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pool #5 01.07.-06.07.1999
pool #4 / pool #6
Gerade eben standen wir mit Karin Graf und Jürgen Halbreiter auf dem
Balkon von Ingeborg Wiensowki. Halbreiter fragte mit halbrauher, von seiner eigenen
Tigerzunge aufgerauhten Stimme: "Haltet ihr mich für eine Schwuchtel, Ihr
Säue?", während er seine linke Hand an einem doldenförmigen Sektglas auf und ab
gleiten ließ und seine Rechte, nach Moslemart, zwischen Unterhose und Hosenbund schob. Er
schrie: "Nur wegen dieser Tigerszene, die Transformation meines Helden in eine
Tigerin, die heißen Spritzer - die sich bewegende Brut - reicht euch das um mich als eine
Schwulette abzukommandieren?" Wir waren sprachlos. Elke Naters trat dazu. Im Gehen
kaufte Joachim Bessing dem anwesenden und auch ausstellenden Künstler Dieter Detzner eine
Spritzgußplastik (ab: 2600 Mark) auf das Versprechen hin, ihn im demnächst im
Ullstein-Verlag durch Dorle Maravilla lektoriert erscheinenden "Tristesse
Royale" lobend zu erwähnen. Detzner, von der Kauflust der Star-Autoren
"overwhelmed", verließ diese Vernissage im Jubelschritt. Die Lokalrunde im
benachbarten "Vagabund" werden seine Gesinnugsgenossen so schnell sicher nicht
vergessen. Es gab "Sex on the Beach" und "Kurze".
Christian Kracht & Joachim Bessing Berlin, Deutschland - 01.07.99 at 02:14:30
Nachtrag: "Halbreiter" heißt selbstverständlich
"Findeiß", das sahen wir erst jetzt. Auch er landete mit uns & Detzner
schließlich im "Vagabund". Dort war auch auch ein berühmter deutscher
Modedesigner aus Potsdam unterwegs, der uns den Weg zur wahren Vagabunderei zwischen Theke
und Toilettentrakt weisen wollte. Wir lehnten ab, denn wir waren ja mit Findeiß und
Detzner zusammmen gekommen.
Vielleicht entging uns Einiges. Doch Findeiß war ein Meister, ein Chef. Er zeigte uns den
richtigen Weg. Zuhause, später dann bei Findeiß selbst - wir mußten stehen, er hat
keine Möbel außer einem Holz-Pult, den auch der muskulöse Franz Josef Wagner in seiner
Axel-Cäsar-Suite am Olivaer Platz sein eigen nennt, führte er uns ein in die Feinheiten
des Desperados der Fröhlichkeit.
Danke, Findeiß, Du Desperado mit den zwei Säbeln. Gerne kommen wir wieder. Wir schwimmen
gerne in Deinen Wassern.
Christian Kracht & Joachim Bessing Berlin, Deutschland - 01.07.99 at 02:51:47
Zur Nacht: Brad Davis spielt in "Midnight Express" den zu
Unrecht verurteilten amerikanischen Hasch-Bastard. In welchem Film gibt er einen
schüchternen Seemann? Der vorhin erwähnte Findeiß bekommt nur einen halben Punkt, alle
anderen einen Ganzen. Nun, wer war´s?
Christian Kracht & Joachim Bessingm Berlin, Deutschland - 01.07.99 at 03:02:12
es gibt neues zu sehen, auf der teilnehmerseite, von antje dorn und tom
kummer.
e.n. b., - 01.07.99 at 14:29:25
Ich bin wieder zurück aus Vigo in Spanien. Vigo ist eine Hafenstadt am
Atlantik gleich an der Grenze zu Portugal. Ich war dort eingeladen um meine Arbeit in
einer Ausstellung über Kunst mit neuen Medien zu zeigen.
