loop Archiv #19 (8.11.-14.11.1999)
anders als im pool sind hier die neuesten einträge oben
loop Archiv #18,loop Archiv #20
loop
ich bin auf der suche nach einem, der früher in rotenburg (wümme) in der bischofstraße
gewohnt hat. sein vater beerdigte die armen seelen. er heißt mit vornamen benjamin und
pfeift auf die eklige welt voller bier, rockmusik, frauen ohne hosen usw.. was ihm hilft,
sind frische hemden, bier und kotzen. letzteres dient seiner schlanken linie und dem zwirn
von ciska und anna. er muß vor einer wand stehen, die dunkelheit auf ihn wirft. (bitte
melden benjamin - ArtDealWiese@gmx.net -. habe einen vorschlag für kollektivheilung
gleichgesinnter.
im englischen ort lee gibt es einen genetiker und spezialisten für nanorechner, welcher
für gutes geld kopien von jedem herstellt. das erlaubt dem besitzer, seine kopie die welt
erobern zu lassen. sein alter-ego erlebt die welt, während er zu hause wartet, um den
androiden abends anzuzapfen. alle erlebnisse werden gefiltert durch einen SOFTENER, so
heißt das gerät. auf diese art erspart man sich frust und andere kälteerlebnisse. wer
ist inertessiert? ernstgemeinte kontakte sind möglich nach gründlicher rücksprach.
heinrich battling 14.11.99
heinrich battling rotenburg, niedersachsen - 14.11.99 at 22:24:26
Deine Texte, Claus, sind großartig. "Ich, denke ich, ich und der Wind" - das
hat Klasse. Danke, und: mehr, mehr, mehr!
Georg M. Oswald - 14.11.99 at 21:18:51
Im Madeleine gab es keinen Sitzplatz mehr. Alte Männer prosteten mir mitfühlend zu.
"Der Junge kann stehen", rief einer, und nachdem ein anderer das Wort stehen
wiederholt hatte, lachten alle mit mir oder gegen mich. Ich lachte mit.
Ich stellte mich mit einem Bier zwischen die Spielautomaten und eine Dunkelhaarige kam zu
mir. Wies geht, fragte sie. Es geht, antwortete ich. Wir tauschten Namen aus, ich fragte
woher sie käme und wie lange sie schon hier wäre. Sie verstand die Frage erst bei der
zweiten Wiederholung. Sie kam aus Lettland und war seit drei Wochen hier. Damit war das
Gespräch beendet, sie summte zur Melodie von Mambo Nr. 5. Dann fragte sie, ob sie etwas
trinken dürfe. Ich verstand sie schlecht und fragte, was. Sie fragte, ob sie ein
Piccolöchen trinken dürfe. Nach drei Wochen in Deutschland kannte sie das Wort
Piccolöchen. Für sechzig Mark bekam sie ein Piccolöchen, mein Abend war gelaufen, ich
hatte das Geld am Abend zuvor beim Taxifahren verdient.
Claus Berlin, - 14.11.99 at 19:59:09
geschnetzeltes züricher art mit martini, bier und brandy.
stalingrad im TV. laut.
freund halbohmächtig auf dem klo, während sie mir erzählt, wie süß er sei.
also noch 10 bier. bloss nicht die augen schließen. tanzen. animal nitrate von suede.
sixth son nachbrandland, - 14.11.99 at 13:09:22
ich wünscht`ich läg`am strand
und spürte meer und sand
hätt` mir die haut verbrannt
doch hätt`dich nicht gekannt
wäre nie weggerannt
als ich dein foto fand
zerbrach mein verstand
im koma vom nachbrandland
sixth son - 14.11.99 at 13:01:39
Zurück im Süden.
Kein Schnee gestern.
Lange Nacht mit allen geteilt, die sich anstellen wollen.
Es kam mir vor wie eine permanente Sonnenfinsternis, alle Busse voll, Verkehr, Menschen
mit kunstwilligen Broschueren.
Kunst kommt von Kirche.
Es rappte sich nix im Haus der Literaten. Nur eine Modeschau der Stile.
Chicks on speed um Mitternacht. Die Suppe bleibt kalt.
Wir gehen in den Wienerwald, dann die Villa Stuck.
Menschen laufen zur Kunst an der wall, bis jemand schreit: kitzelt den DJ.
Abschluss auf der Insel, wo Flatz sein Unwesen treibt: der Prater.
Wenigstens hier trifft man auch noch Pferdeschwanzträger und abgetragene 50er Schuhe.
Die Kunst hat sich heute mal richtig gelohnt, inklusive MVV, satt München.
himmikreizkruzifixhallelujasogi
Wandern im Laub, 12 Marias morgen anrufen, vielleicht helfen sie mir, die Sintflut wäre
vielleicht sinnvoll, mit einer Luftmatraze,rafted.
Escucha me, soy perdida.
alinia santa cruz, europe - 14.11.99 at 12:18:35
was ist das?
oh loop, I löve you so much.
sven*pool - 14.11.99 at 00:13:17
Nur zuhören oder mitmachen. 0190308028. Im Telefon unterhalten sie sich über die Freuden
der erotischen Massage. Die Männerstimme hat einen distanzierten Expertentonfall. Die
Frauenstimme drängt zu einem verführerischen Dialog. Eine leicht quäkende Männerstimme
unterbricht die beiden mit einer offensichtlich dringenden Frage: Nimmst du meinen jetzt
in den Mund. Der Experte läßt sich nicht abbringen. Weiter erzählt er über die
Unterschiede zwischen der afrikanischen und der asiatischen Form der Massage. Er sucht
nach einem anderen Wort, weil "heftig" ihm als Beschreibung der afrikanischen
Variante nicht gefällt. Derb, fällt ihm erleichtert zu sagen ein. Nimmst du meinen jetzt
in den Mund, fragt es quäkend noch einmal. Wenn sie deinen in den Mund nimmt, kann sie
kaum mit mir reden, weist der Experte den Störenfried zurecht, er klingt dabei wie ein
Hausmeister. Hier darf jeder etwas sagen, meldet sich die Frauenstimme wieder zurück, von
der außer einigen gehauchten Bestätigungen der afrikanischen Massagevariante für einige
Zeit nichts mehr zu hören war. Die quäkenden Stimme fühlt sich bestätigt. Also nimmst
du meinen jetzt in den Mund. Ja, gleich, antwortet die Frauenstimme, hörbar darum
bemüht, niemanden zu verstören. Ein Hörer wird aufgelegt, im Folgenden ist die
quäkende Stimme nicht mehr zu hören. Es wird weiter über erotische Massagen gesprochen,
der Experte ist schon einmal in Thailand gewesen. Ich lege auf. Das Hören hat mich 6 Mark
gekostet, rechne ich nachträglich aus.
Claus Berlin, - 13.11.99 at 21:05:18
I.
Seit fünf Uhr, so der Radioreporter auf SAW, stünden die Menschen vor dem Aldi und
warteten auf die neuen PC's. Als er um 7.00 Uhr einen der Männer befragt, welche
Strategie er sich zurechtgelegt habe, um zu den Glücklichen zu gehören, sagt der:
"Gewalt!"
II.
Nachmittags gehe ich mit Felix und Freddie an der Hawaii-Bar vorbei und hoffe, dass keine
der Damen herauskommt. Mich hat als Kind die Prostituierte in der weissen
Frotteeunterhose, die sich im Mittagslicht Zigaretten aus dem Automaten zog, tief
verstört. "Da in dem Haus wo das Herz leuchtet, da heiraten die Leute" sagt
Freddie. "Son Quatsch", Felix macht sich von meiner Hand los, "die sexen
da."
III.
Der Hausmeister hat, fehlgeleitet von der Geräuschlosigkeit, die Tür zu dem Raum der
Volkshochschule abgeschlossen, in dem der Gebärdensprachenunterricht stattfindet. Als
nach einer Stunde Rufen und Klopfen niemand erscheint, tritt eine Studentin, 2. Semester
Medizin, die Tür ein. "Vielleicht sollte man das einmal im Leben machen, eine Tür
eintreten." wird die über ihre Tat Verstörte beruhigt. "Ja, aber erst, wenn
man sie nachher auch bezahlen kann."
kathrin glosch - 13.11.99 at 18:22:18
Novemberbild (4). Als ich mit Tasche und Laptop behängt oben am Bahnsteig ankomme, steht
der überfällige ICE tatsächlich noch da. Auch nachdem ich drin bin, wird noch weiter
gewartet. Vor mir ist grad eine Frau aufgesprungen, aufgeregt, in grauem Wollkleid, weich,
wadenlang. Sie hockt mit halbgelöstem Haar direkt vor mir im Gang und kramt hecktisch in
einer Reisetasche. Schaut nicht auf, als ich vorbeiwill, rückt nur unmerklich zur Seite.
Schöne Linie von der Schulter zum Arsch. An ihrem Platz liegt der Pschyrembel
aufgeschlagen. Kurz darauf überholt sie mich zwischen den Sitzenreihen, stürmt vorbei,
rennt nach vorn. Ich schaue dem Schwingen ihrer Bewegung nach.
