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pool #6 07.07.-16.07.1999

pool #5 / pool #7

 

Ursula Döbereiner, - 07.07.99 at 0:14:10

Abends zuhause, Teil II: Es ist das Einsiedlertum, das ich am Literaturschaffen nicht aushalte oder nur schwer aushalte, jetzt weiß ich's. Ich mag mich vorm Computer nicht. Ist das blöd? Es ist aber einfach so. Ich mag mich zum Beispiel viel lieber im Schumann's, wenn mich Gesichter angucken und ich zurückgucke und rede und die Gesichter zum Lachen bringe, was ja nun überhaupt kein Problem ist, oder durchs Schumann's zum Klo schlendere an den Tischen vorbei und darauf achte, daß das gut aussieht: wie fast in echt. So, als müßte ich wirklich aufs Klo. MACHT DAS SPASS. Das Größte überhaupt bleibt eben einfach, sich mit Menschen zu unterhalten: das ist final, maximum art. Nirgendwo fühle ich mich so vielschichtig gefordert und in echt: So sicher. So gut. So am Leben. Danke, lieber Gott, daß es das Schumann's gibt. Die Partys, zu denen die Menschen, die privaten, privat einladen, gibt es natürlich viel zu selten. Oder ich bin viel zu selten eingeladen. Was natürlich irre schade ist. Denn ich bin natürlich: der ideale Partygast.
Auch ist das Drinnensitzen beim Schreiben nicht gut. Es müßte draußen, mehr in Bewegung, stattfinden. Draußen - laufend, Luft schnappend - gelingen die Gedanken. Sitzend geht soviel Frisches und Wahres kaputt - zerstückelt ins die-rechten-Worte-gefunden-haben. Bitte! Man stellt sich doch auch beim Sprechen nicht so an! Manchmal wünsche ich, es gäbe alles jemals von mir Gesprochene auf Diskette. Holla, man müßte viel streichen. Aber man hätte eben auch unwiederbringbar gute, die wesentlichen Absätze. Sprechen: ah! Luxus! Schreiben: immer nur die Behindertenlösung. Soweit.
Das Schreiben hat keine Aura. Es hatte nie Aura. Oder es hat seine Aura verloren. Es gibt viel zu wenig: Geld. Es dauert: zu lange. Es tut zusehr: weh. Und es macht krank. Ganz einfach: Ich erschöpfe mich rauchend beim Schreiben, nicht davon, daß ich soviele gute Sätze hinschreibe. Lange halte ich das nicht mehr durch.
Schreiben können alle. Nee? Doch. Das ist sicher so. Spreche eine(n) X-Beliebige(n) auf der Straße an, und er kann's - knapper, simpler, wuchtiger als du es später aufschreiben kannst, sagen. Das ist dann die beste: die sorglose, gerade, die gesprochene Sprache. "Was willst denn du?" Ey, entschuldigung, ich wollte Sie mal gerade etwas sprechend auftexten lassen, nur probeweise, jetzt, hier. "Ja. Dann verpisse dich mal." Ja, entschuldigung. "Wie?" Ja. "Ja, nichts entschuldigung. Tschau!" das hast du es. Pah!
Dem allen widersprechend, was ich hier gerade auftexte: Ich finde das nachts schreiben, wenn draußen nichts mehr passiert, so schön. Ich kennen gar nichts besseres. Gute Nacht!

Moritz von Uslar München, Deutschland - 07.07.99 at 00:43:33

antje dorn berlin - 07.07.99 at 16:15

in livas wohnung stapeln sich zeitungen, die sie regelmäßig mit paketschnur bündelt. sie stapelt sie entlang der wände. sie kann gar nicht genug davon kriegen. nur heute hat sie weiche knie, sie kann nicht einmal eins der bündel hochheben. rotwein. er war gar nicht so billig. in der cantina waren viele gesichter gewesen, neue, und mit jedem eine freundschaft in dem gelben licht, auf irgendeine weise. großes hallo, dann ging sie nach hause, saß glücklich an ihrem laptop, rauchte, suchte mehr wein und wollte das glück schreiben, sah aus dem fenster und rauchte weiter. sie schrieb nur einen satz.
der aschenbecher riecht. nach schlechtem gewissen. jetzt hält sie sich am tisch fest und liest den satz, der noch da steht, wo sie ihn zurückgelassen hat: 'tolle vibes, ich bin betrunken.' eine weile starrt sie noch auf den blinkenden cursor, dann dreht sie sich um und geht ins bad. tropfen klickten in den hof. plötzlich brüllend laut ein hip-hopstück, das nach zehn sekunden wieder leise gedreht wird. tropfen. sie steckt das kabel in die steckdose, dann fährt sie sich mit dem epilator über die beine. für einen moment überlegt sie, ob ihr von dem geräusch schlecht werden soll.