Surfer gab es dort nicht. Also ich habe keine gesehen, überhaupt geht dort keiner ins
Wasser, weil es viel zu kalt ist und auch gefährlich. Dort hängen eigentlich immer rote
Fahnen an den Masten die am Strand stehen. An die Hozbrettsurfer im Englischen Garten kann
ich mich aber gut erinnern, weil ich als Kind, wenn ich mit meinen Eltern am Sonntag dort
spazieren war, immer großen Respekt vor ihrem Mut hatte. Ich habe mich immer gefragt ob
ich mich das auch trauen würde, wenn ich so alt bin. Hier in Berlin habe ich so solche
Jungs wiedergesehen. Allerdings zu einem Zeitpunkt als ich dann älter war als die. Die
berliner Variante ist eine Arschbombe in den Teufelsee, von einem Baum aus der am
Wasserrand wächst.
Die Ausstellung in Vigo ist sehr schön geworden und es gibt viel zu sehen. Unter anderem
eine schöne Videoinstalation von David Claerbout, Fotos von Paul Smith, mit jungen
Männern drauf die Spaß haben, Videos von Jenny Holzer, Yoshihisa Nakanishi, George
Barber, C-OO Film Corporation, Laura Kipnis, Tony Oursler und noch viel mehr, eine CD-Rom
Abteilung die ich allerdings nicht gesehen habe, weil ich statt dessen mir lieber die
Net.Art Abteilung angeschaut habe: http://old.thing.net/html/kippi.html,
http://old.thing.net/html/beecr, http://bbs.thing.net, http://www.ljudmila.org/,
http://www.funhaus.com/tvthesis/, http://www.superbad.com und andere.
Novos caminos, Casa das Artes, Calle Policarpo Sanz 15, Vigo, Spanien, bis zum 15. August
Ursula Döbereiner Berlin, Deutschland - 01.07.99 at 15:14:12
today:
lahm
lähmer
Lähmung
e.n b., - 01.07.99 at 19:36:24
Am Abend, Richtung Schwarwald auf der Bundesstrasse, wirkt der Himmel
seltsam statisch. Barocke Regenwolkenberge, Spektralabend. Das Wetter hat angehalten. Ein
Vorhang aus einem grauen Schauer, der vor das Fenster gezogen wird. Schluss.
en sb, fr - 01.07.99 at 19:47:10
Späte Beantwortung von Maikes Zivilistenfrage - ein APC war das, ein
Amored Personnel Carrier, mit aufmontierter Wasserspritze von zivilen Ordnungskräften
auch gerne zur "crowd control" benutzt, was ich einen sehr hübschen Euphemismus
finde. In Rangun, der Hauptstadt von Burma stehen für ebenjene Menschenmengenkontrolle an
jeder Straßenecke mehrere zeltförmige, mit Stacheldraht umwickelte Holzgestelle, mit
denen sie jeden Block innerhalb von Minuten in ein provisorisches Internierungslager
verwandeln können. Was mich an den legendären "Münchner Kessel" erinnert - in
welchem Jahr war das? - bei dem bayerische Einsatzpolizisten ein Häufchen Demonstranten
umringten und im Schichtdienst 24 Stunden eingekesselt ließen, was lokale
Boulevardblätter zu herzzereißenden Beschreibungen junger Studentinnen veranlaßte, die
ihre Notdurft unter den Augen hämischer Polizeibeamter verrichten mußten. Jaja, die
Bayern.
Das bringt mich zum heutigen Abend, den ich in Gesellschaft von Maxim durch die
Sommer-euphorisierte Landeshauptstadt radelnd verbrachte. Beim Stadtmuseums-Sommerfest
traf ich dann Wolfgang vom Stadtmuseum, der mir begeistert von ihrer momentanen
Ausstellung "Polizereport" berichtete. Dort stellen sie sagenhafte Memorabilien
aus 200 Jahren bayerischer Kriminalgeschichte aus, unter anderem eine Maschinenpistole des
Schwarzen Septembers (Olympia-Massaker 72) und einen Tausendmarkschein aus dem
Oetker-Lösegeld. Mein Lieblingsbanküberfall aus darf natürlich auch nicht fehlen.