Als ich schließlich sitze, heißt es über den Lautsprecher, die Abfahrt werde sich wegen
des Notfalls noch weiter verzögern, und die Reisende vom Sitz gegenüber hat Sanitäter,
Trage und Krankenwagen auf dem Bahnsteig gesehen. Die junge Frau, zufällig mitreisende
Ärztin stelle ich mir vor, hatte nach einem rettenden Medikament gesucht und eilte um
Leben und Tod.
l.barnes bielefeld, - 13.11.99 at 17:03:22
Den Faden verloren. ACKERMANN ist ohne Garn ins Netz gegangen. Dafür starrte sie 160
Sekunden in die Luft während die Milch überkochte. Die Wäsche war nass und auf dem
Boden Mikroben. 2:0.
Wieviel mal blass ist eine Dose Tomaten plus null komma nix - kalorienarm und
nährstoffreich: Ropa vieja -garbanzas,judias,carne, pollo y pimentos.Rezept auf Anfrage.
nulleinhundertachtzigfünfneunneunfünfneunneun
Ein Buch in einer Limoflasche im Wald. Jetzt wird nichts mehr bewegt.
Zustimmung: Rom wurde nicht an einem Tag gebaut, befindet sich jetzt in Las Vegas. Die
Legionäre haben bereits den Prager Wald durchquert und den Stier nicht mehr vorgefunden.
Er ist gegen 1 Uhr nachts mit dem letzten Flug nach Barcelona entkommen. Dort wurde er
zuletzt im Basura auf der Herrentoilette gesehen.Loca.
nulleinhundertneunzigzoviervierzwoviervier
Ein MAnn namens José Barra hat sich beim Rasieren in die Kehle geschnitten, als seine
Frau ihm die Halsschlagader abbinden wollte, stolperte sie so unglücklich, dass ihr das
Rasiermesser in der Brust stecken blieb, von den zwei Töchtern Elena und Alinda fehlt
jede Spur,vor dem Hause aber stürzten die beiden kleineren Brüder gerade in diesem
Augenblick in eine Baugrube der Nachbarschaft, wo sie ihren Schädelverletzungen erlagen.
Der Freund der Familie, Alberto Ramirez Bello, erklärte die Familie sei zu einer
Zeugenvernehmung über den in der Gegend tätigen Dealer B.S (Name gekürzt)eingeladen
worden.
Er werde die Beerdigung ausrichten. Salva te Dios.
nulleinsnulleinsnulleinsnulleinseinseinsnullnull
Jahrestag einer Märtyrerin.Torte für eine mutige Frau, eine Brücke wird geweiht, der
Pfarrer segnet die Anwesenden.
Agnes wurde ertränkt, doch sie bleibt uns lebendig, starb sie für ihre Liebe. Bayern
blickt auf Straubing und bedauert den Vorfall ausserordentlich. Es gibt eine
Agnes-Bernauerstrasse in München.
Die Torte kann auch per Internet bestellt werden, zahlung aus Übersee nur mit
Kreditkarten.
Bon apétit.
......alinia
alinia ,derzeit herbstprimiert santa cruz, out of europe - 13.11.99 at 14:29:49
Meine Mutter überreicht meinem Vater zum 60. Geburtstag eine Skulptur aus Bronze mit der
Hoffnung, dass weder die Skulptur noch die Beziehung zu meinem Vater von einem Windstoß
zu Fall gebracht werde. Die Gäste klatschen Beifall. Ich, denke ich, und der Wind.
Claus - 12.11.99 at 22:10:35
Perfect World 1.11
Natürlich fand er vor Finns Haus keinen Parkplatz. Alles Anwohner. Das hat sich also
nicht verändert, dachte er und stellte den Wagen auf dem Gehsteig ab. Dann stieg er aus,
setzte seine Sonnenbrille auf und schaute über das Tor in den Garten. Ein verwildertes
Bild: die Blumenbeete und der Rasen vertrocknet, Gartenstühle lagen herum und rosteten.
Er lief zum Haus und das Gras knisterte unter seinen Schuhen. Hecken wucherten um die
Nachbarvillen. Grosse Bäume spendeten Schatten. Die Fenster im Erdgeschoss waren dunkel:
Er stieg die kleine Steintreppe zur Terrasse hinauf und legte eine Hand an die Scheibe.
Nichts zu sehen, dachte er und klopfte an die Scheibe, erst leise, dann lauter. Niemand
kam. Die Eingangstüre verschlossen. Hinter dem Haus im Kelleraufgang unter dem kleinen
Blumentopf: da lag der Schlüssel, an seinem alten Platz.
*
eiseisbaby münchen, bayern - 12.11.99 at 17:07:50
Im Happy Night muß man klingeln, die Tür öffnet sich und man kommt in einen Vorraum, in
dem ein alter Araber hinter einer Scheibe sitzt und "zehn Mark" sagt. Man
bezahlt, bekommt einen in Plastik eingeschweissten Getränkegutschein, der Summer wird
betätigt und die nächste Tür öffnet sich. Dahinter befindet sich ein großer Raum mit
einer Bar. Am Freitag roch es nach Essen. Die Frauen saßen auf den Sofas und aßen aus
Pappschalen vom Asia Imbiss. Eine Kleine in Unterwäsche und Stiefeln erhob kurz ihren
Kopf und hatte eine Gabel im Mund. Andere blieben ins Essen vertieft und schauten nicht
auf. Ich ging zur Bar und bestellte ein Bier, es gab nur eine Sorte. Außer mir und den
Frauen war niemand dort. Sie hätten mich töten können. Ich setzte mich in das
sogenannte Kino, in dem ein VideoBeam und drei Sofas standen. Teresa Orlowski warb für
ihre Homepage, auf der man sich privat mit nette Mädchen treffen könne. Bitte berühren
Sie den Bildschirm, hatte ich in der Sparkasse gelesen, als ich das Geld abgeholt hatte
für den Abend. Danach lief Spritzmonster. Eine Asiatin kam in meine Ecke, sprach zuerst
in ihrer Sprache, ich schüttelte schon den Kopf, bevor ich etwas verstand, dann hörte
ich ihre Frage, "aufs Zimmer?", und ich verneinte weiter. Sie wandte sich ab und
sagte etwas zu ihren Kolleginnen, woraufhin diese dreckig lachten. Ich übersetzte mir
ihre Worte in etwa mit "der kleine Wichser wackelt dauernd mit dem Kopf".
Claus Berlin, - 12.11.99 at 16:41:04
Was ist eigentlich dieser Björn Kuhligk für einer? Wer hat dem eingeredet, dass seine An
und Aussichten (China wird Weltmeister, Deutschland: bleiches Brötchen), Termine,
Konzepte und Bekanntschaften allen täglich mitgeteilt werden müssen? Frei Schnauze und
ohne eine einzige Pointe, unverdichtet und fragmentarisch zerrissen, Das sogenannte Leben.
Sind das Dokumente für zukünftige Biographen? Und glaubt der mit dieser legendär
prophetischen Eintragung Geschichte machen zu werden: "erst heute in der zeitung vom
9. gelesen, daß krenz u.s.f. in den bau gehen. Moralisch okee, aber rechtlich?"
Kritisch, bedächtig, Oha. Da hat aber jemand ein Problem aufgespürt, Herr Naseweis, Herr
Klemperer, und das im zeitgenössischen okeehen Tonfall verzeichnet. Frag mal Deinen Text,
wie der so moralisch rechtlich okeeh geht und fühl dich nicht so selbstverständlich
unverstanden wohl, Dichter. Schreib mir mal wieder ein Liebesgedicht.
Anja - 12.11.99 at 14:00:01
Der Fascho am Postschalter:
- Ja, dann gucken sie doch mal vorher im Postfach nach, ich kann ja auch nicht immer
hinterrennen und dann ist keine Kiste da. Das war jetzt schon zweimal so. Wie, sie wissen
die Nummer nicht? Das gibt's doch gar nicht. 06 32. Das ist doch nicht so schwer.
Ihr könnt mich alle mal. Wozu stehe ich eigentlich auf?
A L I, city of the euro germany - 12.11.99 at 12:01:58
Ein quadratisches Laken, weiss. Schlapp und nachtfeucht hängt es an einem Zaun neben den
Gleisen, seit Tagen schon. Rechts und links: Grafittigewitter. Ich hab dich lieb Susi,
steht darauf. Verzweifelt, denke ich, irgendwie. Nein: naiv. Und weiter vorne sitzt er,
tatsächlich. Hans Magnus Enzensberger. Dankeschöneswochenende. Sehr freundlich.
eiseisbaby münchen, bayern - 12.11.99 at 11:43:49
Im Streit warf er mir an den Kopf, ich sei bloß blind,
weil ich noch immer (manchmal) Spaß am Leben find´.
Jetzt suche ich die bösen Geister, die er rief
und bin vor lauter Grübeln nicht sehr kreativ.
Hippi, Stuttgart, BW, D, EU, UN - 12.11.99 at 11:13:43
bratschen-stimme. magma-kammer. risse. ausbruch.
mein text will nicht weiter. stopp mit dobbelp. dann gehts halt nicht weiter und weg in
den traum.
