie unter www.dumontverlag.de/null/beuse/person.htm.
Und wehe, NINA AUS BERLIN, die Du Dich in Oswalds Foto im "Loch" verliebt hast, Du verliebst Dich nicht noch viel mehr in mich!
Außerdem wird Oswalds Nase mit zunehmendem Alkoholkonsum langsam großporig. Magst Du großporige Nasen, Nina?

GEORG OSWALD!
Es freut mich, daß Du in der Lage bist, über Weißwein Dinge wie "moussierend" zu sagen. Du bist ein guter Schriftsteller. Das Foto ist natürlich nie erschienen, hoffe ich. Wahrscheinlich, weil wir uns DIE GANZE ZEIT ans Bein gefaßt haben. Wir sollten die Form unserer Sympathiebekundungen in Anwesenheit der Presse für die Zukunft überdenken.

RALF BÖNT!
Sag noch EINMAL, ich sei ein Altlinker. Das Wort impliziert, ich hätte mich jemals mit Politik befaßt. Dabei weiß jeder, der mich ein bißchen kennt, daß ich noch nie die TAGESSCHAU gesehen habe und den Mantelteil von Zeitungen ungelesen zum Altpapier gebe. Wenn Du das nicht glaubst: teste mich doch. Frag mich doch mal, wann die Weltkriege stattgefunden haben. Oder wie unser Bundespräsident heißt. (Wenn Du zufällig Bundespräsident sein solltest, Ralf: Ich wollte Dich nicht beleidigen...)

Stefan Beuse Hamburg, - 06.09.99 at 12:06:31

Liebe Casati. Nur Narren feiern das älter werden, habe ich neulich von meiner Freundin Eva gehört, die noch ein bißchen älter ist als ich. Dieser Satz stammte von ihrem verstorbenen Mann, der Nachts betrunken aus dem P1 kommend von einem Auto überfahren wurde und ihr 4 Kinder und 100 000 Mark Schulden hinterließ. Eva kennt das Leben, es gibt keine Stelle ihres Körpers, wo es noch nicht hingetreten hat und sie ist daraus klug und gelassen und noch schöner geworden und macht es richtig, so weit ich das beurteilen kann, und das hat sie früher nicht getan, soviel ist sicher.
UUUHHH das älter werden ist ein empfindliches Thema und ich hoffe selbst bald alt genug zu sein, um dem gelassen entgegenzusehen. Langsam wird es besser, d.h. im Moment wird es wieder schlimmer. Deshalb habe ich beschlossen meinen Geburtstag nicht mehr zu feiern, sondern stattdessen jedes Jahr ein neues Buch. Das ist wenigstens ein richtiger Grund zu feiern und erfolgreiche Frauen kriegen auch in hohem Alter noch jüngere Männer, habe ich gestern auf Arte gesehen und das ist doch alles, worum es sonst noch geht. Vielen Dank für die Einladung.

Elke Naters Berlin, 35 Jahre - 06.09.99 at 12:44:18

Weimar, 5.9.99

Mit dem Eurocity ³Goetheã auf dem Weg in die Kulturhauptstadt Europas 1999. Paris-Prag mit der deutschen Mitropa, ein Jammertal. Ab Frankfurt ist der Zug so voll, das es einen Rückstau aus der zweiten Klasse in den Speisewagen gibt. Kein Durchkommen, das Reisen als Ärgernis, nur gelindert durch das siebente Kapitel aus Thomas Manns ³Lotte in Weimarã, immer wieder ein Vergnügen.