s.l. - 07.07.99 at 16:20:30

eMail von Elke bekommen,ob ich verreist sei. Ja, ich war wirklich verreist, aber nur für drei Tage. Den Rest der Zeit habe ich über meinem Romanmanuskript verbracht, genauer, der ersten Hälfte davon. Gestern nacht bis halbfünf redigiert, heute mittag Übergabe an meinen Lektor Carlo in den Pfälzer Weinstuben. Vom Manuskript ausgehend, besprachen wir überhaupt alles und tranken dazu jeweils 4 Viertel vom "Achter". Dann ging es weiter in den Verlag. Als Carlo in seinem Büro am Telefon gerade mit seiner Herstellerin redete, bekam ich einen kalten Schweißausbruch. Es war richtig böse, ich zog es nach einer Weile vor, mich auf den Boden zu legen. Carlo fand das nicht lustig und sagte immmer wieder, ich solle mich nicht aufregen, dabei regte ich mich gar nicht auf, mir war nur hundeelend. Dann kam Margit und sie beschlossen nach kurzer Besprechung, den Notarzt zu rufen. Dann Notaufnahme Alt-Perlach. Blutabnahme, Untersuchungen, schließlich: "Jetz' gönnen'S Ihnen amal a paar Tag' Ruhe Herr Oswald." Cool, ich wurde wie ein Workaholic bestaunt, der unter seiner Arbeit zusammengebrochen ist - als ob ich nicht ein beschauliches Leben führte! "Mit dem Taxi können'S jetzt aba net heimfahrn", sagte die Schwester und ging hinaus. Es kam niemand mehr, der mir gesagt hätte, wie ich denn sonst heim kommen soll, also bin ich, nachdem es mir wieder besser ging, einfach rausgelaufen - hat sich niemand darüber beschwert. Nachhause mit dem Taxi.
Hey Elke, ich bin am Mittwoch abend bei Martin im Arbeitsraum zum Fotos machen. Er hat gesagt, Du wärst da auch.

Georg M. Oswald München, - 07.07.99 at 22:48:57

hallo kinder, es war einmal eine richtig dunkle geheimnisvolle wüstennacht: hasen hopsten an mein fenster, hops,hops,hops, salamander bewachten henrys krippe, nina lag in der "twilight zone", seppli heult wie ein koyotenbaby. perfekte schreiberzeit, dachte ich (hallo moritz), und was passiert? ich schau mal kurz weg vom computer, aus dem fenster, und waaaazzzz: weisswürste am himmel über palm springs gesichtet. ganz deutlich: weiss, wurstig, wunderschön. wie ich sowas vermisste. manchmal fliegen sie einem direkt ins maul. direkt aus münchen. schaltete also gleich den radio ein: zur ablenkung, check-in, foxy-out! "power 106" on your fm-scale, cali caliente, schmeckt wie weisswurst an chilli-sauce, dabei wollte ich moritz bloss fragen: fühlst du das unklare? wenn du das fühlst, was du nicht kennst, dann ist das focusing. stand übrigens alles schon in tonio krüger: du bist es einfach sterbensmüde, das menschliche darzustellen, ohne am menschlichen teilzuhaben, huh,huh. du weiss nicht, was es ist, und doch ist es da. es hat sein eigenes leben. wenn du versuchst, es zu definieren, wehrt es sich und verneint das, was du dachtest. prost. hey, jetzt fürchte ich, dass du eine minute zu früh aufgehört hast, leben und gesichter zu lesen. schau mal, big boy, ein "felt shift" oder neue energie beansprucht eine ganze minute oder zwei. also konzentrier dich ein bisschen besser, wenn du schaust. ich hab das schon zuvor gesagt, aber jetzt, da du vielleicht so weit gelesen hast muss ich es wieder sagen. focusing, focusing und noch mal fuck-using. davon kann abhängen, ob du wirklich eine persönliche entwicklung durchmachst oder nicht. sonst gehts dir so wie meinem bruder eddy j. kummer. eddy hatte eine noch viel dünnere haut als ich. er hatte keines der auslassventile, wie andere talentierte golfspieler. er hat nicht getrunken, in bars rumgehangen, sich im spiegel betrachtet oder boys&girls gejagt. er hat gelesen und gebrütet und mit sich selbst im wettkampf gelegen. er wollte immer so sein wie diese mystischen kriegertypen, die er so sehr verehrte. und er wollte bis ende jahr die 500-000-dollar-preisgeld-grenze sprengen. dabei setzte er sich irgend etwas in den kopf und wurde zum berserker. die letzten wochen vor seinem tod war er zum beispiel besessen von der idee, sich zu rehabilitieren. er redete und redete und redete und wollte am echten leben teilhaben. dann machte ich ihn mit einem aktengeilen genie bekannt. der typ war eine art hollywood-guru, der all diesen kläglichen guru-anbetern riesensummen abgeknöpfte und ihnen dafür half, ihre problemchen zu verdrängen und so weiter. aber dieser guru konnte eddy auch nicht helfen. er schrie einfach ständig: ihr dreckigen ausbeuter-schweine. also schauten wir uns einige r.w. fassbinder-filme an. (das einzige gefühl das ich akzeptiere ist verzweiflung, oder ähnlich, huh,huh)) warnung vor einer heiligen nutte tut immer gut auf der brust. wie kräuterschnaps. besonders "haendler der vier jahrszeiten", auf grossleinwand am pool, (mescal noch besser) eddy kam richtig gut drauf. aber es war leider zu spät. das unklare machte eddy fertig. und niemand konnte ihm helfen. vielleicht hätte ich ihn besser ins schumann s geschickt. hier im fairfax-district von los angeles heisst die hey-leute-ich-lebe-bar "schuman" - nur ein n: jüdischer underground-klub, mit verwahrungszellen für leute, die beim posen denken. bis bald, in münchen, hotel enzian.

tom kummer los angeles, usa - 08.07.99 at 01:56:17

Die Swissair ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Die Swissair ist inzwischen so verkommen, dass ich mich schaeme, Schweizer zu sein. Es ist ja so, dass die Swissair einmal das Schoenste war, eine Art Meta-Schweiz, die Schweiz in kleinstkomprimiertester, direktester und hoechstvollendetster Form. Es gab Schokoladenfranken und Buntstifte, Postkarten mit Alphornblaesern und Schweizer Weissweine, die so gut schmeckten, dass man weder ein noch aus wusste vor lauter Schweizerglueck und Schweizerstolz.
Das ist alles vorbei. Es bleibt nur noch die Post von Nina Pelke.