MEINE ANSICHT ZU DEUTSCHLAND: "wenn mans wirklich kritisch und so betrachtet dann
gehts halt nicht weiter. dann heißts change to plan b."
björn kuhligk berlin, - 12.11.99 at 00:02:51
Nirgends riecht der November wie in Hannover. Klamme weiße Blütenblätter an Buschrosen.
Es gibt keine Schrebergärten mehr; aber hinter Pappeln und Zäunen schmurgelt's und
kokelt's wie von Kartoffelkraut. Die Straßenbahnen rüsten sich für die Expo.
,Fahrplan', ,timetable' und ,horaire' steht an den
Haltestellen. Daneben sind kleine Fahnen gedruckt, damit man weiß, welche Sprache das
ist. Am Ausstieg lese ich "Die Tür schließt selbständig kurz nach Verlassen des
Stufenbereichs". Zu meiner Schulzeit war das noch "Die Tür schließt
automatisch bei Verlassen der Trittstufen", woraus sich durch sorfältiges
Wegschrappen machen ließ: "Die Tür schießt automatsch bei Verlassen der
Tittstuten".
l.barnes bielefeld, - 11.11.99 at 23:59:56
"Nah", sagt sie sanft und weich mit der Bratschen-Stimme, die sie der
Synchronsprecherin der Deneuve in Belle de Jour abgehört hatte, " haben wir denn
nicht heute auch einen Gedenktag zu feiern?"
Er zögert kurz und sagt dann: "Doch, wie konnte ich das vergessen, wir haben doch
heute Martin von Tours."
"Und?" fragt Sie, ein leichtes Crescendo unterlegt ihren jetzt nicht mehr so
weichen Tonfall.
"Äh, und 30 Jahre US-Sesamstraße," , fügt Er schnell hinzu, etwas
verunsichert.
"Und?" fragt Sie, die Modulation in die parallele Molltonart ist kaum zu
überhören.
"Ach ja, jetzt weiß ich, worauf Du hinaus willst," keucht Er erleichtert,
" 80 Jahre Michael Kalaschnikow!"
"Michael was-für-ein-kow?", fragt Sie erstaunt, jedes Wort ein Stakkatohieb.
Er strahlend: "Nah, Du weißt doch, Peng-Peng, Revolutionen, Che und die Jungs, die
sich gerade in Paris treffen, Aparat Kalaschnikow 47, Ratatatata, Du weißt schon, AK-47
und so!"
Sie sieht ihm eindringlich in die Augen und zieht dann langsam, gaaanz langsam die rechte
Augenbraue in die Höhe.
**
Die Musik des Zufalls. Kurzfassung
Sie - in dunkler Abendrobe - sitzt breitbeinig auf dem Schemel, zwischen den langen Beinen
ein Cello eingeklemmt, edle Jacqueline Dupree-Pose. Er - im Cut - sitzt lässig auf einen
Hocker vor den schwarzen Kühling-Stutz gelümmelt. Seine Körperhaltung ist die
Goldberg-Pose: Mach mir den Glenn Gould.
Sie: "Zähl einen Takt vor!" Er: "Nöh!" Sie: "Wir sollten uns
schon auf ein Tempo einigen!" Er: "Ich hol dich schon ein, fang einfach
an!" Sie: "Schaffst Du nie!" Er: "Ich könnte dir sogar einen Takt
Vorsprung geben!" Sie: "Angeber, ich werde jeweils bei den Fermaten auf dich
warten!" Er: "Jetzt geht's looos". Die beiden schwulen Hauskater
Florestan und Eusebius folgen ihrem Überlebensinstinkt und verlassen das Zimmer.
***
He: "This means war?"
She: " No, just music. Its not war, its music."
Together: "But noooo pop!"
Off: "Yearrrh."
****
Aspera, war-musics, Bonn, also dort, wo Donau und Rhein münden - 11.11.99 at 23:52:15
ein Mann liegt auf der Liege
eine Frau liegt auf der Liege
zwischen ihnen steht ein Hocker
auf dem Hocker liegen Illustrierte
leider müssen wir den Kurs verlegen
wir bitten um Verständnis
geänderte Temperaturen
elsbeth a. flensburg, de - 11.11.99 at 22:58:42
Nachdem mir im physiologischen Praktikum stundenlang Aktionspotentiale verschiedener
Belastungszustände der Streckmuskulatur meines rechten Handgelenks abgelitten wurden,
verzieh ich mich nach draußen. Pause. Leichter Nieselregen weht mir ins Gesicht, während
ich lustlos auf einem Snickers rumkaue.
Plötzlich steht ein Mann im Nikolauskostüm vor mir und fragt mit tiefer Stimme:
"Na, bist du denn auch brav gewesen?" "Ach, heut ist ja Pelzmärtel",
denke ich erschrocken. Dann fällt mir die Biochmie ein. "Ja, natürlich", lüge
ich mit unerwartet piepsiger Stimme. Er lächelt mich an und schenkt mir ein in eine
gemusterte Zellophantüte verpacktes Hefebrötchen. Der Pelzmärtel! Das ist ein Zeichen.
Ich werde die morgige Nachklausur bestehen. Dankeschön, ganz lieb!
"Ihr Stadtmanagement Erlangen" lese ich später auf dem Zettel in der Tüte.
Als ich dann heimradle, ist es dunkel. Ich begegne immer wieder Kindern mit Laternen, die
leise oder lauter vor sich hinsingen. Werde ganz nostalgisch. Damals war die Welt noch in
Ordnung.
Triticea, unverkennbar: Franken - 11.11.99 at 22:48:15
jan wagner gewinnt den open-mike. das ist schon mal klar. dachte ich. tom rief an. jetzt
ist also auch noch stan lafleur dabei. und der kann texten. jan wagner gewinnt den
open-mike. das ist aber klar. jan und elina wetten auch schon fleißig.
volksbühne hat sich gemeldet. jetzt also am 18.12. "das jahr 2000 findet nicht
statt". das wird ne feine sache.
erst heute in der zeitung vom 9. gelesen, daß krenz u.s.f. in den bau gehen. moralisch
okee, aber rechtlich?
gestern anja: schreib mir mal wieder ein liebesgedicht. sie hats nicht gesagt. sie ist der
text, den ich nie schreiben werden kann. und daß das gut ist, versteht sie nicht.
am montag mit crauss unterwegs gewesen. konzept erarbeitet. unterwegs. jandl rein? nee,
das muß jetzt endlich mal ne anthologie werden, wo die beiden nicht zusammen drin sind.
okee.
elke erb ist eine tolle frau. spaßig. dann auf ihr fahrrad gestiegen und heim. mit heiko
was trinken gegangen. sehr nett. spanischer reserva nicht zu verachten, auch die bouletten
waren prima.
MEINE ANSICHT ZU DEUTSCHLAND: das mädchen, das gestern nacht zu schreien begann und heute
früh wie ein störfall aussah
björn kuhligk berlin, - 11.11.99 at 22:31:52
Zunächst bin ich erleichtert, dass ich aus dem Taxi mit diesen beiden Abzockern raus bin.
Ich gehe los, eine Hauptstraße entlang und halte Ausschau nach einem Hotel. Ab und zu
zischt mir eine Nutte aus einer der dunklen Ecken zu. Ich bin nun skeptisch, ob es eine
gute Idee war, so alleine mitten in der Nacht durch Dakar zu spazieren. Und dann passiert
auch schon was. Zwei kräftige Schwarze stellen sich mir in den Weg und fordern mich auf,
ihnen mein Geld und die Tasche zu geben. Ich renne so schnell ich kann auf einen bunt
beleuchteten Eingang zu und lande mitten in einer Rotlichtbar. Die Typen kommen Gott sei
Dank nicht hinterher.
Einem der Männer in der Bar erzähle ich, was gerade passiert ist. Gegen ein Entgelt,
schlägt er vor, könne er mich zu einem Hotel begleiten. Ich willige ein und wir gehen
zusammen los. Ein paar Straßen weiter sind wir auch schon da. Er klingelt den Portier
raus, regelt alles für mich, nimmt sein Geld und verschwindet. Ich werde zu meinem Zimmer
gebracht, mache die Tür hinter mir zu und zweifle in diesem Moment, ob es wirklich eine
gute Idee von mir war, diese Reise zu machen.
Nachdem ich noch mein mitgebrachtes Moskitonetz über dem Bett befestigt habe, lege ich
mich hin. Im Hotelbett unter dem Moskitonetz fühle ich mich jetzt halbwegs sicher vor
möglichen Gefahren. Am liebsten würde ich dieses Zimmer wohl nie wieder verlassen
müssen.
elmodem muc, de - 11.11.99 at 22:19:43
Perfect World 1.10
An der Tür fiel ihm noch etwas ein. Er drehte sich um und deutete auf den Keeper, der die
Schultern hochzog und ihm die Handflächen zeigte.
'Que?'
'Wenn Du was weisst - ruf mich an.'
Der Pole grinste und fuhr sich mit dem Finger um die Kehle.
'Ich? Vergiss es.'