In Weimar spielt die Ostrock-Gruppe ³Vergangenã plärrende Weisen direkt vor dem Goethe-Haus. Ein älterer Herr in Sackhosen mit Mösenbart drängelt sich an der Pförtnerin vorbei: ³Ich bin bei der Vortragsgruppe Dr. Palm, lassen Sie mich reinã.
In jedem Raum drängeln sich Reisegruppen und dünsten schlechte Luft in die eleganten Zimmerfluchten, deren Wandanstrich Goethe nach seiner Farbenlehre bestimmte.
Die Führerin erzählt, daß Goethes Sohn August, schwerer Alkoholiker, die Angewohnheit hatte, im Vollrausch seinem Vater immer Schiller-Verse zu rezitieren.
Im Cafe ³Faustinaã treffe ich einen alten Freund. ³Reimar, ausgerechnet in Weimarã, reime ich in spontaner Idiotie und schüttele seinem Vater, Rechtsanwalt und Poet, die Hand.

Plakate bewerben eine rumänisch-japanische ³Faustã-Interpretation. Eine Agentur ³Rent-a-Goetheã bietet Erlebnishappenings mit dem Geheimen Rat an. Zum 250. Geburtstag hat die kulturelle Auseinandersetzung mit dem begnadeten Autor der ³Wahlverwandtschaftenã annnähernd das Niveau von Rudi Carells Gassenhauer ³Goethe war gutã erreicht: ³Mann, der konnte reimen!ã. Thomas Bernhard hat recht: Goethe ist der ³Gebrauchsdeutscheã. Wenn es den Deutschen schlecht geht, nehmen sie etwas Goethe ein, wie ³Seelenmarmeladeã, in Haushaltsgläsern abgefüllt.

Auf der Heimfahrt im mit idiotischen ostdeutschen Bundeswehrsoldaten verstopften IC ³Wartburgã geht mir ein Lied nicht aus dem Kopf, das Lied des Oberkellners Manfred im Restaurant ³Rosenhofã, der vor versammelter Geburtstagsgesellschaft meinem Onkel Arnold, dem Jubilar, ein Ständchen bringen wollte. Es war ein furchtbares DDR-Lied und hieß ³Cora, komm nach Hausã. Ich glaube, es stammt aus der Zeit, da er noch in Bautzen saß und sein Tochter oder Freundin paradoxerweise dazu aufforderte, zu ihm ins Gefängnis zukommen. Auf jeden Fall waren die verschiedenen Stimmen der nicht enden wollenden Strophen so vertrackt, daß nur sein dünnes eigenes Stimmchen dem ganzen eine Einheit gab, die ich inhaltlich nicht verstand. Die ganze Runde vermied tunlichst, sich anzuschauen, der dünne Applaus verendete in einem peinlichen Geräusper.
Das bleibt.

Eckhart Nickel Frankfurt/Main, Hessen - 06.09.99 at 13:20:32

Liebe Elke: Ja. Und nein. Ich glaube, das war etwas mißverständlich: Ich habe keine Angst vor dem Faltenkriegen und dem Junge-Männer-Nicht-mehr-kriegen. Ich habe Angst davor, immer wütender und unausstehlicher zu werden. Und dann zu sterben. Und deshalb gebe ich schnell noch eine große Party, damit,·ja: ich nicht so wütend bin mit jedem. Und sie nicht mit mir.
Eckhart: Hast Du etwas zu tun mit dem Beitrag: »Erfolgreiche Frauen kriegen auch im hohen Alter noch junge Männer?« Hehehe. Lustige Idee.

rebecca casati münchen, deutschland - 06.09.99 at 15:06:25

P.S.: Hallo, Herr Beuse: Die Ästhetisierung des Alltags fordert eigentlich mit aller ihr innewohnenden Gewalt ausschließlich den Aufenthalt in Fernzügen mit wohlklingenden Namen. Das gelingt leider nicht immer. Als alter KIWI-Nachbar in Sachen Süßigkeiten eine Frage: Was halten Sie von Ritter Sport "Knusperkeks"?
Und Hallo, Herr Oswald: Sb8-c6. Ich lese gerade "Geheimer Bericht" von Drieu in der hübschen Matthes & Seitz-Ausgabe. Zitat aus Sartorius' Vorwort:
"Eleganz, Nonchalance, Charme, Zynismus, Scham."
Fünf Wörter, ein Satz. Gross.