Christian Kracht Bangkok, Thailand - 08.07.99 at 06:40:56

Morgens extra einen kleinen Umweg gegangen, am Muenster entlang, das heute in einem sonnigen Morgendunst stand. So ueber allem, so in die fast herbstliche Feuchtigkeit der Luft hineinragend, daß allein der Anblick schon erbaulich wirkt, etwas, zu dem die Buerger aufschauen koennen, das ihnen ein Maß gibt, an dem sie sich aufrichten, emporheben koennen, man schaut so die Strasse entlang und ploetzlich ist es vor einem, das durchgliederte Meisterwerk des gotischen Erwin, steht so unwirklich und doch so mittendrin da, daß man weiß, was zu schaffen waere, auch im Schreiben, um sozusagen am franzoesischen Morgen die bayerisch-Uslarsche Nacht-Schreibfrage wiederaufzunehmen und das ist es dann, doch letztendlich nur Schopenhauers "he enjoys himself in Paris", und, dem hinzuzufuegen, lediglich, describes himself in Strasbourg? "It is not enough, it is just a habit". Gang of Four.
Fernschach folgt, Herr Oswald, und auch herzliche Genesung!

Eckhart Nickel Strasbourg, France - 08.07.99 at 20:46:07

Aus welchem Buch, Herr Kracht, stammt folgendes Zitat:
"Man wird mich in die Maschine der Swissair setzen, die nonstop nach Genf fliegt, und von dort werde ich ein Flugzeug nach New York nehmen.
Swissair. Das schönste Wort der englischen Sprache."
Wie gesagt, den Titel des Buches wollen wir wissen, nicht den Autor: der heisst Philip Roth.
Und: Danke, Herr Dr. Nickel, es war kurz aber heftig. Will sagen: es geht schon wieder.

Georg M. Oswald München, Deutschland - 08.07.99 at 22:54:46

enter level 2
liest eigentlich jemand das gästebuch? wer auch immer stephanie ist, sie nennt uns alle zusammen weißweintrinker, das führt zu den fragen, die die fronten klären: teil 2. vor allem zu den antworten.
was ist pool? mehr als in unserem kleinen einführungstext steht, weit mehr. wir sind ja junkies, die sich täglich 10mal einwählen, unsere gedanken eilen dem pool voraus, was wird? freuen uns über die emails, schicken welche, rufen alle an, wie ist es, kommt okeh das ganze? schreibt jemand darüber? wen interessiert es überhaupt? freundliche antworten, durchweg, ja doch, der eine liest am liebsten tom kummer, der andere eckhart nickel und so weiter, keiner kommt zu kurz, auch der kleine ärger zwischendurch, weil elkes geschichte in der zeit erscheint ohne daß da was von pool steht wie versprochen, nicht einmal die adresse. pool muß ja da sein, was ist denn pool sonst, wenn keiner es weiß?
interessant auch, stephanie, daß wir denen von null mal eins auf die mütze hauen sollen. oder uns selbst. genau. ich haue gerne auf die mützen. wir zeigens denen, aber in einem sehr freundschaftlichen sinne, freundschaftlich nicht, weil einer zu höflich wäre, sondern weil ein platz ist, ein solcher raum für solche dinge, daß nie genug davon da sein können.
warum ich das schreibe? auch weil der pool weiter muß, genauer sein, offener, 'den prozess des schreibens, des künstler seins, die arbeit offenlegen muß', wie nicht ich, sondern jemand anderes es treffend gesagt hat. ich rede nicht von einer peinlichen nacktheit, die man jedem ins gesicht halten muß, sondern vom sichtbarmachen des geschehens, das was wirklich passiert. weswegen man schreibt, künstler ist in einem ganz alten sinne.
so sehr steckt der pool in meinem hirn, das leise überlegen darüber, die gedanken und die schlüsse, zu denen das alles führt, daß ich merke, daß noch einiges darüber gesagt werden muß. hier. jetzt. schon von anfang an sollte es ja ein reden aller über pool geben, im pool, nicht nur aus eitelkeit, nein, sondern um sich gegenseitig den gedanken des networks klarzumachen, wie das funktioniert und wie so ein pool beschaffen sein muß, um eine form der klarheit zu schaffen, die doch jeder vermisst hat, ich zumindest, eine klarheit, die ja persönlich untereinander funktioniert, meist, in den emails, die man sich schickt, überhaupt, aber nie an die öffentlichkeit tritt, weil man sie dann doch für sehr privat hält. oder weil es bisher keine form dafür gab.
der pool ist eine sich selbst verändernde idee.
ich liebe jeden text, der im pool steht, wahrscheinlich weil ich verrückt bin und gerade nichts besseres zu tun habe. nein, weil jeder text gut ist, jedes bild, jede idee und was ich darauf folgend sagen will ist: es ist erst ein teil, der anfang, es ist platz für mehr.
enter level 2

sven lager berlin, - 09.07.99 at 16:10:23

nachtrag. häufig gestellte fragen/die antworten:
1. nein, wenn man uns mailt erscheint es nicht automatisch im gästebuch. aber das gästebuch steht jedem offen. jedem.
2. nein, es schreiben nicht nur journalisten im pool. manche sind auch journalisten.
3. ja, alle, die auf der teilnehmerseite stehen haben zugesagt, auch wenn sie noch nicht geschrieben haben. es werden noch mehr sein, weil es auch noch gäste geben wird, die nur für eine bestimmt zeit schreiben werden.
4. ja, thomas kapielski haben wir auch eingeladen. schon darüber geredet im pool, leider erst einen tag nach der bachmann preisverleihung angerufen. pech, weil er hat noch nicht geantwortet.
5. ja und nein, alle autoren können zusammen lesen, sicher, pool kann, wird mal in der öffentlichkeit vorgestellt. aber am schönsten liest es sich doch zuhause, oder?