Damals überfielen der Rammelmayer und sein bulgarischer Kumpel die Bankfilliale
gegenüber des Feinkost Käfer. Eine sensationelle Geiselnahme folgte, die vom Fernsehen
gesendet wurde, daran kann ich mich noch gut erinnern. Von den beiden haben sie dort die
Kapuzen ausgestellt. Feinkost Käfer schickte damals Semmeln für die Geiseln über die
Straße, ein paar Tage später leider auch eine Rechnung für die Semmeln an die
überfallene Bank. Auf alle Fälle werde ich mir die Ausstellung ansehen. Und wenn ich mir
die letzten Zeilen so betrachte, erscheint mir der Stream of Conciousness trotz
Nüchternheit so sprunghaft wie der eines Haschischrauchers, was mich zum Entschluß
bringt, morgen radikal auszuschlafen, was einem als Bewohner des Marienplatzes wegen des
Glockenspieles ja nur bis zum nicht allzu dekadenten Elfuhrläuten vergönnt ist.
Andrian Kreye München, - 02.07.99 at 01:31:06
Korrektur: Armored Personnel Carrier.
Die Amerikaner sind ja
tt hysterisch. Immer wenn sie mal wieder besonders gewütet haben, sind sie ganz
konsterniert, wenn aufgebrachte Volksmeuten einen McDonalds abfackeln. Das
Außenministerium veröffentlicht daraufhin dann nette "Travel Advisories" für
den reisenden Bürger. Auch vor Deutschland wurde da schon gewarnt. Vor allem vor
kahlköpfigen männlichen Einheimischen solle man sich vorsehen. Ich werde ihre neuen
Haarwuchspillen trotzdem nicht kaufen.
Andrian - 02.07.99 at 01:50:33
Meine erste Nacht in Strasbourg und es ist heiss hier auch abends. Die
Decken der Wohnung zerden nachts orange von dem touristischen Nachtlicht angestrahlt,
durch die Lamellen der Klapplaeden dringen Strahlen davon bis an mein Bett. Die Luft ist
von diesem Auslandsstaubgeruch erfuellt, der sich wie ein feiner Schleier uber meine
Riechsinne legt. Selbst Abgase haben hier ein gutes Aroma. Vom Glockengelaeut des
Muensters (Hallo Andrian!) aus dem Schlaf geschaukelt. Wunderbar, unter den hohen Cirren
eines franzoesischen Sommerhimmels zu erwachen.
eckhart strasbourg, frankreich - 02.07.99 at 09:31:12
Von wegen elf. Das hat man von "zentraler Lage". Irgendwann wird
es sicher Audiodateien auf "pool" geben, dann können wir das Klangpanorama des
jeweiligen Aufenthaltsortes aufladen. Im Moment wären das eine peruanische
Panflötengruppe (gibt es eigentlich irgendeine Fußgängerzone auf dieser Welt, wo die
nicht spielen? Ja, gibt es, natürlich in Lima, Peru, da spielte eine Combo hübsche
Boleros, zu der sich elegant gekleidete Rentner innig übers Pflaster schoben), ein
Kammerorchester aus polyphon gestimmten Schlagbohrern und Steinschleifern, die sich an
denkmalsgeschützten Fassaden zu schaffen machen, das schuldbewußt niedrigtourige
Motorengeräusch eines verspäteten Lieferwagens, das Klappern von Kaffeelöffeln auf
Untertassen des Kaffee am Dom (Soundtrack zum authentischen Euro Feeling amerikanischer
Reisegruppen), dem entspannten Gemurmel einheimischer Einkaufsbummler, sowie (gerade
verflogen) die scheppernden Schellen des Glockenspiels. Bei dem drehen sich ja mannshohe
Gipsfiguren zum Ritterspiel und irgendwann kippt der eine Ritter den anderen Ritter mit
der Lanze nach hinten. Im Hochsommer kann man daraufhin die Zusammensetzung der
Touristenmenge bestimmen. Bei einem überwiegenden Anteil Japaner wird gelacht, bei einem
überwiegenden Anteil Amerikaner geklatscht. Wunderbar wenn sich Klischees bestätigen.
Andrian Kreye München, - 02.07.99 at 11:26:33
Kurze Antwort auf Lorenz Schröters Frage: Steht im Lonely Planet India,
Ausgabe 1996, Tony Wheeler, Herausgeber. Dazu vielleicht gleich nach Strasbourg: Wie hieß
Thomas Bernhards Haus auf dem Grasberg bei Reindlmühl? Hint: Die Antwort reimt sich auf
einen deutschen Kampfbomber, der im zweiten Weltkrieg eingesetzt wurde.