Eckhart Nickel Heidelberg, Frühherbst - 06.09.99 at 15:09:06

Ob Sie's glauben oder nicht, Herr Dr. Nickel, aber während ich Ihren Eintrag lese, esse ich in der Tat Ritter Sport Knusperkeks, und zwar ZUM ERSTEN MAL. So etwas darf man nicht schreiben, so etwas glaubt einem keiner, aber es ist so.
Im Grunde, Herr Dr. Nickel, will ich mit Süßigkeiten im allgemeinen und mit Ritter Sport im besonderen nichts mehr zu tun haben. Sofort kommen dann nämlich Leute wie ERNST (loop) und reden von neuer deutscher Pop-Literatur. Und wenn sich die neue deutsche Pop-Literatur auf das sinnlose Runterbeten von Markennamen und generationsspezifische Reminiszenzen beschränkt, will ich auch mit der neuen deutschen Pop-Literatur nichts zu tun haben. Dann hat Ernst recht: dann ist das hohles, bourgeoises Zeitgeist-Geschreibe.
Unsere Gegenwart und unseren Alltag als Vehikel zu benutzen, um dahinter Räume zu öffnen, die über den Gegenstand hinausweisen, ist allerdings nicht bourgeois, sondern Aufgabe der Literatur, und wenn Sie mir die Sehnsucht nach einer Ewigkeit und nach Werten, die Bestand haben, anhand einer Packung Guylain Meeresfrüchte nahebringen, finde ich das nicht bourgeois, sondern höchst erfreulich.
Zu Knusperkeks fällt mir allerdings nicht viel ein, außer, daß die Sorte einen etwas zu krümeligen und plump-überzuckerten Eindruck hinterläßt. Das war jetzt vielleicht bourgeois. Ich warte auf den ICE Benjamin-von-Stuckrad-Barre.

Stefan Beuse Hamburg, - 06.09.99 at 16:02:14

Weil man mit dem Alter immer ungeduldiger und schneller wütend wird, sollte man immer öfter NEIN sagen und weniger Kompromisse machen. Das bedeutet es, glaube ich.