Aber da war er schon wieder auf der Straße und roch den weichen Teer und die Abgase, die
sich seit dem letzten Regen über der Stadt gesammelt hatten. Wenn man von den Hügeln auf
sie herunterschaute, konnte man es sehen: eine diesige, bräunliche Glocke, die die
Konturen der Häuser verschwimmen ließ und in der Sonne flimmerte.
*
eiseisbaby münchen, bayern - 11.11.99 at 17:41:30
I WANT SOME LOVE THAT IS BIG AND TRUE
I WANT SOME LOVE THAT IS BIG AND TRUE
I WANT SOME LOVE THAT IS BIG AND TRUE
I WANT SOME LOVE THAT IS BIG AND TRUE
I WANT SOME LOVE THAT IS BIG AND TRUE
**
we are young
we are free
feel allright
**
I'm your brother
I'm your brother, don't you know.
irgendwo über dem regenbogen
ali, britisch für beginner ffm am meer - 11.11.99 at 16:14:13
Hallo ANDREA, das Ding darfst du gern verwenden, ich bin da nicht so eigen.
Selbstverständlich stehen auch meine Liebesgedichte, soweit brauchbar, gern jedermann zur
nichtkommerziellen Eigenverwendung zur Verfügung. Zum Glück muss ich mir ja meinen Rosé
nicht damit finanzieren !
Hippi, Stuttgart, BW, D, EU, UN - 11.11.99 at 15:47:16
Meine Arbeit. Manchmal hasse ich sie. Stehe auf und denke: Warum machst du die Scheisse.
Und dann mache ich sie doch. Immer weiter. Beisse mich durch. Wie gesagt: Manchmal. Und
wieder die alte Frage: ist das deutsch? Ich meine, ausser weissen Socken in
Birkenstocksandalen. Durchbeissen, arbeiten. Manchmal, ja manchmal - wäre ich gerne
Schriftsteller: ein kleines Steinhaus in der Provence, Internetanschluss. Im Hof liegen
ein paar Hunde, Hühner rennen auch herum. Gerade hat mein Lektor angerufen: your new
Bestseller sells very well. Ich lehne mich zurück: ein letzter Schluck Rose. Kühl. Jetzt
aber zum Baden! Im Pool. Hey ihr da drüben! Ist das so? Dankeschön. Sehr freundlich.
eiseisbaby münchen, bayern - 11.11.99 at 10:34:59
Hippi's Gedicht vom 10. 11. ist gut,
die 2. Strophe sollte man den ganzen Küchenpsychologen wie ein Mantra vorbeten, die immer
vom Text auf mich schließen.
Muß mich sehr zurückhalten, das nicht mal irgendwo als Motto einzubauen.
andrea frankfurt, - 11.11.99 at 10:21:32
Der Dealer vom Park bog ums Eck, eine Großpackung rosa Klopapier unterm Arm. Irgendwie
paßte das Bild nicht, fragt mich nicht, warum.
andrea, frankfurt, - 11.11.99 at 10:10:22
warum spiessen eure zeigefinger mich auf
stechen eure blicke hinter mir her
wenn ihr mich nicht versteht?
warum zerschlagt ihr mein laecheln
nagelt mich ans kreuz eurer moral
wenn ich euch nicht verstehe?
warum ertragt ihr es nicht
warum erfreut es euch nicht
mein anderssein?
warum gibt es bei euch toleranz nur
fuer anerkannte ausnahmen?
warum tauscht ihr die plaetze
wenn ihr euch erinnert-
du sollst deinen naechsten lieben?
es waere so einfach
mit euch zu leben
wenn es das waere
was ihr taetet:
leben
reuber, diesmal ohne tippfehler, immer noch melbourne, - 11.11.99 at 05:23:06
Als wir dann im Taxi sitzen, fragen sie mich, wo ich in Dakar genau hinwolle. Ich
antworte, dass sie mich in ein nicht zu teures, zentral gelegenes Hotel bringen sollen. Es
ist jetzt schon nach Mitternacht und ich werde immer unsicherer, ob ich mich wirklich bald
in einem Hotelzimmer wiederfinden werde.
Wir fahren durch die Nacht Richtung Stadtzentrum. Ab und zu frage ich mich, ob die beiden
nicht vielleicht Kriminelle sind. Warum fahren sie zu zweit mit mir?
Später im Zentrum geht es ziemlich planlos hin und her. Nach einiger Diskutiererei halten
sie dann vor dem Eingang eines wohl eher teuren Hotels, ein Page kommt auf das Taxi zu.
Als ich darauf dränge, mich zu einem günstigeren Hotel zu bringen, heißt es, das koste
dann aber extra. Wir dikutieren wiederum heftig. Nachdem wir ein paar Blöcke
weitergefahren sind und sie immer noch mehr Geld fordern, zahle ich ihnen den
ausgehandelten Preis in Dollars und steige verärgert aus. Ich bin fest überzeugt davon,
hier im Zentrum auch alleine schnell auf ein kleines Hotel zu stoßen und mache mich also
zu Fuß mit meinem Gepäck auf die Suche.
elmodem muc, de - 10.11.99 at 23:55:28
du gehst gar nicht auf mich ein.
stand da einfach so.
auf dem zettel, selbstverständlich, nicht an DER mauer
ich war natürlich auch davon besessen
zu schreiben
kleine sätze
im stil durchaus programmatisch
hinterlassen an öffentlichen plätzen
dramatische situationen erfordern dramatisches handeln
den letzten zettel, meiner:
you are always on my mind
legte ich auf die große treppe eines großen hauses
in der franz-joseph-straße
ich ärgerte mich zuerst darüber, dass es ein studentenwohnheim war,
später fand ich es:
irgendwie süß
am nächsten tag schrieb ich das erste mal in den loop
alexander runte münchen, irgendwie, irgendwo, irgendwann - 10.11.99 at 22:03:02
am Anfang war Abfall
erst für alle dann auch
für mich (mein Abfuhrbezirk
hat die Nummer 17)
wie geht's heute zuerst
gelesen und ob bei dem Krieg
um die Wäscheklammern
KVOR angesagt wäre
was geht das geht es und greift
es mich jetzt doch schon an
verkriech ich mich bei Nicole
unterm grünen Sofa
elsbeth a. fl., de - 10.11.99 at 21:37:15
am Anfang war Abfall
erst für alle dann auch
für mich (mein Abfurbezirk
hat die Nummer 17)
wie geht's heute zuerst
gelesen und ob bei dem Krieg
um die Wäscheklammern
KVOR angesagt wäre
was geht das geht es
und greift es mich an
jetzt doch schon
elsbeth a. fl., de - 10.11.99 at 21:29:09
Hip. Hipper. Hippi.
eiseisbaby münchen, bayern - 10.11.99 at 18:44:41
Novemberdämmerung, nur trübes Licht
und ihr Ach-du-verstehst-mich-nicht-Gesicht ...
Hippi, Stuttgart, Deutschland im Herbst - 10.11.99 at 18:05:52
Palma grunge
wurrstschen mit sossa. Ganze tag kuche. man muss nicht bekloppt sein, um
ein novemberwochenende im 17th state of Germany zu verbingen, aber es hilft.
Das haus ist kalt, aber das verhilft mir zum behaglichen knistern des kamins und
dieser alten heizdrahtöfen, wie ich sie sonst nur russischer bauart gesehen habe,
mit stilisiertem kyrillischem chromschriftzug "ogonek" in einem herbst an der
müritz. Meine
Eltern hatten immer befürchtet, ich werde ihnen eines tages "die ganze bude
abbrennen",
aber ihr kleiner pyromane lebt noch, und sie auch, in ihrem, in unserem, in DEM haus.
Der stechende geruch verbrennenden staubs und das british majorcan radio mit
glamour-swing den ganzen morgen. Heute ein himmel wie alte olivenblätter, ein wenig
graugrün, dazu mächtige winde. Nightshift von den commodors. Designer und solche,
die es nie sein werden. Aber sie mühen sich doch. Ein sog. Kulturphilosoph hat den
reichen ästheten, den therapeuten und den manager als leitbilder des deutschen an
sich im ausgehenden 20. jahrhundert erkoren. Hier findet man es, dieses leitbild, meist
als hybrid, selten überzeugend inszeniert. In der "altstadt" (alle gerichte mit
bunten
abbildungen), schnizzle mit pommos, cocktails, hähndl mit mus und händel vom band,
dazu weihrauch und rosenblätter. Zu hell hier. Applaus. Draussen spielt jemand
pippi langstrumpf auf einer blockflöte, sein freund hält den hut auf.
MEIN haus, MEIN äffchen, MEIN pferd,
mein anlageberater.
Ich träume von safranfarbenen wandteppichen über einem konzertflügel in einer garage.
melini kennzeichen D - 10.11.99 at 17:19:47
Fast hätte ich´s vergessen :
Deutsche Frauen, deutsche Würstchen, deutsches Bier und deutsches Kraut :
Deutsches lag mir oft im Magen und hat ihn mir oft versaut.
Deutsch ist alles, was selbst Deutsche noch aus den Pantinen haut :
Deutsche Würstchen, ihre Frauen, selbst ihr Bier und auch ihr Kraut !