s.l. berlin, - 09.07.99 at 17:29:41

Es ist Freitag abend und ich weiß nicht, wie ich so ein Wochenende ohne pool ueberlebe, aber es geht schon und draussen faengt es gleich zu regnen an und ich weiß ja, am Montag sind alle wieder da und es ist schon wie frueher als Kind, wenn man weiß, obwohl man es nicht zugeben will, daß die Eltern wiederkommen nachher, und sie haben ja auch ihren Spass verdient, letzten Endes, und trotzdem und vielleicht auf Wiedersehenn, denn sicher ist ja nichts und wer weiß, was sich im Auto vor mir nachher abspielt und ich drehe gerade am Sender, eine Zigarette im Mund, das Madonna-Lied kommt und ich bin gluecklich und der Vordermann schert betrunken aus der Reihe und ich rase rein und das letzte Bild, das ich sehe, ist so ein Bild des Regenabendhimmels von schraeg unten, kurz vorm Ueberschlag und alles, was dann uebrigbleibt, das singt Madonna in die brennende zerquetschte Unfall-Szenerie hinein: Have you heard of the beautiful stranger?

Eckhart Strasbourg, France - 09.07.99 at 18:54:28

ich lese gerade ein buch von lily brett, das mir in einer tour gänseschauer über den körper jagt. so einfach, so ehrlich so bewegend. auch die sprache. ich habe derzeit ein sprachproblem und will gar nicht mehr schreiben. christian kracht hat einmal gesagt es gibt ein form- und ein tonschreiben o.s.ä.. ich habe sofort geglaubt zu verstehen, was er meint. ich liebe moritz pooltexte. sie jagen mir auch gänseschauer über den körper und ich sitze nachts allein im dunklen zimmer vor dem monitor und auf einmal ist er mir so nah, wie sonst nie; oder tom in seinen wüstennächten. peinlich? ich mag nicht mehr schreiben wie ich. permanent sage ich texte ab: tut mir leid, kann ich nicht, geht nicht - weil ich nicht mehr ertrage, was ich schreibe. ich schreibe viele e-mails. superknapp, sprache auf das nötigste reduziert. reine mitteilung ohne schlenker. das geht. nachts schreibe ich nie, immer nur morgens. ob der zeitpunkt die sprache verändert? heute abend, nach einem film von meinem lieblingsfernsehregisseur dominik graf und anschließendem späten bauernfrühstück sitze ich am text. nächste woche in fürstenfeldbruck. und dann am mittwochabend, lieber georg, beim martin fengel in der werkstatt. gute nacht, da draußen.

elke naters berlin, d. - 09.07.99 at 23:30:18

 

Lieber Sven, du schreibst von dem kleinen Ärger darüber, daß bei Elkes Artikel in der Zeit kein Hinweis auf den pool steht. In der Zeit Nr.28 ist ja nun der Hinweis gekommen. Er ist so toll geworden, daß ich hier, falls jemand zufällig gerade die Zeit Nr.28 nicht lesen kann, die highlights nocheinmal bringe.
"Diese Hitze!" stöhnt der anonyme Redakteur Am Speersort.
In pool schreiben "ein paar Vertreter der allerjüngsten deutschen Literatur". "Ein paar Vertreter" ist gut("ein paar" heißt:scheißegal wer). Was ist "ein Vertreter der Literatur"? Jemand mit Musterkoffer?
"Wie Handtücher auf der Liegewiese breiten sie unter www.ampool.de ihren Alltag aus." Warum nicht die Handtücher ausbreiten im Alltag der Liegewiese? Oder die Liegewiese ausbreiten wie den Alltag im Handtuch? Wäre auch nicht weniger verstrahlt.
"Notate von Berufsjugendlichen, die nicht erwachsen werden wollen - alles schön leichtfertig, ein Sommernachtsschaum." Hier fehlt eindeutig: "Sommernachtsschaum, der auf der Zunge zergeht", zum Beispiel.
"Keine Kunst, keine Literatur will das sein..." - na, anders kann man das doch jetzt, wo dieser Artikel hier zitiert wird, gar nicht mehr nennen.
"Rainald Goetz schwebt mit seinem Internet-Tagebuch als Vorbild über den Wassern. Auch er soll sich am Pool tummeln, doch noch begnügt sich der Oberbademeister mit einem lapidaren 'aufreisen'."
Ich stelle mir einen über den Wassern schwebenden Oberbademeister vor - der wäre mir wirklich ein Vorbild! Und: Rainald Goetz hat hier bisher zwei Wörter 'reingeschrieben - AUF REISEN -, und die zitiert der Zeitredakteur - alles andere wär' ja gelacht - falsch. Wahrscheinlich hat er bei soviel "Pool"- und "Liegewiese"- und "Handtuch"- und "Sommernachtsschaum"-Gefasel schon längst ans "Aufreissen" gedacht.
Eine Klimaanlage wär'ihm zu wünschen, damit's Köpferl wieder abkühlt.