Elke Naters Berlin, - 06.09.99 at 16:11:58


Stefan, ich habe nicht behauptet, daß Du ein Altlinker wärst, geh mal in die Sprachlogik hinein, bitte, Du bist dem Spielchen auf den Leim gegangen. Sowas ist auch weder zum Lachen noch hier am Ort. Es hat auch keiner gemerkt, daß es die Bourgeoisie kaum noch gibt. Man mußte deshalb den Pop schnell erfinden, bevor es zu spät war für jeglichen Elitarismus. So. Ich habe aber auch noch mal nachgedacht und glaube jetzt, daß mein Interesse stark von dem Trauma geprägt ist, der Ewige Zweite zu sein. Hätte ich einen Bruder, wärs vielleicht anders. Das soll gut sein, Geschwister sind die Leute, mit denen man sich am längsten kennt, sagte ein Freund von mir. Aber Du wirst verstehen, daß mich wegen dem Ewigen Zweiten das kleine Kompliment auf der Gästeseite, das ist da wo die Halbzugelassenen schreiben, nicht gänzlich kalt gelassen hat. Wo Du in Klagenfurt doch auch einen Platz höher warst als ich oder zwei gar, bloß weil Du in einen schwachen Jahr gelesen hast und ich in einem starken. Scheiße. Kathrinchen: früher, ne! Aber wir wollen doch mal den Speicheltest machen, aus welchem Halle auch immer Sie kommen: Wo genau waren Sie denn tanzen? Alle Münchner, das sind die mit dem armseligen Nachtleben, und da hilft auch das Werkstattkino mit seinem Solizuschlag nix, hören da bitte her! Falls ihr mal soweit hinaufkommen solltet in der Welt. Mit Maike übrigens bin ich bei Euch mal S-Bahn gefahren, das war sehr angenehm. Und am letzten Sonntag war Ina Munzinger hier und hat mit ihrer Familie meine aufgemischt. Außerdem hat sie mich ein bißchen über die ganze pool-connection aufgeklärt, Herr von Uslar: Ihre Energie tut mir sehr gut! Das wollte ich sowieso mal gesagt haben, fand bloß nicht so recht den Anlaß. Und Oswald: wieso überläßt Du das ganze sparring dem Beuse? Weil ich damals von Karin Graf aus absolut nicht mit in den Bayrischen Hof wollte? Auch ich bin an solchen Abenden immer sehr überfordert, mußt Du wissen, nicht bloß aus gesundheitlichen Gründen, und hinterlasse jede Menge Kontaktleichen. Reine Koketterie! Aber ich bin überhaupt nicht nachtragend, was fei was andres ist als wie Vergeßlichkeit. Es sind also noch paar Türen offen, und daß ich Dich schätze, nicht bloß wegen dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik und diesm Text, wo war der noch, bei Heiner damals, habe ich doch hoffentlich ausreichend betont. Nur gehört eben nicht alles hierher. Ach ja, Kathrinchen: Gelesen haben Sie den "Icks" auch, nicht wahr? Prima. Bezahlt hoffentlich auch. Oder wenigstens geklaut, ich hatte ja mal eine Bekannte in Bielefeld, die hieß auch Kathrin und hatte auch so eine Herzlichkeit. Was aber schon her ist. Am 27.11. übrigens feiert man Premiere im Stadttheater. Ob es hinterher ins immer noch existierende Farout geht. Schätze, Acka legt dann auf. Noch was internes: Bei den nächsten Bayerischen Literaturtagen in Fürstenfeldbruck wird das Honorar definitiv auf 2500 die Woche erhöht. Also alle, die noch nicht zum Pool o.ä. zugelassen sind, dann fleißig rühren, daß ihr hineinkommt! Und Elke wie Sven, schickt mir wenigstens mal Eure Telnr. wegen der Autorenseite oder was ist damit?

Ralf Bönt, NY, - 06.09.99 at 16:46:34

Ein früherer Regierungssprecher ist zutiefst beleidigt. Der örtliche Vorsitzende seiner Partei hat von ihm behauptet, er schreibe für Geld. Der frühere Regierungssprecher findet, das sei eine "ungeheuerliche Diffamierung". Wegen "Verbreitung einer ehrenrührigen Behauptung" wolle er den Parteichef verklagen, sollte der sich nicht entschuldigen.
An dieser Stelle stünde in Amerika mindestens die Werbetexter-Gewerkschaft, wenn nicht gar der Schriftstellerverband auf dem Tapet. Sie würden drohen, den beleidigten ehemaligen Regierungssprecher zu verklagen. Denn nicht die Äußerung des Parteichefs, sondern die Beleidigtheit des Regierungssprechers sei diffamierend. Gegenüber allen, die ihr Geld mit Schreiben verdienen.

Carmen Samson Berlin, - 06.09.99 at 17:49:42

Ralf, ich verstehe nicht, worum es dir geht. Ich finde es öde in diesen "Gewinner"-Kategorien zu denken, zumal es keine ernstzunehmenden Kriterien dafür gibt. Was ist denn das für ein Blick aufs Leben: "Der Stefan Beuse hat aber den Preis des Landes Kärnten gewonnen und ich nur den Dreisat-Preis - das war aber nur, weil sein Jahrgang ein Schwacher war und meiner ein starker." Den Kritikerschwachsinn von den "starken" und "schwachen" Jahrgängen in Klagenfurt glaubst du doch selbst nicht. Denkst du im Ernst, es mache für die Qualität deiner Texte oder ihre Wahrnehmung in der Öffentlichkeit auch nur den geringsten Unterschied, ob Preis des Landes Kärnten oder 3Sat-Preis? Tja, Stefan Beuse - Preis des Landes Kärnten - wird in die Annalen der Literaturgeschichte eingehen, Ralf Bönt - 3Sat-Preis - muss leider draussen bleiben. Ist es so? Schreibst du deshalb? Kann doch nicht dein Ernst sein, oder?