H. Offman alias Hippi, nicht von Fallersleben, natürlich Deutschland - 10.11.99 at
14:45:57
Perfect World 1.9
Fabrikantensohn vermisst, stand da. Serafin Below, Juniorchef der Below GmbH, einer der
größten Arbeitgeber der Region: zum letzten Mal am 14. Juli gesehen. Die Polizei habe
mit den Ermittlungen begonnen.
'Den kenne ich.'
Der Pole hatte sich über die Theke gebeugt und tippte auf das Foto.
'Der war früher öfters in der Stadt. Ist was mit dem?'
'Nein.', sagte Eiseisbaby und zog die Zeitung weg. Er las die Zeilen noch
einmal, guckte auf das Foto. Dann trank er aus und stellte das Glas auf die Theke.
'Zahlen.'
Er schob dem Keeper einen Schein hin. Der grinste und nickte.
'Geht schon in Ordnung.'
*
eiseisbaby münchen, bayern - 10.11.99 at 12:17:54
Auferstanden mit schwerem Herzen. Ist doch November.
Dort hin zurück sein, heisst Krenz(e) ohne wall(et) das ist ein harter Schlag für die
Internationale. Auch der vierschrödige Kerl muss gleich weiter, keine Zeit.
Die Revolution ist tot, kein Glaube mehrt,aus der Traum vom Eins und der Macht des
positiven Unterbewusstsein.
Dunkle Zeit, langsam beginnt sich ein Wort zu vollfüllen. Ich wehre mich nicht mehr,
braun, die Flut wälzt sich über alles, nur noch Luft, hoch, treiben und jedes Mal wenn
ein bisschen Atem gelingt, setzt er ein, der Kopf.
Schweigen. Krank, ja alles ist krank, ich sehe alles krank, fällt, Versicherungen,
Wohnsitz, Städte, Verkehr, die Fenster zur Welt.
Sie sind krank, sagt mein Arzt. Nehmen Sie ruhig ein Aspirin, oder zwei, und da hab ich
noch etwas Baldriparan, auch zwei.
Macht mich das gesund?
Der Nächste, bitte, kann mir einer sagen, woher sich dieses Wort diese Macht nimmt?
Krank.
Die Mauer macht mich krank, sagte Susan.
Die Masse macht mich krank, sagte Diogenes.
Gesucht: Bierfass, Europamasse, mit günstigem Standort, nicht Ost-oder Westdeutschland,
sonnig, unrenoviert, glaubwürdig leer, geeignet für entwurzelte Poetin.
alinia santa cruz, europe - 10.11.99 at 11:42:19
Gestern, gestern war ich zum ersten Mal in der Kantine von Saturn. Weil ich immer auf
meinen kleinen Bruder höre. Der schämt sich für meinen PC und schenkt mir einen neuen,
wenn ich mir einen anständigen Monitor kaufe. Zwischen den platzängstigen
Kartonschluchten suche ich widerwillig zwei Monitore aus, ich hasse es, Geld für
Gerümpel mit Kabeln auszugeben. Suche dann den Verkäufer, der meinem Bruder am
ähnlichsten sieht, lange Haare, Locken, alles da, nur die sexy O-Beine fehlen. "Ich
brauche einen Monitor. Was ist der Unterschied zwischen dem schönen und dem hässlichen
da?" Er erklärt mir was von Herzen und Löchern, Löcher im Herz, damit kenne ich
mich aus, und dann legt er den Kopf schief und wartet. "Dann nehme ich den
schönen." Er zuckt ein ganz kleines bisschen, weil er mir natürlich gerade erklärt
hat, dass der hässliche der bessere ist. "Auch ästhetische Verbrechen an der
Menschheit werden bestraft" sage ich in seine braunen Augen. "Ich mach dann den
Karton fertig." "Neenix, erst anschliessen, ich will ihn leuchten sehen."
Hätte mein Bruder bestimmt auch gesagt. Also schliesst er ihn an, hier, 100 Herz, sind
zwar nur 96,6, aber ich sage nichts, muss dann plötzlich seufzen, und er fährt sich
durch die Haare. Ich kratze ein bisschen am Monitor rum. "Die Aufkleber, das sind gar
keine Aufkleber. Das kriege ich nicht ab, oder?" "Ich kann Ihnen meine
Visitenkarte geben, die kleben sie dann da drauf." Fährt sich nochmal durch die
Haare. Und grinst. "Basteln ist doof. Und jetzt brauche ich noch eine Maus ohne
Schwanz. Tastatur natürlich auch." "Oh, die Dame will Luxus. Ist aber besser,
wenn man was mit Schwanz im Haus hat, sozusagen." Sag ich mal gar nicht, dass das
nicht logisch ist, so als Mann, und dann hat er schon die Logitech-Kombipackung geholt,
179 DM, für keine Kabel. Der Verkäufer schiebt den Ärmel seines T-Shirts ein ganz klein
wenig nach oben, bevor der den Monitor wieder in den Karton hebt. Ich weiss ja nicht, ob
das nicht auch unlogisch ist, solche Muskelberge bei so einem kleinen Monitor, aber was
soll man mit Kunden wie mir schon anderes machen. Als ich an der Kasse stehe und leidend
zahle, legt sich eine Hand auf meine Schulter. "Das mit dem ästhetischen Verbrechen,
darüber müsste man nochmal bei einem Kaffe sprechen." Und so war ich also gestern
zum ersten Mal in der Kantine von Saturn. Weil ich immer auf meinen kleinen Bruder höre.
kathrin glosch - 10.11.99 at 11:23:16
Klar, nein, andersrum, meine Schuld, also der Anruf: Sagt der Ossi zum Wessi: Herzlichen
Glückwunsch, heute vor 10 Jahren haben wir euch reingelassen. Ganz zärtlich hat er mich
den ganzen Tag "Besatzer" genannt.
kathrin glosch - 10.11.99 at 10:45:38
Ach, Hippi müsst´ man sein !
Dass sie mich drum beneidet,
gestand sie mir grad´ ein.
Mir hat sie´s fast verleidet.
Ich bin nicht, der ich schein´,
ich bin nur der Verfasser.
Ich predige nur Wein
und trinke heimlich Wasser.
Hippi Stuttgart, Deutschland, einig´ Vaterland - 10.11.99 at 09:00:31
Die Ostdeutschen wollen immer noch nicht arbeiten, erklaere ich Sandy.
But why? They should be thankful.
Definitely.
In Denver hat kuerzlich die erste Sauerstoffbar eroeffnet. Dort bekommt man am Tresen
einen Schlauch in die Nase.
In Colarado sind nur 1.7 % arbeitslos.
Der Mercury Mountaineer traegt uns auf 2500 Meter. Die Luft wird duenner. Oben wartet Joe
mit Beck's Beer und fragt nach den Ostdeutschen.
Suse @ Denver - Red Bricks, War Cold - 10.11.99 at 07:35:19
Messies sind leute, die reflektiver sind als andere, sagten sie heute im radio.
Es sind leute, die in der vergangenheit leben, sagten sie.
Es sind leute, die ein wenig sentimental sind, sagten sie.
Und was nützt mir das, sage ich. Ich schaue mich in meiner Wohnung um und
fluche. Dann renn ich in die nächste Telefonzelle (es riecht nach rauch, und es
klingt nach kranichen) und bitte Julia, mich in zehn minuten anzurufen. Wieso,
lacht sie, bist Du wieder pleite,du sprichst doch gerade mit mir! Nee, sage ich,
ich kann mein telefon nicht finden.Sie lacht immer noch, als ich auflege. (es
nieselt, die kraniche müsen hier irgendwo rasten) Schweigen, stille. Jetzt will
sie mich ärgern, denk ich. Dann schrillt es irgendwo unter einem haufen papier.
Nicht schlecht, sagt sie, hat nur drei mal getutet.
Ich ruf Dich zurück, sag ich. Sie lacht immer noch.
melini in gedanken, - 10.11.99 at 00:35:05
Lachend und johlend stehen die drei Männer um den teilweise zugefrorenen See herum, dicke
Pelze und Fäustlinge schützen sie vor der beißenden Kälte. Gestikulierend und witzelnd
zeigen sie immer wieder auf den Mann, der ungefähr in der Mitte des Sees durch das dünne
Eis eingebrochen ist. Still kämpft dieser Mann gegen das Eiswasser, immer wieder rutscht
er aber vom glatten Eisrand ab, kaum ist er einmal mit dem Oberkörper auf dem Rand, so
bricht dieser Rand unter ihm wieder weg. Allmählich werden seine Bemühungen langsamer,
er ermüdet jetzt offensichtlich schnell. Die drei am Ufer haben Wetten abgeschlossen, wie
lange er es noch aushält.
Jetzt ist der Kopf des eingebrochenen Mannes zum ersten Mal unter Wasser, noch einmal
findet er aber die Kraft nach Luft zu schnappen, dann aber sieht man vom Ufer aus nur noch
seine Hand, die eigenartig verkrampft langsam, ganz langsam im Eiswasser verschwindet.