Christian Kracht Hamburg, Deutschland - 02.07.99 at 15:31:08
sie schlägt die zeitung auf. der bundespräsident hebt seine hand zum
schwur. seine vorgänger sind auch abgebildet, alles männer in dunklen anzügen. die
einen schwören mit zwei fingern, die anderen öffnen die hand ganz. das buch wird ihnen
hingehalten, aus dem sie ablesen können. zu sich selbst sagt liva 'ich schwöre' und
sieht auf ihre hand, ob sie sie nur in die höhe hält oder das v macht.
'schschwöre' sagt markus jedesmal, wenn sie ihn etwas fragt. heute stand er an den
briefkästen und schüttelte den kopf.
'ganz sicher, post war noch nicht da?'
'schschwöre' und dabei machte er ein gesicht, als würde er sie nur zu ihrem besten
anlügen.
von der küche aus sieht sie ihn und seine freunde gebückt dastehen, sie haben nike airs
an und wechseln ab und zu den fuß auf dem sie stehen. markus sieht hoch und sie lachen,
dann teilen sie sich eine zigarette. sie ißt den schinken und denkt an das bild. ohne
geld: serranoschinken, mit geld: kartoffeln. sie ißt ihn ohne brot, dann schüttelt sie
die bensons und zündete sich die letzte an.
lars johann ist am telefon. liva versucht sich zu erinnern. der abend auf dem balkon, als
der buchschreiber in seinem anzug nach seiner lesung den kleinen mit dem dicken pullover
schlagen wollte. erst murmelte der anzug immer nur 'take care, man, take care!' und dann
sollte der mit dem schmutzigen gelben hemd, der ihn genauso nervte, auch noch eins
draufbekommen. lars johann war däne und sie hörte gerne den seltsamen singsang, aber
dann denkt sie an seine buschigen koteletten und sagt 'nein, überhaupt nicht.' sie hatte
ihm nicht die adresse gegeben, damit er sich mit ihr verabredet. markus und seine freunde
würden nie auf die idee kommen sich buschige koteletten wachsen zu lassen.
sven lager - 02.07.99 at 15:33:41
Krucka.
en sb, fr - 02.07.99 at 16:57:09
Wenn etwas einfach ist, dann plötzlich eines Nachts allein zu sein. Du
gehst einfach. Du sagst: "Ich glaube, ich gehe jetzt einfach mal nach hause",
und schaust nur ein kleines bißchen so, als seist du entschlossen, und alle geben sie dir
recht. Da wird geschaut, als sei das ja schon immer das Vernünftigste gewesen, am Freitag
abend um 22 Uhr nach hause zu gehen. Einer sagt "Sehr gut" und eine
"Verstehe ich" und noch eine, die, die du praktisch überhaupt nicht kennst:
"Ey! War gut, daß du hier warst! Man sieht sich! Hat Spaß gemacht, dich zu sehen.
Ich bin praktisch die ganze nächste Woche gut auf dem Handy zu erreichen." Und
doofgrinsend, winkend, rumstehend lassen sie dich einfach gehen.
Bei Burger King wieder mit den Ärmsten der Armen zusammengesessen: fetten Gastarbeitern;
Pickelbubis mit Kappen; Brillenmädchen mit Cordthosen. Es ist so absolut halbleer, was
aus Burgerläden, die voll sein müssen, um zu poppen, den letztgültig traurigen, den
romantischen Ort der Jetztzeit macht. Ich werde die zehn Minuten da - komisch, genau diese
zehn Minuten da beim Whopper-Menu mit Käse beim Burger King - eben nicht vergessen. Jedes
zerfaltete Stück Müll auf den Tabletts in den Fächern der Müllwägen hatte ein Leben.
Sogar die Plastikwanne, in der der Schrubber stand.