Georg M. Oswald München, Deutschland - 06.09.99 at 21:01:04


1. Martin aus HH: Sehr fein beobachtet, alle Achtung. Schade nur, daß Du ohne Nachnamen auf die Welt gekommen bist. Aber das hier ist keine Kundenberatung, sondern die Klatschspalte, wo es genau um das tiefstmöglichste der erreichbaren Niveaus geht. Auch das eine Kunst, und so stimmen wir überein. An Oswald bin trotzdem so vorbeigeschlittert wie schon an vielen. Das wird sich wieder geben. Hoffe ich. Warum fangen im Gästebuch bei dem Punkt alle an, zu stottern? --- Extrem gelacht über Evas Tastatur!
2. Wir danken dem stern nachträglich für das Titelblatt mit dem Schröder. Sehr effektiv.
3. Die PDS hat in Brandenburg mit einem riesigen HEIMAT vor Bisky geworben. Man konnte so schnell fahren wie man wollte, ums Lesen kam man nicht herum.


Ralf Bönt drahtlos mitten in der Nacht in New Jersey, - 07.09.99 at 10:02:58

Ralf, nur ein letztes Wort noch zu Gewinnern, vor allem zu Klagenfurt-Gewinnern: Nach dem Kärntnerpreis frag ich meinen Lektor: "Und, Lektor, krieg ich jetzt ne fette Banderole ums Buch, wo draufsteht »Preis des Landes Kärnten 1999«?"
Darauf mein Lektor: "Bist du wahnsinnig? Das ist Gift für jeden Buchhändler! Die denken dann, das sei schwere, unverkäufliche Literatur!"
"Und wenn Elke Heidenreich auf der Rückseite sagen würde »flott geschrieben«?"
"Dann biste ausm Schneider."
Tja, Ralf, so läuft das. Oder hast Du den Eindruck, daß Dir Dein 3-Sat-Stipendium zu enormen Verkaufszahlen verholfen hat?
Außerdem zitiere ich in diesem Zusammenhang immer gern Roberto Arlt, der gesagt hat: "Wir werden unsere Literatur erschaffen, nicht indem wir pausenlos darüber reden, sondern indem wir in stolzer Einsamkeit Bücher schreiben, die die Wucht eines Kinnhakens haben."
Und darum muß es uns letztlich doch allen gehen, oder? - Gute Bücher zu schreiben ist schwierig genug.

Martin aus Billbrook: Du wirst für mich immer Martin aus Billbrook bleiben.
Ehrensache und versprochen.

Britta aus Hammerbrook: Die Schokolade ist alle, und in zwei Wochen bin ich verhungert. Aber jetzt weiß ich wenigstens schon mal, wo der Hammer hängt. Gottseidank.

Stefan Beuse Hamburg, - 07.09.99 at 11:26:32

Verstehe dich nicht Ralf Bönt. Jungs, seid mal weniger Jungs, weniger speziell, nicht so viel basteln. Ich verstehe dich schon Ralf Bönt, aber die Frage ist: wieviel muß ich überlegen, um dich zu verstehen? Das ist, um mit dir auf das Schreiben zu kommen, ein großes Problem von Text in Büchern. Die Unverständlichkeit. Die Literatur. Beide ziehen sich auf verheerende Weise an. Da wird an der Sprache GEBASTELT.
Ich weise gerne nocheinmal auf den sehr netten Briefwechsel

Heiner Link / Georg Oswald

hin http://heinerlink.de/girgl.htm, sehr verständlich und klar, wie da das Leben UND das Schreiben beschrieben werden. Nein, nicht sehr bayrisch, aber sehr angenehm bauernfünferig.
Nur Heiner, der du mir allein schon durch das beharrliche Kleinschreiben in den mails an Elke ans Herz gewachsen bist, weil ich ja auch so ein notorischer Kleinschreiber bin, Heiner: Tu doch nicht so viel Design. Jeder fünfte Jugendliche möchte Webdesigner werben. Denk an www.heiermann.de , der auf seine Weise im Webdesign das ist, was mancher Schriftsteller in der Literatur.

sven lager berlin, - 07.09.99 at 12:21:17

Doppelkinn Doppelkinn Doppelkinn Doppelkinn Doppelkinn Doppelkinn.