Jauchzend klatschen die Drei am Ufer sich ab und zahlen die Wettgewinne aus. Sie müssen
dabei so lachen, dass auch sie jetzt nach Luft schnappen müssen, als sie sich wieder
etwas beruhigt haben, stimmen sie ihr Vereinslied an.
Er1: "Gemeinschaft mit dem Bösen..."
Er2: ".....ist eine Sache nicht des Zwangs..."
Er3: "...sondern freier Wahl!"
Alle zusammen: " Freier Wahl, freier Wahl, freier Wahl...!"
Der Tannen- und Eichenmischwald um den See läßt den Refrain noch eine Zeitlang verkürzt
nachhallen. Wie immer nach einem gelungenen Ausflug ziehen die drei dann johlend und
schulterklopfend in das nächste Wirtshaus, wo sie mit ihren Späßen und Schwänken viel
zur Erheiterung der übrigen Gäste beitragen.
**
Schön. Auf arte, WDR3 und 3sat: Die Bilder. Einfach. Für sich sprechend. Dieses
fassungslose Staunen. Tränen. Glück. Freudentaumel. Und im Hintergrund immer die sich
zuspitzende Frage, schafft das kranke Monster es noch einmal einen hoch zu kriegen, wird
es sich in einem letzten Gewaltorgasmus verströmen oder wird es....und dann geht es
plötzlich alles ganz schnell, es röchelt, wird schlapp und alles ist plötzlich vorbei.
Stark. *Zapp* Die letzten Gralsritter der DDR streiten sich darum, wer denn jetzt die
Maueröffnung angeblich zu verantworten hat. Traurig. *Zapp* Das ZDF sammelt die
Höhepunkte deutscher Peinlichkeit, der unvermeidliche Udo, Klaus mit seiner
Rentner-Combo, die Feuerzeuge funktionieren wegen Regen nicht, wie schade. Grottig.
***
Beim Essen ließ Er noch einmal Teile seiner Rede Revue passieren, obwohl Sie ja Zeugin
seines Vortrags gewesen war. "Weißt Du", sagte er mit gewichtiger Stimme,
"die Mauer ist zwar vor 10 Jahren gefallen, aber eigentlich ist sie nur verschoben
worden, sie befindet sich jetzt....." Sie jedoch mauerte rasch ihre Gehörgänge zu,
wollte diesen Dummfug nicht schon wieder hören und beschloß, jetzt nur noch
Ohren-Catanaccio zu spielen. Ihr fiel auf, dass sie diese abgenudelten Bilder mit Mauern
und Köpfen und Zusammenwachsen immer von denen hörte, die selbst eine Mauer vor den Kopf
haben.
Aspera, Vom Tage, Bonn / Bundesrepublik D - 09.11.99 at 23:14:53
den ganzen Morgen
nach einem Bild gesucht wie
imTraum mittags die Fotografie
von dir im Sommer auf dem Bett
im weißen Anzug
es ist nicht mehr da
elsbeth a. angelburgerstrasse, de - 09.11.99 at 22:36:02
die archive, liebe freunde, sind noch da, noch. auch wenn sie leider nicht zehn jahre
zurückgehen.
http://www.snafu.de/~gloria/guestalt
bald gehen auch die poolarchive. aber die geschichte bleibt.
da history*pool - 09.11.99 at 21:48:36
vor 10 jahren habe ich gar nichts gerafft. mittlerweile freue ich mich sehr über die
menschen. nicht über alle,
aber über einige und über die richtig.
sixth son - 09.11.99 at 14:09:49
Als am neunten November vor zehn Jahren "die Ossis" "reingelassen"
wurden, war ich noch ziemlich klein.
Ich habe mich gefreut, ohne genau zu wissen, weshalb.
Heute bin ich ein ganzes Stück größer und hoffe sehr, die lassen mich nächstes
Frühjahr auch rein.
Ich werde genau wissen, weshalb ich mich darüber freue.
Dann gibts Sekt!
Triticea - 09.11.99 at 13:59:07
Gerade lese ich hier, dass es heute natürlich regnen muss, da klingelt das Telephon:
"Wollte dir nur gratulieren. Heute vor 10 Jahren haben wir euch reingelassen."
Meine Bürotür ist offen, die des gegenüberliegenden Sekretariates auch, aus dem Fenster
hinter der Sekretärin kann ich in die Gondeln des Riesenrades auf der anderen Seite des
Gebäudes sehen, sogar die Gesichter erkennen. Wir haben euch reingelassen. Dann steht die
Frau vor mir, die gerade geprüft wurde, die hat mich also auch reingelassen, Sekt ist
nicht, also biete ich ihr eine Zigarette an. Sie hat noch nie geraucht, weiss gar nicht,
dass man eine Zigarette nicht einfach so in der Luft anzünden kann, einen halben Meter
vom Körper entfernt. Als ihre Kippe im grünen Aschenbecher qualmt, nimmt sie sich
einfach die Zigarettenschachtel und zündet sich eine neue an. Gross.
kathrin glosch - 09.11.99 at 13:26:44
Morgens, kurz vor halb acht irgendwo in Franken in einer Schwimmbadumkleide: zwei ältere
Frauen im Gespräch.
Die eine, ächzend: "Heud reeeengts scho widder."
Darauf die andere, eine Gschaftlhuberin: "Dooch der Ainhaid, da mous ja reeng."
Viertel nach zehn in der Unibibliothek an der Ausleihe, Gesprächsfetzen der
Bibliothekare: "... Bananen für die Affen aus dem Osten..."
Triticea - 09.11.99 at 11:43:56
Perfect World 1.8
Gegenüber, auf der anderen Strassenseite die grosse grüne Tankstelle, die man erst im
Frühjahr dort hingestellt hatte. Überall zog man sie jetzt hoch, Tankstationen in
Firmenfarben, aufgebaut in wenigen Wochen. Die Alten mußten weg und die Neuen hatten
kühn geschwungene Dächer und helle Fassaden. Nachts leuchteten sie wie
Weltraumstationen, Botschafter einer neuen Ordnung, vierundzwanzig Stunden geöffnet.
Eiseisbaby trank noch einen Schluck und holte ein paar Papiere aus dem Kuvert. Eine
Doppelseite der letzten Ausgabe. Ein kurzer Absatz auf Seite Vier war mit Rotstift
umkringelt. Er blies den Rauch aus der Nase und las.
*
Gestern Abend, München Hauptbahnhof. Ca. 40 Minuten später, steht im Glaskasten über
Gleis 32. Zurück, Richtung S-Bahn. Mein Blick über die Züge und hinauf unter die Weite
der Halle. Eine Asiatin kommt mir entgegen, klein und schmal. Sie zieht einen grossen
Koffer hinter sich her. In der anderen Hand ein Pappteller mit Bratwürsten und Senf. Die
Bratwürste glitzern, sie lächelt und ich denke an Tokio: erstaunt.
Dankeschön, Augenblick. Sehr freundlich.
eiseisbaby münchen, bayern - 09.11.99 at 11:14:44
REAKTIONEN :
1) Liebe CARMEN SAMSON, erst einmal danke. Wahrscheinlich bin ich einfach bloß
begriffsstutzig, wie alle Männer. Aber das muss ich ja Ihnen nicht erklären.
Tatsächlich hatte ich im pool auch schon öfter das unbestimmte Gefühl, dass sich da
Manches zwischen den Zeilen versteckt. So etwas ist ja wunderbar zwischen Liebenden oder
sehr Vertrauten. Aber dies ist (auch) eine mehr oder weniger öffentliche Veranstaltung,
und ich finde, da darf man nicht immer alles verstecken. Sonst führt das irgendwann zu
solchen Eruptionen wie in den letzten Tagen, und alle müssen ihre Wunden lecken. Der
schönste (Bild-) Kommentar dazu der von ANTJE DORN am 7.11., 13.55. - Übrigens, den Text
von TOM KUMMER (5.11., 00.25) habe ich zunächst ganz genauso gelesen wie Sie. Und mir
dann ins Bein gekniffen und gesagt, das kann doch gar nicht sein, dass T.K irgendwo
outback U.S.A. auf einen namenlosen Hippi im Schwäbischen reagiert. Vielleicht habe ich
ja die Realität dieses Mediums immer noch nicht ausreichend verinnerlicht.
2) Endlich den ICKS von RALF BÖNT zu Ende gelesen.Ein großer Wurf, rundum gelungen in
der Zeichnung dieser Figur und in der Übereinstimmung ihrer Sprache mit der Komposition
und der Aussage des Buches. Einen Satz allerdings verstehe ich nicht (irgendwann hier oder
im pool gelesen), es handele sich um eine einzige Liebeserklärung an "Barbara".
Für mich geht es nur um die mit gerade gut 30 Jahren schon verschütteten Lebenschancen,
den Hass und den Selbsthass, die daraus entstehen und in eine zunehmend hermetische Welt
führen. Klar ist da noch diese Sehnsucht nach Liebe und Glück in der Kleinfamilie, aber
darin sehe ich eher einen Hilferuf als eine Liebeserklärung. Dieser Icks hat nichts mehr
zu verschenken, schon gar nicht Liebe. Auch deshalb ein wunderbares Buch über Deutschland
am Ende dieses Jahrhunderts.