Georg M. Oswald München, - 10.07.99 at 01:45:36

1.) Da ich in Asien lebe und die "Zeit" hier am Internationalen Kiosk - voellig zu Recht - etwa achtzehn Mark kostet, habe ich diesen Artikel leider nicht lesen koennen, Herr Oswald. Aber die Beispiele, die Sie nannten, begeistern mich. Erinnert mich die "Zeit", gerade doch dieser neue, bunte Mittelteil "Leben", der eigentlich genauso treudoof-crazy ist wie das alte, voellig zu Recht eingestellte Zeit-Magazin, immer an ein schlecht rasiertes Tranvestitenbein. 2.) Die Antwort auf Ihre Frage nach dem Buch von Phillip Roth kann ich leider nicht beantworten, da ich solche Ferkeleien wie das Zeugs von Roth nicht lesen mag.

Christian Kracht Bangkok, Deutschland - 10.07.99 at 06:08:38

Danke, Frau Ursula Döbereiner! Ihre freundliche Raucherin lässt mich pool 6 immer mit besonderer Freude anwählen! Und danke Herr Doktor Nickel! Ich habe die Solid Gold wieder in meinem Plattenschrank gefunden!Why Theory?

Georg M. Oswald München, - 10.07.99 at 16:19:00

Und, danke, liebe Hanne Reinhardt aus Hameln für Deinen Eintrag ins Gästebuch. Dein Satz "Schlimmer als Nooteboom sind aber Büchner und Zoe Jenny" beweist, daß in Dir eine große Schriftstellerin steckt. Ich meine das todernst, ohne jede Ironie. Jemand, der so einen Satz geschrieben hat, kann schon nicht mehr in die Hölle kommen. Aber das werden Menschen, die Deutschlehrer geworden sind, natürlich nie im Leben begreifen. Sie müssten sich ja sonst sofort umbringen!

Georg M. Oswald München, - 10.07.99 at 16:32:06

ein mann liegt auf dem gehweg. er hat einen weißen schmalen bart um den mund und ein polizist mit grünen lederhandschuhen gibt ihm immer festere ohrfeigen. 'wachen se auf mann' schreit der polizist. markus, daniel und sabine und ihre freundin tanja laufen auf der straße, die gesperrt ist. rafi ist auch dabei. in dem gedränge vor dem zoo stößt er einen verkäufer um und sie rennen hoch zur s-bahn, rafi mit einem bündel der roten armbändern in der hand. es riecht nach haarspray und schweiß und rafi will die armbänder gleich weiterverkaufen. aber jeder raver hat schon eins. markus findet das ganze scheiße, nimmt aber auch eins, weil es als fahrschein gilt bis zum nächsten abend.
'los, sonst erwischen die uns noch' sagt sabine und kichert. sie ist ein wenig dick, hat aber sehr schönen glitter in ihrem gesicht.
'scheißt euch nich in die hosen' sagt rafi und schubst sie und sie und tanja steigen schnell in den nächsten wagen. sie finden das ganze wunderbar.
liva sitzt neben ihrer flasche mineralwasser und sieht die menschenmengen im fernsehen. marusha legt auf. der moderator sagt 'die königin der disc jockeys, die queen der plattenreiter' und sie denkt an die geschichte von lorenz, der marusha mal interviewt hat und die dann nur meinte, 'geil der markies dee schadee, der schreibt so voll frivole sachen, das lese ich gerade am liebsten.' marki dö sadh, sagt liva. sie muß es sogar jetzt noch verbessern, zum hundertsten mal. sie starrt weiter auf den fernseher, der über der siegessäule schwebt, dann steht sie auf und sucht ihr rotes kleid. vor dem spiegel malt sie sich mit dem lipliner eine linie unter und eine über die augen und geht los.
bumm bumm.

(die zeit stimmt schon nika und mika, es ist die uhr großen rechners, der hier in berlin über uns wacht. hal kennt keine weltzeit. und verdammt, ich bin eingeschlafen mit dem kinderbuch in der hand. vor den kindern. mit einer langsamen schleppenden stimme wollte ich sie einschläfern. markus und sabine und tanja und daniel und rafi und liva, das war gestern um sieben. also müssen sie heute auch noch was erleben)

markus und seine freunde stehen vor dem tresor mit den anderen, die auch keinen eintritt bezahlen wollen. autos parken auf dem gehweg. um sie herum und auf ihnen stehen leute, die zu der musik aus dem garten tanzen. es dämmert. als liva die augen öffnet sieht sie lars johann. er hat wieder einen anzug an und tanzt einen langsamen disco mit einem mädchen, das ganz rot ist im gesicht. sonst nur t-shirts, die hell und dunkel sind vom schwitzen. trotz der lauten musik sieht sie in den himmel und denkt es ist still. ein gedämpftes grün und blau ist da wie aus einem anderen jahrhundert. sie geht raus zu ihrem fahrrad, dann fährt sie vorbei an daniel, der immer wieder von hinten auf tanja springt. sie hört markus dazu gröhlen. im tiergarten laufen müllmänner um die zelte herum und rauchen, umkreisen die pärchen, die engumschlungen auf ihren isomatten liegen. einer ascht in den becher, der neben einem kopf steht, mit tee. für einen kurzen moment, den sie erst ein paar sekunden später versteht, sieht sie einen hasen hinter einem baum, der wartet, bis sie vorbei ist.

s.l. berlin, - 11.07.99 at 09:33:09

berlin sonne. münchen regen. war das bisher nicht immer umgekehrt?

sven lager berlin, - 12.07.99 at 11:36:51

We live, as we dream, alone. Gang of Four.
So schreibt und denkt ein kleiner Fisch im Tummelbecken, der dem tollen Feuilleton-Fischer aus der ZEIT mit seinen fetten Textpranken (Metaphern von Berufsjugendlichen, schlimm!) gottlob entwischt. Bon appetite! Nein nein, irony is over.