Christian Kracht Vientiane, Laos - 07.09.99 at 12:57:19

Erster Tag im Kindergarten mit Simon. Ich darf nicht weggehen, muss den ganzen Vormittag dabeibleiben. Die Eltern aller anderen Kinder sind weg. Haben wir etwas falsch gemacht? Beim "Kreisspiel" ist es so weit. Ich finde mich, umringt von zwanzig Kindern, als Hund Wauzi mit dem Kopf unter einem Kindergartenstuhl wieder und muss herausfinden, wer meinen Knochen gestohlen hat. Ist es das, was ich immer wollte? Wauzi? Auf dem Heimweg mit Simon bringe ich behutsam die Rede darauf, dass wir morgen vielleicht mal ausprobieren könnten, dass er allein dort bleibt, während ich - er unterbricht mich und sagt: "Wenn du mitkommst, bleib ich morgen allein da." Genau, das habe ich erwartet, so machen wir's. Er geht alleine hin und ich komme mit. Mein Lamento, dass ich ja schon im Kindergarten war, und zwar schon vor dreiunddreissig Jahren, lässt ihn völlig unbeeindruckt.

Lieber Ralf, ich würde dich einfach bitten, dich locker zu machen. Es ist alles in Ordnung, "Ich liebe dich", wenn du so willst. Mir hat "Icks" gut gefallen und was ich aus "Gold" gelesen habe auch. Ich verstehe nur einfach dieses Gewinner-Ding nicht, es ist mir egal. Ich mag es nicht, wenn jemand sich das Feld der Literatur aussucht, um seine möglicherweise verletzte Eitelkeit zu pflegen. Und du hast das auch wirklich nicht nötig, ebensowenig wie irgendjemand sonst. Basta.

Georg M. Oswald München, Deutschland - 07.09.99 at 13:11:52

Lieber Sven, ich bin eigentlich auch gegen das Basteln. Aber vor allem fände ich es schön, wenn Sie, Herr Stefan Beuse, den Brittas und Martins in Loop antworten. Weil: Ich rufe ja auch nicht bei Ralf Bönt an, wenn ich mit Ihnen sprechen will. Denn, genau wie das Basteln, vereitelt das doch den FLOW. Und wirkt dabei auch gar nicht mal autoritärer.

rebecca casati münchen, deutschland - 07.09.99 at 13:38:44

 

"Müde bin ich geh' zur Ruh',
mache meine Äuglein zu.

Vorher werde ich mir einen rollen, Ion über die Glatze streichen und mir denken, daß Männer ohne Haare halt doch die besseren Liebhaber sind.

Postkarte des Tages:

Lieber Eierkopf,
über deinen Hartschalenkoffer gebeugt habe ich einmal mehr bemerkt, daß du extra große Füße haben mußt. Wie sonst soll es vonstatten gehen - unsere Liebesheirat auf großem Fuß am Alpenrand? Ich denke, das mit der Grünen Minna kriegen wir schon noch hin. Die paar Computer können ja nicht so ein Aufheben wert sein. Deine Bonnie"

So was könnte ich weiterhin schreiben = behaupten.
Liebe Carmen v. Samson, das mit dem Autobiographischen habe ich nie anders gesehen als in Ihrer Anmerkung vom 5.9.99, merci, und lieber Georg, auch wenn Sie mich zum Weiterspielen drängen wollen, warte ich lieber auf den Augenblick, wenn ich Ihr Jungsgesicht in der U-Bahn sehe, um zu singen: "Schorschi, Schorschi, über allen Wipfeln ist Ruh', nur du, nur du, du hörst mir nicht zu. Doch einst werden wir wissen: nur kissen, nur kissen. Ist schöner."