Hippi, Stuttgart, BW, D, EU, UN - 09.11.99 at 10:00:03
Hyperreal. So sehen sie aus. Die Rocky Mountains. Die Luft ist duenn. Die Sicht klar,
irgendwie blass. Gesund. Ich esse einen Apfel. Das scheint mir angemessen nach dem East
und West Coast Terror. Selbst der Plattenspieler im FourWeelDrive klingt nach wohlig
erschoepfender Ertuechtigung. Satt, but healthy. Am Ende boten uns die L.A.-Rumaenen noch
vor dem Fruehstueck Whiskey an, den Frauen bisschen weniger. Danach die bekoemmlichen
12-Eier-Ommletts. Hier auf 2000 Meter geben sie dir Sojamilch zu den Granola Cerials.
In der ersten Nacht am Berg traeume ich von Henry Kummer, der in der Wueste steht und
unkindlich ernst erhaben Graubrot kaut. Wissend, irgendwie.
@@@@@
Hyperreal auch: Text und Mensch und Berg und Passwort und Ferne. Im Zusammen- und
Widersein. Und doch, immer wieder Heimat auch. Immer wieder Danke. Bis gleich. Wir fahren
ins noch Duennere.
Good Morgen.
Suse @ High Mile Hash Browns, Lakewood Colorado - 09.11.99 at 08:53:31
Novemberabend kürzlich, ICE im Speisewagen. Die Crevetten an Blattspinat sind schon
seit längerem aus. Steaks nun auch. In HH wird der Zug enden. Der Schaffner knipst die
Fahrausweise der Zugestiegenen lustlos. Bahncards schaut er gar nicht mehr an. Das müde
Personal verteilt bereits Rechnungen, deckt verlassene Tische rasch ein, für den
nächsten Morgen. Langer Stop vor Uelzen. Mir gegenüber Seidenhalstuch und Perlenkette,
Pinot Grigio, Grisham. Blankenese, denke ich, bis Altona. Eine Freundin habe ihr mal von
einer abgetrennten Fingerkuppe erzählt draußen in Blickhöhe, am graugetönten Fenster.
Ich sehe den gepflegten Nagel vor mir, Wink einer manikürten Kralle. Unbestimmter
Aufenthalt, hieß es im Lautsprecher, wg. Personenschadens auf dem Gleiskörper. Es muß
wohl der Schmodder erst weggewischt werden. - Vorgestern dann drängen sich die Wartenden
in Hannover auf dem schmalen Streifen zwischen Bahnsteigkante und einem Gitter, hinter dem
Schutt für den Expo-Umbau lagert. Die Verspätung wird häppchenweise durchgegeben,
jeweils noch 10 Minuten. Man bleibt und friert. Dann, heißt es, die nächste Verbindung
nach HH sei am Nachbarbahnsteig. Auf der Treppe erzählt mir eine Reisende, die
Verspätung, das seien Selbstmörder gewesen, gleich zwei, bei Göttingen, unabhängig
voneinander. - Im Speisewagen vor Uelzen hatte jemand am Nachbartisch laut ins Handy
gesprochen, dass die Frau mit dem Abendessen nicht warten soll. Die Indianer, die gingen
in den Wald oder setzten sich im Schneidersitz auf eine einsame Klippe. Hierzulande müsse
man zum Schluß noch den Fahrplan durcheinanderbringen.
l.barnes bielefeld, - 08.11.99 at 19:24:35
In der August-Bebel-Strasse kommt mir Emmas quadratische Katze entgegen. Ungewöhnlich,
weil sie sich nie aus der Schrottlandschaft vor meiner Haustür entfernt. Das liegt wohl
an Emmas unregelmässigen Fütterungen. Trinkt er, gibt es kein Katzenfutter, und so
warten die Katzen in den Waschmaschinentrommeln im Garten, bis die Kornflasche von der
Mülltonne verschwindet. Emma steht an seinen blauen Container gelehnt, er hat das
hühnergrüne Sozialamthemd an, auf seiner Stirn ein Abdruck der Mütze, die Haare wie
Stahlwolle gen Himmel. Neben ihm sein kleiner Wagen, auf dem ein alter Heizkörper liegt.
Vor ihm zwei Männer, Kameras in der Hand. "Meine, komm schnell, die machen Photos
von mir, wollen mal sehen, wie's hier aussieht, zehn Jahre Wende. Weisst Du, wann das
letzte Mal wer Photos von mir gemacht hat? Sieben Jahre ist das her, da lebte meine Inge
noch. Du hast ja nie welche gemacht." Nein, hab ich nicht. Ist schliesslich mein
Leben hier, kein Zoo. "Die kommen aus deiner Ecke." Ich sehe aufs Nummerschild.
Fast. Westfalen. Ich grüsse sie nicht, sie mich nicht. Die Photos werden klasse, ich
ärgere mich. Emma taumelt und stösst die weinroten Schüsseln für das Katzenfutter um.
"Können Sie bitte mal die Dose mit dem Futter in die Hand nehmen?" Emma bückt
sich, sieht aber noch, wie ich leise mit dem Kopf schüttele. Richtet sich wieder auf, im
Gesicht einen Kampf. Möchte den Fotographen gefallen, weiss aber, dass ich ihn nie in die
Pfanne haue. Sieht mich an. Sieht die Photographen an. "Nee, besser mal nich, die
Katzen sind ja gar nicht da, gibt ja keinen Sinn sonst, so ohne Katzen." Der
Photograph sieht mich an, ich Emma. Irgendwann fährt das Auto ab. "Meine, wie siehts
aus, haste ne Kippe für nen jungen Filmstar?" Er hält mir die Dose mit dem
Katzenfutter hin. "Kriegst auch die Hälfte ab."
kathrin glosch - 08.11.99 at 15:37:21
In der Waschmaschine das Familienerbstück, schneeweißes Leinen, handgewebt und
handgesponnen, mit Lochstickerei. Das bleibt jetzt wenigstens zwölf Stunden drin,
Einweichprogramm mit Gallseife, alle paar Minuten für ein paar Sekunden vollautomatisch
durch die Lauge gedreht. Wer auch nur einmal eine Nacht lang dieses Geräusch hat anhören
müssen, wird es nie mehr vergessen. Rotweinflecken, heimtückisch, mein geliebter Sankt
Laurent vom Neusiedler See, Weingut Heinrich. Dieses Glucksen. Schiffslände an der
Tellsplatte, Vierwaldstätter See. Ein Methusalem von Raddampfer, Sommerfrischler-Shuttle
von Steg zu Steg. Rumpf, Schaufelräder und Schiffsaufbauten aus Holz, Reling aus
Gusseisen, alles hundert Jahre lang Jahr für Jahr mit glänzender weißer Ölfarbe
überzogen. Weiße Möven, schwarzer Rauch, kohlegefeuert. Ein einig´ Volk von Brüdern,
Tom Sawyer und Huck Finn, Proud Mary keeps on ..., ja Himmel, keeps on what ? Warum fällt
mir dies Wort nicht ein ? Köln-Düsseldorfer Donaudampfschifffahrtsgesellschaft, nein,
Quatsch : Neuharlingersiel, ostfriesisches Wattenmeer. Der unerklärlich gewundene Priel
zwischen den Schlickbänken zur Fahrrinne vertieft, rechts und links mit lächerlichen
kahlen Bäumchen markiert, eher auf den Stiel gestellten Kehrwochenbesen, fast wie eine
Allee an Land. Die sind bestimmt für die Seehunde, kichert mein großer Bruder. Eine
Brise, weiße Möven flattern auf, Salzgeruch. Selten : Sandbänke unter der
Wasseroberfläche, Untiefen, mit Schwimmbojen kenntlich gemacht. Rettungsboote ? Tief
Schlucken. Sehr alt, aus Holz wie die Ruderkähne im Stadtpark, nur noch von weißer Farbe
zusammengehalten. Das kennen wir ja schon. Alligatoren ? Nöö, höchstens Seehunde. Auf
der Insel fast das gleiche Bild, cum granu salis : Häuser fast wie Schiffsaufbauten,
hölzerne Glasveranden und Vordächer, geschnitzte Profile und Ornamente, alles mit
weißer Ölfarbe überzogen. Sogar die Bretterzäune. Bäderarchitektur der letzten
Jahrhundertwende und ein frühes Beispiel passiver Solararchitektur. Hermann Scheer, der
alternative Nobelpreisträger. Baubürgermeister Klumpp von Böblingen : Älles
niederreißen, däs Glombb ! Protestresolution, kein desktop publishing, sondern meine
schönste Schülerhandschrift, marineblau auf blütenweißem Papier, vorher extra die
Pfoten gewaschen : Unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit und unter Berücksichtigung
der beim Bau, bei der Herstellung der Baumaterialien und bei ihrer Anlieferung eingesetzen
Energieressourcen kann es sinnvoller sein, ein noch so unzulänglich wärmegedämmtes
älteres Gebäude für weitere hundert Jahre zu erhalten, als es abzureißen und durch ein
neues Null-Energie-Haus zu ersetzen ! Aber sehr energisch und mit dickflüssiger roter
Tinte unterstrichen : Glombb. So ein Dackel, das ist schwäbisch und steht für Gelumpe,
cum granu salis ! Gleich noch eins drauf, rote Wellenlinie unter meinem stolzen Zitat,
Randbemerkung : Werden Sie ökonomischer in Ihrer Wortwahl ! Ausgerechnet dieser alte
Schwätzer, Oberstudienrat Bretterjan vom Erich-Maria-Remarque-Gymnasium "zu"
Osnabrück. Früher Horst-Wessel-Oberschule. Trotzdem, das hat gesessen ! Weniger Worte,
einfachere Wörter. Sätze müssen sein wie Seezeichen : Einprägsam, klar,
unmissverständlich. Da ist es doch endlich, dieses Wort : Arte Povera. Aber hatte ich
nicht eigentlich ein ganz anderes gesucht ? Trotzdem, endlich beruhigt einschlafen.