Neueste Nachricht vom Filmfest, jetzt, praktisch ganz genau 35 Minuten alt: Der deutsche
Film "Bang Boof Bang" mit Olliver Korritke und Christian Kahman (der aus der
Lindenstraße) hat gewonnen. Was gewonnen, das weiß ich leider nicht genau. Bester Film:
wohl. Kurz Filmbeschreibung, ich bin ja Gott sei dank kein Filmritiker: Das ist so ein
"Ballermann 6" mit Niveau. Nach exakt zwei Einstellung ist klar, daß der die
1-Millionen-Zuschauer-Marke durchschlägt. Es spielen: dicke Titten, Fußball, Joints,
lila Trainingshosen, goldene Autos und Hardrock. Wußte garnicht, daß die hier auch einen
Preis verleihen beim Münchner Filmfest. Ich dachte, daß geht auch einfach nur mit
Schwachsinns-Motto "Kino total genial" und bißchen rumstehen und keine Karte
mehr kriegen und dann wieder bißchen rumstehen und so. Vom Filmkritiker Michael Althen
weiß ich, daß er bis zur Minute der Verkündung dieser Nachricht noch in der SZ rumsaß,
um den Gewinner gleich in die Zeitung von morgen reinzutippen: so sinnvoll, so groß, so
heroisch kann Zeitungsmachen sein. Unser alter Großfreund Thomas Hüetlin hat vor
Urzeiten, als er noch klein und wirr und ängstlich war, den großen Satz gesagt:
"Ach der!" (Er meinte den Regisseur Jim Jarmusch, der in Cannes gewonnen hatte).
"Hat der nicht gerade die goldene Kanne gewonnen?". Großes Gelächter. Und
große Freude darüber, was alles gewonnen werden kann.
Auf dem Weg heim zu meiner Pool-Seite: fiel mir ein, daß die Schrifstellerei, die große,
doch immer impliziert, daß man einen Haß hat. Genauer: Daß man die Welt als solche, die
große, grundsätzlich für unpackbar hält, woraus der Haß auf all die anderen, die sich
einfach auskennen mit dem Leben und sich amüsieren, resultiert. Auch einfach: daß man es
schwer hat. Deswegen werde ich nie ein Schriftsteller sein. Ich finde es alles: leicht.
Gut: packbar. Ich habe keine: grundsätzlichen Probleme. Ich wüßte auch nicht: wie man
es besser macht. Und so lief ich, heute abend, an den schönen Läden, an Churrasco, an
Burger King und McDonalds, am Lederhosenstüberl, am Viktualienmarkt, über den
Marienplatz, wo die Rentner staunend zwischen den pfeilschnellen Fahrradfahrern mitten auf
der Straße stehen, an Sport Scheck, Horten, der SZ, vielen Kleiderboutiquen, an
Unterhose-Unnützer und der Metzgerei Weiß vorbei und dachte: Wie gut die Menschen es mit
uns meinen. Es könnte alles nicht schöner sein.
Vorhin kam der Claudius (Seidl) zum Maxim (Biller) ins Schumann's, und Maxim ließ sogar
mal richtig seine Zeitung sinken und hat gequält geguckt, wie es nur er so schön kann,
(obwohl er natürlich selig ist, daß er mal nicht Zeitung lesen muß an seinem
wunderbaren Sommerabend auf der Schumann's-Terasse, wo sonst niemand liest), und dann hat
Maxim ganz in Echt gelacht. Freucht mich einfach, das nochmal zu sehen. Uns zugewandt: der
koboldblaue Helmut-Land-Jacket-Rücken von Claudius. Unten: seine nackte Füße. Die in
dunkelblauem Prada. Wenn der wüßte, wie gut ihm diese
New-Yorker-Sixties-Käsequatsch-Uniform steht. Er hofft es ja bisher nur. Er wäre, glaube
ich, so glücklich, das mal klar zu hören.
Gestern war Andrian (Kreye) bei uns im Magazin. Machte einen top-konzentrierten, so echt
routinierten und relaxten Reporter-Eindruck. Ein stiller, großer, knapper Auftritt. Wow.
Und dann ging er mit unserem Textchef und dem zuständigen Redakteuer noch kurz auf einen
Espresso.
Morgen mittag ab elf: Weißwurschtbrunch beim Michael Althen im Garten. Da wird's dann
endbayerisch lässig. Mit Tischtennis und kicken und saufen. Dann sind dann endgültig:
alle.