en sb, fr - 12.07.99 at 21:09:53

Eine Woche war ich wieder mal in München, die Stadt, die Gott lieb hat. Jede Ecke Kinheit, keine Straße ohne Sex. Das schöne, summende München...nun ja.
Die lieben Daheimgebliebenen sind zu merkwürdig depressiven Aktionären mutiert, in festen 2erBeziehungen und ohne Sex. Gut, daß ich da weg bin.
Wer keine gute Laune hat, dem soll man eine knallen.
Das Spiel mit den Buchanfängen ist doch reichlich schwer -denn wer hat denn schon die selben 1000 Bücher gelesen und kann sich noch an den Anfang erinnern?
Z.B. "Um das Jahr 1850 ließ sich im elsaß ein Lehrer mit allzu großer Kinderschar dazu herab, Krämer zu werden..."
Gratuöiere Christian zum Erkennen vom India a surcival kit.
Frankreich und die Niederlande haben übrigens eine gemeinsame Landgrenze auf St. Martin, bzw. Sint Maarten auf den Antillen. Okay, welche ehemalige deutsche Kolonie hat die Datumsgrenze verändert? Welches deutsche Bundesland hat keine Hauptstadt?

£or¤n$ berlin, - 13.07.99 at 00:24:04

ihre lieben freunde, jetzt werden wir mal ein paar leute einladen, die euch die hauptstädte um die ohren knallen, die so abgedreht und gefährlich sind, daß selbst den kinderreichen lehrern und krämern im elsaß das 'india a survival kit' aus der hand fällt.
willkommen in der welt der elektroströme. cursor blinkt, die lüftung macht dieses geräusch, daß jedem gerät den menschlichen zustand erschöpften daseins verleiht. ich sehe ins licht.
-ein mensch auf der loveparade erstochen und alle sagen: ja, das ist doch relativ wenig, überhaupt. ständig war das so, latent, daß gleich was passiert, so eine spannung, vor allem an den bahnhöfen.
-studentenaufruhr im iran. auch ein toter, aber aus einem anderen grund. mehr als 70% der bevölkerung im iran ist unter 26. wäre hier auch nicht schlecht. mehr als 70% auf der loveparade waren unter 26, aber keine studenten.
-der tresen im kumpelnest wird heute neu gemacht. zuviele löcher drin, sagt das gesundheitsamt. was sind relevante nachrichten?
-manche mögen den regen, manche fürchten ihn, wir stehen unter bäumen, haben noch mehr angst. buchen suchen. wie sieht eine buche aus? es donnert direkt über uns. angst vor der veränderung. dem blitz. doch weiter weiter, denke ich, alles muß neu, gehe in den regen. sommerregen verdammt, wie konnte ich vergessen wie schön das ist. die kinder singen auf dem fahrrad. später radle ich vorbei an polizisten, die mit mps in harmlosen hauseingängen stehen. sie plaudern. interessiert sie nicht mehr, daß man auf dem gehsteig radfährt. gibt jetzt wichtigeres in der hauptstadt: paramilitärisches posen. mal da, mal da. eine mit mp lächelt, bleiweste unter dem grünen kampfdress aus atmungsaktiven material. der bursche im bioladen findet die ganz okeh, saß neulich mit so einem kontaktbereichsbeamten zusammen, der hat alles das ausgesprochen, was er nur so denkt, sagt er, umweltgifte, die politiker, die abzocken, kosovo, asyl, warum mülltrennung nicht funktioniern kann. jetzt fragt er mich, ob ich daß okeh finde, wenn er als bioladen im polizeisportblatt werbung schaltet. nein, sage ich. oder? ja mann, mach das, sage ich, du mußt da werbung schalten, gerade du.
(ist das die veränderung, die ich wollte.)
-elke liegt im poststüberl in fürstenfeldbruck. bei den bayrischen litaraturtagen. wir telefonieren um ein uhr nachts. ihr ist schlecht vom wurstsalat. kriegt das zittern. sie soll doch bei jemandem klopfen, sage ich. nee, lieber nicht. wo sind denn die anderen schreiber, da kann man doch nachts klopfen oder? weiß nich, sagt sie. schlafen unruhig, werden gejagt von stipendien. die freuen sich, sage ich, wenn mal nachts jemand klopft in fürstenfeldbruck, ganz sicher, auf dem bett sitzen, ein bißchen reden. irgendwie habe ich mir das anders vorgestellt aber es geht ihr schon besser.
mögliche teilnehmer/gäste, deren namen genannt wurden:
jonathan meese
elke krystufek

s.lager b., - 13.07.99 at 12:36:37

Danke, Georg M. Oswald für Ihre Freude an der Raucherin. Es ist Gena Rowlands, ich bin mir nicht mehr sicher in welchem Film. Jedenfalls spielt sie die Mutter von Holly Hunter, die irgend ein Problem hat. In der Szene, die ich gezeichnet habe, sitzt sie glaube ich in ihrem Garten, wenn ich mich richtig erinnere ist eine Hecke und ein Haus im Hintergrund. Sie raucht also vor sich hin, bis sie merkt, daß jemand auf sie zu kommt den sie kennt.

Ursula Döbereiner Berlin, - - 13.07.99 at 18:01:01

In tiefer Melancholie befangen sitze ich nach dem Kinderturnen schweigend bei einer Maß König Ludwig Dunkel im Biergarten an der Hauptschießstätte mit meinem Sohn Simon, der eine Apfelschorle trinkt und auch schweigt. D.h. er schweigt nicht ganz, alle zwei Minuten, wenn ein Zug an der nahegelegenen Bahnstrecke vorbeifährt, sagt er: "Wieder einer."
Am Hauseingang lese ich, daß es diese Wirtschaft seit 1406 gibt. Das ist ja eigentlich auch schon viel zu lange.