Einzelne Namen und Orte mussten aus rechtlichen Gründen verändert werden.
Hippi, Stuttgart, BW, D, EU, UN - 08.11.99 at 15:27:53
Als ich heute Morgen die Zeitung aufschlug, fiel mir eine Anzeige auf: Existenz zu
verkaufen, stand da, und eine Telefonnummer.
Meine Existenz erschien mir langweilig, und außerdem hatte ich heute frei. Ich rief die
Nummer an.
Ein freundlicher Herr meldete sich und sagte, ich könne gleich vorbeikommen.
Das Haus war groß und teuer, und der Preis niedrig.
"Ich bin meine Existenz leid", sagte er, "doch vielleicht kann ein anderer
sie noch gut gebrauchen? Ich möchte sie nicht einfach wegwerfen, das wäre
Verschwendung."
Ich verstand ihn gut. "Darf ich einmal zur Probe?" fragte ich.
"Nicht, daß sie sie mir ruinieren", warnte er. Aber ansehen dürfe ich mir
alles.
Ich schaute mir die Räume an. Der Herr war in Pension, nicht einmal arbeiten müßte ich.
Im Schlafzimmer lag eine junge Frau im Bett. "Sie ist im Preis inbegriffen",
sagte er.
Ich entschied mich gleich. "Gut, ich nehme sie, sie gefällt mir", sagte ich.
"Eine gute Entscheidung", beglückwünschte er mich, und fragte, ob er meine
alte Existenz haben könne, denn die brauchte ich ja nun nicht mehr.
Wir gaben uns die Hände zum Abschied.
Ich machte mir ein Feuer im Kamin und begann zu lesen.
Dann lief ich ins Schlafzimmer und wollte mich vorstellen, doch sie reagierte nicht.
Erst bei genauerem Hinsehen entdeckte ich das Blut auf dem Kopfkissen.
Wir hatten kein Rücktauschrecht vereinbart.
andrea frankfurt, - 08.11.99 at 14:10:25
Perfect World 1.7
'Na, schon eine Geschichte heute?', sagte der Mann an der Bar, ein Pole mit
verblüffend italienischem Akzent.
'Bin gerade dabei. Eine Limonade bitte. Zitrone mit Eis.'
Eiseisbaby setzte sich auf einen Hocker und griff über die Theke nach den rosa
Streichholzschachteln
'Wieder was über die Mafia?', sagte der Pole und grinste.
'Genau.' Er holte ein zerknautschtes Päckchen Zigaretten aus seinem Jackett und
steckte sich Eine an.
'Hast Du was für mich?'
Der Keeper schob ihm die Limo hin. Er trank gleich einen grossen Schluck und fühlte sich
besser.
'Nö.'
'Alles klar.' Eiseisbaby sah sich um. Ausser einem Pärchen auf der Terasse war
da niemand. Die Luft angenehm kühl, fast etwas zu kühl, dachte er und behielt das
Jackett an. Der Pole ging zur Musikbox und warf eine Münze ein: Ein italienischer
Schlager, Sommerhit des Vorjahres. Der Pole summte leise mit und trocknete weiter
Pilsgläser ab.
*
eiseisbaby münchen, bayern - 08.11.99 at 13:14:49
Sie merkt, daß der Kampf, der Streit allmählich zum üblichen Streit degeneriert ist,
der Streit um die Sache, die ihr früher so viel bedeutet hat, ist nur noch Ritual.
Sie machen heute die Drei, hatte ihr Chef gesagt, und: es wäre nix los, da müssen wir
halt Tschetschenien mitnehmen. Sie also nimmt sich den Korrespondentenbericht vor und
fängt an ihn rund zu machen, sucht nach einsetzbaren Protestworten westlicher Politiker
und findet keine, aktualisiert die geschätzte Zahl der bisherigen Toten und redigiert den
Text dann zweimal. Zwei Fotos zur Illustration sind noch rauszusuchen, dann wäre die Drei
schon zu. So sitzt sie dann vor ihrem 21-Zoll-Eizo und starrt auf die Bildauswahl, sieht
brennende Häuser, ausradierte Dörfer, zusammengeschossene Flüchtlingstrecks, kopflose
Kinderleichen, Verwundete, denen keiner hilft und denen auch keiner mehr helfen kann,
denen der Tod bereits über die ausgemergelten Schultern starrt. Sie sieht ein Bild mit
einer jungen Frau, die vor einem verkohlten Stück Holz sitzt und apathisch und mit
völlig leerem Gesicht auf dieses Etwas starrt, erst aus dem Bildtext erfährt sie, daß
es sich bei dem vermeintlichen Kohlestück um eine verbrannte Kinderleiche handelt.
Sie entschließt sich für ein Bild einer weinenden älteren Frau, die vor den Überresten
der Ortschaft Chervlyonove steht, einem Ort, der von russischen Soldaten bereits befreit
worden ist, dafür aber auch aufgehört hat, zu existieren. Das zweite ausgesuchte Foto
zeigt einen gefährlichen Terroristen im Krankenhaus. Dieser Terrorist ist ca. sechs Jahre
alt und hat beim Beschuß des Dorfes Samashki durch eine Batterie russischer
15cm-Haubitzen beide Beine oberhalb der Knie verloren und liegt heute im völlig
überfüllten Spital von Sleptsovkaya in Inguschetien, nahe der Grenze. Um ihn herum
weinende Angehörige, alles Frauen mit Kopftüchern, die Männer dürfen Tschetschenien
nicht verlassen. Die Augen des kleinen Jungens blicken groß und braun und alt und leer in
die Ferne. Seine schmutzigen Verbände sieffen an den Amputationsstellen bereits durch. Er
wird bald sterben.
Sie nimmt sich die beiden ausgesuchten Bilder, geht zu Ihrem Chef und zeigt sie ihm. Und
der übliche Streit beginnt. "Sie wissen doch, daß wir solche Bilder dem Leser nicht
zumuten können," raunzt der Chef genervt, "aber das Thema haben wir doch schon
so oft besprochen." An diesen Stelle hatte sie früher Sätze geantwortet, wie
"Aber wenn es doch so war..." oder "Aber es zeigt doch die
Wahrheit..." und ganz früher, "aber es ist doch unsere Pflicht, alle auf so
etwas aufmerksam zu machen". Heute sagt sie das nicht mehr, ballt nur noch die
Fäuste und kneift die Lippen zusammen. Sie merkt, daß ihr Kampf in den Jahren zum Ritual
erstarrt ist, und daß sie diesen Kampf von Mal zu Mal weniger entschlossen führt.
Zurück in ihrem Büro denkt sie über die ganze Angelegenheit nach, während sie das Bild
mit dem dahingemetzelten Jungen gegen ein unverfängliches (rauchende Soldaten vor
Stalinorgel in einer Handwerkspause) wechselt. Erschrocken merkt sie, daß es ihr schon
lange nicht mehr um den Hintergrund ihres Streites und Kampfes geht, um das Zeigen dessen,
was sie für Wahr und Wichtig hält, sondern ohnehin nur noch um den Kampf als solchen.
Rückzugsgefechte einer verzweifelten Nachhut, die bestrebt ist, zumindest die Grundzüge
des früher Gewesenen noch zu schützen. Sie merkt auch, daß sie selbst diesen zweiten
Kampf immer schwächer und unentschlossener führt, immer gleichgültiger wird und sie hat
Angst davor, bald nicht einmal mehr den Kampf um den Kampf zu führen. Und dieses Bald
kommt ihr plötzlich bedrohlich nahe vor.
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So gesehen hätten Sie Recht, Herr Oswald. Ansonsten haben sie mich wohl mißverstanden.
Aspera, Bonn, im Schreibhurenland - 08.11.99 at 13:10:46
Du Sven, Elke. Muss ich die 10.000 DM jetzt zurückgeben? War ja für die
letzten 10 Beiträge. Ich meine nur, jetzt wo rausgekommen ist, dass die anderen keine
Kohle bekommen. Dankeschön. Sehr unfreundlich.
eiseisbaby münchen, bayern - 08.11.99 at 11:31:26
tv: demo am 4.nov. 89 auf dem alexanderplatz:
stefan heym als scheiternder engel im abendlicht
björn kuhligk slam, - 08.11.99 at 00:09:48