Jetzt sind meine Haare fettig, jetzt bin ich müde, jetzt weiß ich auch nicht. Tschüß.
Moritz von Uslar München, Deutschland - 02.07.99 at 23:57:04
'ja, alle wohnen im hotel exquisa', sagt tim, 'da hat die bar noch bis um
sechs uhr auf.' erst einen moment später fällt ihr auf, daß es unmöglich exquisa
heißen kann, weil sie an einen barkeeper denkt, der mit einer schraubbewegung hinter dem
tresen seiner leeren bar die gläser putzt. aber keiner will gehen, weil alle sind
betrunken und ein wenig erschöpft vom tanzen und der diskomusik, die ihren eigenen,
flachen humor hat. sie hält ihr glas noch tapfer vor sich hin, aber sie kann kaum noch
stehen. der blick über den lietzensee ist kühl und erfrischend. den ganzen abend war der
balkon voll mit leuten, denen es drinnen beim reden zu heiß wurde.
'nein,' sagt der junge mann zu ihr, der anton heißt, 'ein schriftsteller ist, der alles
für leicht hält, der die welt für beschämend schön halten kann. er fängt an zu
schreiben, weil er das nicht erträgt. er möchte auch so sprechen wie die welt.'
später sitzen sie bei matthias in der küche und er beugt sich über den pfannkuchen auf
seinem teller und berührt ihn leicht, dann sagt er 'oh, so weich und zärtlich' und sie
schauen sich an und müssen lachen.
s.l. - 03.07.99 at 09:35:55
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a.d. b., - 03.07.99 at 12:00:04
Fragen die die Fronten klären (Teil 1)
"Haben Sie eigentlich gedient?"
Ist doch gut, wenn man weiß, woran man ist. Und? Haben wir? Als nicht nach Berlin zu
ziehen gewillter Kassenpatient landete man eben beim Zivildienst, woran mich der
freundliche Radiologie-Rezeptionist im Kreiskrankenhaus erinnerte, nachdem ich gerade an
der Fernmeldekaserne Feldafing vorbeigefahren war, vor dessen Pforte ein Häufchen
Wehrpflichtiger stand und das Wochenende mit einem Stehbier und der gegenseitigen
Begutachtung sportlich verzierter Mittelklassewagen begann.
Da fiel mir unser Lieblingsfahrgast ein, ein Promi unter den Nutznießern des
Behindertenfahrdienstes, "Pornomanne", ein schwergewichtiger, spastisch
gelähmter Junge, der sehr verschmitzt in seinem Elektrofahrstuhl thronte. Bei unserer
ersten Begegnung grinste er uns auf die Frage, wohin es denn gehen wollte scheel von unten
an und lallte "Wißt schon". Wußten wir aber nicht, was dann über Funk mit der
Zentrale zu klären war, die uns darüber aufklärte, daß Manfreds Fahrziele weder seiner
Mutter noch den Vorgesetzten mitzuteilen seien. Das behandelten die Fahrer streng
vertraulich unter sich. Also fuhren wir mit Manne zum Blue Movie am Stachus, wuchteten ihn
mitsamt seinem Stuhl ins dunkle Kino, stellten ihm seine Schachtel Kleenex auf die
Armlehne und holten ihn nach einer Stunde wieder ab.
Andrian Kreye Seeshaupt, Oberbayern - 04.07.99 at 12:07:18
Beim zweiten Mal sollte es dann in den Münchner Norden gehen. Wieder
wußte der Zivi von der Zentrale bescheid. Es ging Richtung Schleißheim zu der
Waldlichtung, auf der in einer ordentlichen Reihe die Wohnwagen der Mädchen stehen.
Mannes Mädchen war nicht da, also fuhren wir ihn ein paarmal auf und ab, bis er sich
entschieden hatte. Ich sollte die Verhandlungen führen. Das Mädchen, eine robuste
Brünette, meinte, "Jaja, den kemma scho, der kummt immer zur Sonja, die hat heut'
frei. Bringts eam eini. Für den mach ma's für an Zehner." Wir wuchteten also den
beleibten Manne in den Camper, der heimelig in Braun- und Orangetönen eingerichtet war,
setzten ihn aufs Bett und währen ihm die Brünette schon den Hosenstall aufknöpfte, wies
sie uns an, draußen zu warten, bis sie hupt.