Auch ich: meine es.
Nicht so.
Das ist doch Illusion. Alles.

Also,
ich könnte ich mit Pool weiterhin meine Online-Stunden füllen, ich kann's aber auch bleiben lassen und mich auf Deadlines, Bandfehler, Schneideraumdispos etc. konzentrieren.

Wenn ich nun "tschüs" sage, dann ist Katrin und Kumpanen der Anlaß, aber nicht der Grund. Der Grund ist eine billige Konfitüre aus Beerensorten ohne Kerne.

Und weil's so schön war, noch mal "ABFALL FÜR ALLE":

"Ein Mann und eine Frau. Sie gehen über die weiten Rasenflächen eines italienischen Landgutes.
Ihre Körper berühren sich nicht. Es ist der lange Morgen nach einer Nacht. Sie tragen Schwarz: Einreiher und Cocktailkleid. Ihr Gespräch glimmt wie der Wackelkontakt einer Taschenlampe durch das verhaltene Wissen um eine gemeinsame Vergangenheit. "Sinnlos, sinnlos", klingt es tonlos aus dem Hufeisen der Frauenlippen. Die schwarz-weiße Frau; sie trägt in ihrem Gesicht das Leiden spazieren. Ihren Mund zieht das Gewicht der Eiswürfel in den tröstend gereichten Whiskygläsern nach unten. Während sie mit einer Hand die goldene Flüssigkeit schwenkte, so daß die Eiswürfel klirrten, starrten ihre Augen immer gleich verhangen unter falschen Wimpern. Es regnet; einen Regen, den sie bestellt haben wie das Amen in der Kirche am See, deren Namen die Frau nicht aussprechen kann. Das Land blieb ihr fremd, dem Mann fiel es nicht auf.
M.W., per LA NOCE, Marcello and friends, 1993

Maike Wetzel Nirvana, - 07.09.99 at 16:13:59

Uhhhhh. Tschüß Maike. Zur Poolparty, sollte es je eine geben, wirst du natürlich eingeladen.
Ich geh auch, keine Lust mehr. Nur Spaß. Aber ich unterstütze hiermit jeden darin den pool zu verlassen, wenn er keine Lust mehr hat, bevor ihm noch vor lauter Lustlosigkeit ein Doppelkinn wächst. Lustlosigkeit LÄHMT.
LET IT FLOW!

Elke Naters Berlin, D - 07.09.99 at 20:46:14

Neue Teilnehmerseiten: Ralf Bönt.
Ich hoffe sie sind dir knallig genug.

Maike Wetzel, auf eigenen Wunsch: deleted.
Do the right thing Ginger.

sven l. *pool - 07.09.99 at 22:30:36

Nein Heiner, diese OBERFLÄCHE ist gut, ich glaubte gar nicht, daß Du die einfach so selber hingebastelt hast, dachte eher, jetzt hat der sich einen Profi genommen, um dieses ewige pseudokindische Hingewürfelte der deutschen Webplätze zu einem angenehmen Hallo zu machen, aber eben wenn schon, denn schon.
Bis bald woauchimmer Maike!

Ralf Bönt Manhattan, - 07.09.99 at 23:31:23

Ps. Klar hat der Arlt recht, Stefan, deshalb sind wir beim Einloggen immer so zerrissen: hier Spaß oder Unendlichkeit dort? Ich habe keine Antwort, muß auch manchmal nachdenken, was mich nicht prinzipiell stört. Letztens sind wir dann aber umgezogen. Beim Umgewöhnen auf den neuen Kinderladen liefen ein paar Sachen schief, Bezugspersonen wurden reihenweise krank oder fuhren in Urlaub, ich gewöhnte drei Wochen lang um, Georg, drei Wochen. Wenn die anderen Jungs in dem Sandkasten anfangen, Dich als Ersatzpapi zu handeln, mußt Du rabiat werden. Aber das ist nicht die Regel.

RB - 07.09.99 at 23:49:34