Georg M. Oswald München, Thailand - 13.07.99 at 19:00:28

Dabei fällt mir noch ein, daß mein Sohn mir erzählt hat, er hätte in der Zeitung gelesen, daß Erwachsene, einen Film den sie im Fehrnsehen gesehen haben innerhalb von vier Tagen zu 100% vergessen können.

Ursula Döbereiner Berlin, - 13.07.99 at 19:15:04

Ich finde es schade, daß ich jetzt weiß, um welche Person es sich bei der wunderbaren Zeichenfolge von Ursula Doebereiner handelt. Ich hatte so eine Vorstellung von einem spaetnachts, kurz vor dem Betreten des pools gezeichneten Selbstportrait, rauchend, und in unendlicher Gelassenheit den Bildschirm und die Palavernden um sie herum anpustend, Ursula Doebereiner. Macht die Zeichenfolge aber keinen Deut weniger schoen. Ausserdem habe ich die Tatsache, daß es die ebenso wunderbare Gena Rowlands und nicht Ursula Doebereiner ist, in spaetestens vier Stunden vergessen. Ich sehne mich nach mehr Bildern, der Rest: Damaged Goods, send them back.

Eckhart Strasbourg, Frankreich - 13.07.99 at 19:48:43

Ich wäre auch niemals auf Gena Rowland gekommen. Ich stellte mir vor, daß Ursula Döbereiner eine Bekannte oder Unbekannte im Café beobachtet und die Abfolge der Mimik (die wirklich geradezu berückend ist)in ihrem fotografisch geschulten Gedächtnis abgespeichert hätte, um sie dann als Zeichnungen zu reproduzieren. Ich mag diese Bilder gerne, weil sie etwas Realistischeres, nur scheinbar Genaueres weglassen und sich die Autorschaft/Künstlerschaft durch das, was weggelassen wird, manifestiert. Das hat Understatement und Ironie, und das ist schön.
(Ja, ja,ich weiß es selbst: Geschwollen über Kunst daherzureden ist nun wirklich das Letzte, aber manchmal sind solche Dinge eben unvermeidlich.)

Georg M. Oswald München, - 13.07.99 at 20:05:00

Kann einmal bitte jemand sagen, wer Ahmet / Britta im Gaestebuch ist? Ein Meister. Einer der ganz, ganz Grossen.