Nach zehn Minuten hupte sie, wir wuchteten Manne zurück in den Rollstuhl und den Wagen.
Da saß er dann, sah verträumt aus dem Fenster und stieß alle zehn Minuten einen seligen
Seufzer aus.
Bill Clinton mußte die Frage nach dem Dienen übrigens auch schon beantworten.
AK - 04.07.99 at 12:08:58
'Sie sieht ihn leicht von oben an, sein Gesicht ist auf Höhe ihrer
Brüste, die aber vom Hängerchen verdeckt werden. Er geht auf sie zu. Nach drei Schritten
kniet er vor ihrer Muschi. Er fährt mit seinen Händen leicht über ihre Finger. Sein
Gesicht ist genau vor ihrer', liva legt den brief zurück auf den tisch. sie zieht an
ihrer zigarette, der brief war offen, als sie ihn aus dem briefkasten nahm. die hitze
beult sich durch das stille küchenfenster, dann zieht sie sich an. einen silbernen rock
von h&m und ein grünes armeet-shirt. es ist so eng an den ärmeln, daß sie das
gefühl hat musklen zu haben. dann kämmt sie sich die haare mit den fingern und setzt
sich wieder hin. kalte minze, denkt sie. sie sieht wieder markus, der kurz hochschaut zu
ihr und schnell wieder weg. jetzt geht er ihr auf die nerven. das papier ist
auseinandergerissen und der brief zurück in den umschlag geknüllt. sie reißt ihren
namen vom umschlag, spuckt auf den brief und wirft ihn aus dem fenster. er fällt nicht.
langsam schaukelt er in die dünnen schatten der fahrräder.
s.l. berlin, - 05.07.99 at 13:20:27
gestern bei sissis grillparty am prenzlauerberg hat anton den
herrgesellkindern geld geschenkt. dann kam das chilenische fernsehen und wollte wissen:
zehn jahre mauerfall, ein grund zum feiern? wir konnten die frage nicht beantworten.
elke naters berlin, deutschland - 05.07.99 at 19:49:58
Gerade fiel mir wieder ein, damals bei meiner Lesung in München, wo ich
mit Katharina gelesen habe, kam ein Mann auf mich zu:
Grüß Gott, Joachim Lottmann.
Aha, kenn ich nicht.
Ihre Freundin, mit der sie gelesen haben, ist das die Freundin in dem Buch?
Was? Nein. Quatsch!
Später erfahre ich, mit dem Lottmann mußt du vorsichtig sein, der ist böse.
Ich denke mir, unverschämt eigentlich. Spricht mich bei meiner Lesung an, um sich an
meine Freundin ranzumachen.
Das kam mir auch erst später.
Dann irgendwann, wieder in Berlin hatte ich ihn am Telefon.
Er will einen großen Artikel schreiben, in der Zeit, über Popliteratur, blabla, langes
Gespräch und dann am Ende:
gibt es noch jemanden, der mir über Sie Auskunft geben könnte?
Nö, warum, weiß nicht.
Ihre Freundin vielleicht, mit der Sie in München gelesen haben?
Katharina?
Ja genau. Nächste Woche bin ich in München, darf ich die zu ihrer Person befragen?
Äh, ja.
Und ihre Telefonnummer?
Ich gebe ihm die falsche Nummer. Katharina ist mir dankbar, dafür hat man Freundinnen.
Der Artikel ist nie erschienen.