Christian Kracht Bangkok, Thailand - 14.07.99 at 12:18:04

'was für schöne häuser das sind', sagt livas mutter, dabei muß sie ihren rock hochheben beim fahrradfahren, weil er sich sonst verfängt in der kette. in der goethestraße bleibt sie lange stehen vor dem haus. liva hört eine weile zwei engländern zu, die vor einem bookshop stehen. breitestes cockney. dann zieht sie ihre mutter die treppen rauf in den vierten stock. sie hat sich taschentücher in den bh gestopft und jetzt im zweiten stock fummelt sie sie wieder heraus. 'so ein scheiß,' murmelt sie 'is doch albern', während die mutter andächtig ein jugendstilrelief streichelt. 'hier nimm das,' sagt sie zu ihr, damit sie es in ihr tashe steckt und dann zieht sie sie weiter hoch die stufen. sie hat immer so ein rheuma in den knien.
junge menschen stehen am eingang und drehen sich um mit dem glas in der hand. es ist immer das gleiche, denkt sie, wie in einem film, der anfang, man kommt rein zu einer party, dann geht sie zu dem tisch, an dem zwei studentinnen stehen mit schürze. sie nimmt sich zwei gläser mit wein. es sind die gleichen bilder an den wänden wie vor zwei wochen und im laufe des abends redet sie einmal mit dem künstler, der ihr erklärt, wie er die farbe von einer leiter auf die styroporplatten schüttet und die kleckse dann mit einem heißen draht ausschneidet. so hängen sie an der wand. sie schauen sie eine weile an und dann sagt sie, 'das ist doch bestimmt so ein harz, das man für surfbretter nimmt, oder?' weil sie das schon weiß von einem anderen und er freut sich. gerade noch hat er sich darüber geärgert, daß eine der studentinnen gegen seine grau bemalten styroporkartons am boden getreten ist, aber liva dreht sich um. da ist noch ein taschentuch, das sie drückt. wahrscheinlich macht es so eine beule, daß jeder denkt sie hätte da ein geschwür auf ihrer titte und sie will schnell aufs klo, aber jemand hat sich eingesperrt und andere warten davor und sie will nicht auch dastehen unter den leuten, also geht sie ins letzte zimmer. einer kniet auf dem boden und macht soße auf die shrimpsbrote. ein anderer sitzt auf einem sofa und raucht mit geschlossenen augen eine zigarette. also stellt sie sich schnell an die wand und fummelt das ding raus. sie dreht sich wieder um und beide männer schauen sie an.
'wir fangen aahan' sagt jemand und klatscht in die hände. tim staffelt steht vorne und schaut auf seinen text 'benzin'. vor einem jahr, vielleicht auch vor zwei hat sie ihn gesehen, dünn, wie er gebückt in seinem kapuzenpulli in der schlange an einem buffet stand. jetzt steht er gerade, noch knochiger mit einer handbreit grauem haar auf den schläfen. das ist berlin, denkt liva. ein bißchen erfolg und schon grau. so ist es jetzt. das ist die aufmerksamkeit, die plötzlich über einen hereinstürzen kann in den medien. vor ein paar jahren noch wäre er der gleiche gewesen, ein exstudent, der erschöpft seine abgelehnten manuskripte zu hause stapelt. einer, der halt auch schreibt. und jetzt dieser hype. die die vor ihm gelesen hat fing an mit dem satz: ' als die amerikanische leinwanddiva und der gutaussehende starschauspieler am besseren ende der welt heirateten...' oder war es irgendetwas mit ikone und junger schauspielgott?
staffelt erzählt was von beton, der langsam in seinem hirn hart wird und durch den er zu dringen versucht. eine krankenschwester steckt seinen schwamz in eine flasche, aber er kann nicht. was ist geworden aus berlin, de´nkt sie plötzlich. das scheitern war früher viel bescheidener, ein wenig. ex und pop und senatsstipendien, die nie kommen wollten, der glamour im kumpelnest für einen abend und bands, die versuchten zu sein wie nick cave. so ein ddr-gefühl überkam sie und sie wußte nicht, ob sie froh sein sollte daß das alles vorbei war oder eben nicht.
so ein dorf war das mal, ein riesiges dorf, dieses berlin. auch nach der mauer. die einen waren rock'n roll, andere wieder sonic youth oder überlebende einer neuen deutschen welle. die einen malten, die anderen waren schwul, völlig absurd wie sich das getrennt hat. stämme, die unter sich geblieben sind. die einen waren verrückt nach thomas pynchon, die anderen waren eher für faßbinder. irgendwie lief immer alles aneinander vorbei.
das erstemal, als liva in hamburg war, saß sie bei ein paar jungs, die fußball guckten und joints rauchten, sich in der halbzeit stritten, ob sie jetzt rocko schamoni hören sollten oder northern soul und mit denen sie dann trinken ging auf der reeperbahn und alles war gut. die stadt war eins. alle waren eine stadt und sie war glücklich gewesen, ohne zu wissen warum. und wenn matthias aus münchen sie besuchen kam, dann erzählte er von dem und von dem und wußte immer genau bescheid, wer von seinen münchnern auch gerade in berlin war, nur sie konnte keinen sehen, nur eine leere stadt, in der sie keinen kannte. und jetzt war es so, als hätte einer das licht angemacht und die gleichen kleinen figuren wie eh und je, die standen jetzt plötzlich im licht, ganz geblendet von der neuen mitte in der sie plötzlich waren.
'komm mamma, wir gehen,' sagt sie und zieht sie durch die leute und als sie die treppe runtergehen, kommt ihnen der biesenbach von den kunstwerken entgegen, wie ein jesus aus einem achzigerjahre film, in begleitung seiner jünger. das war ihr auch aufgefallen an staffelt, daß der genauso seine adepten dabei hatte, jungs und mädchen, die sich in die seiten knufften als er las oder einfach nur so mit jungernsten und aufstrebenden gesichtern an die wand starrten.
liva poltert ein wenig auf den holzstufen und sie denkt dran, daß sie das geräusch jetzt gerne in ihrem bett hören würde, den gedämpften lärm und das ausklingen der party. vor einem erleuchteten geschäft bleiben sie noch einmal stehen mit ihren fahrrädern. zwei zierbäume stehen da in italienischen tonkübeln und daneben hat jemand noch ein paar scheite einer birke gelegt wie für ein riesiges kaminfeuer. so, denkt sie, so kenne ich berlin gar nicht, daß man etwas draußen stehen lassen kann in der nacht. sogar ohne anketten.

s.l. berlin, - 16.07.99 at 03:36:12


super, so jetzt gehts los. premiere fuer munz. heute wieder voellig uebermuedet in einem stockdunklen digital wahnsinnsstudio gesessen. viel gegaehnt. dann filmrollenwechsel. zeit fuer eine tasse nescafe ohne creamer bitte, yes thank you, no sugar und dann mich von reinalds pop celebration 90's viel zu spaet anwehen lassen. erst hab ich mir wehmuetig barbara auf einem photo von hinten angesehen. dann faengt alles so schoen an mit der hitze tokios und eben dem buch das da nur so liegen muss und einen anweht. spaeter dann endlich aus der aircondition in den echten analogen tropischen wind herausgetreten und mich gefreut, dass ich negativ getestet habe auf elephantitis. ist eine der drei grundvoraussetzungen, wenn mann eine arbeitserlaubnis in thailand haben moechte: keine elephantitis. wie sie das festgestellt haben ist mir schleierhaft. ich glaube als doctor whunpen (say: one pen) mir mit ihrem one pen ueber die fussohle gestrichen ist, wahrscheinlich. weiss hier jemand mehr? wie stellt man elefantitis fest? das einzige, was mich jetzt noch beunruhigt, ist, dass in meiner application form fuer die arbeitserlaubnis unter staatsangehoerigkeit "dutch" steht. hat die sekretaerin des anwalts da so reingeschrieben. ich habe erstmal nichts gesagt.
ulrike: schreiben dauert nicht zu lang! das geschriebene steht dann nur so lang!

eva munz bangkok, thailand - 16.07.99 at 06:41:57

heute morgen.
motel 6 in bellflower-city. gekritzel an wand über elektrischer kaffekanne:
mann raucht zigarette
mann spritzt ab
mann macht frühstück für frau
mittag
es regnet. zwei frauen betreten das teehaus elixier mit wassertropfen auf ihren wangen. zwillinge. sehen aus wie gena rowlands in "a woman under the influence". rauchen verboten.
abend
jones-restaurant. essen mit martin parr. erzähle story von charlton heston: uriniert täglich in seinen garten. nachbar erwägt rechtliche schritte. ben hur drohen 1500 dollar busse wegen freiluftpissen. parr plant fotoessay: "ferkeleien" für die schöne welt.
gute nacht

tkla - 16.07.99 at 20:45:06