Das fiel mir jetzt gerade ein, als ich in Goetz altem Abfall herumgelesen habe, da steht:
"Fast schon Lottmannhaft kaputt."
elke naters berlin, - 06.07.99 at 12:17:12
markus steht auf und geht ins bad. der spiegel ist noch beschlagen von dem
dampf, den seine schwester zurückgelassen hat. jetzt ist sie zur arbeit gegangen und er
wischt mit einem feuchten frottehandtuch das wasser vom glas. fussel bleiben kleben, dann
beugt er sich vor und drückt in seinem gesicht herum. er reibt sich wasser unter die
achseln und dann das gesicht ab und merkt, daß das ein fehler war. scheiß berlin, denkt
er, dann ißt er die schokopops und nimmt die münzen, die auf dem tisch vom einkaufen
übergeblieben sind. daniel hat ihm ein paar cassetten gegeben und er hört einen
scheppernden rock'n roll. es ist kein hip-hop und er versteht den text nicht, also nimmt
er die cassette wieder raus und liest: françoise cactus. auf einer anderen steht: geniale
dilettanten. uralte basf ferro cassetten. er legt wieder die die absolute beginners ein
und legt sich aufs bett. es ist anders in berlin, ganz anders
'markus' , sagt seine mutter, aber sie kommt nicht rein, 'markus, mußt du nich los?'
'nee' sagt markus. berlin, hat er das gefühl, ist viel zu groß, ein wohnzimmer mit viel
zu vielen leuten drin. er will zurück nach frankfurt.
s.l. - 06.07.99 at 12:28:30
...so sternklar war die Nacht.
Und meine Seele spannte
weit ihre Flügel aus
flog durch die weiten Felde
als flöge sie nach haus.
(zwischendrinn, von der Arbeit, für A+E, S+L).
Moritz von Uslar Munich, Germany - 06.07.99 at 18:09:21
Zur Nacht: Gewitter, oder die Frage nach der Unsicherheit in der Welt,
wenn man in der Fremde mit neuen unimpraegnierten Lederschuhen, schmalen braunen
Tods-Mokassins, nach Hause will und es schuettet und blitzt und donnert und man bleibt aus
Angst um seine Schuhe einfach im stehenden Auto sitzen, draussen rauscht es und die
Zigarette macht die Luft stechend, und man fragt sich, ob es eigentlich je anders war, in
der Welt zu sein als so, hilflos und aengstlich und schwach und von feindlicher Dunkelheit
und Ungemach umgeben.
en sb, fr - 06.07.99 at 23:08:51
3.7.99
Christian, Oliver und Anthony machen Kunst und ich schau zu.
Die gesamte Isar zwischen Prinzregentenbrücke und Maximilaneum gehört Christian - auf
Zeit - dafür ist er zwei Monate zu den Behörden gerannt, hat 200 Mark geblecht, um nun
seine Kunst-Kanus auf den Wellen schaukeln zu lassen. Aber so einfach ist das nicht. Mit
Eisenbahntrassen beschwert wollen sie die in Kette hängenden Boote in der Isar verankern,
aber das Rafting-Boot versinkt, als sie nur fünf Trassen reinheben. Also umdenken.
Dann hauen die Boote ab, erst fahren die Jungs mit dem Rafting-Boot hinterher und laufen
in nassen Bade- und Unterhosen sowie Schwimmwesten, barfuß, zur Erheiterung der
Autofahrer die Wiedenmayerstraße entlang zurück. Das Rafting-Boot lassen sie einen
Kilometer weiter den Fluß runter liegen.
Dann haut schon das nächste Boot ab. Diesmal hechtet Christian allein im Kajak hinterher.
Endlose Story. Zwei Tage dauert's bis die Boote liegen wie sie sollen. Gerade noch
rechtzeitig zur Ausstellungseröffnung:
Nach dem Stehempfang bemühen sich die Gäste zur Isar und da fährt die Stadt München
alles auf, was sie zu bieten hat. Feuerwehr, Polizei, Notarzt. Besorgte Passanten hatten
von "gekenterten Kanus mit Insassen" berichtet. Touwabhou. Also müssen nun
Schilder angebracht werden: !Achtung Kunst! Oder: "Quajag" - schwimmende
Installation.
Trotzdem ist am nächsten Tag schon die nächste Meldung da: Die Feuerwehr hat per
Hubschrauber ein sich losgerissenes Kanu verfolgt - bis sie es verloren. Außer sich
fährt Christian zum Fluß, um seine Schäfchen zu zählen. Aber alle sieben sind da.
Hängen wunderschön in Kette und brauchen die ganze Aufregung gar nicht, um zu sein.
Maike W. unter Frankfurt, - 06.07.99 at 23:38:10