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pool #29 01.01.-07.01.2000

pool #28 / pool #30


Wir laufen im Sand. VENICE BEACH. Das Ende dieses Jahrhunderts erstreckt sich vor uns wie ein leerer Strand.

Tom Kummer Los Angeles, USA - 01.01.00 at 00:25:57





gefeiert
gelacht
getrunken
getanzt

die nunmehr dritte
der heiligen Pforten zu öffnen

bey bey 1999
happy holy new year
bey bey kränk

hello third millennium

Samstag, 1.1.2000, Berlin


Rainald Goetz - 01.01.00 at 17:09:40




Hi, friends, you have seen the heavy groups, now you will see morning-maniac-music! Believe me! It' s a new dawn.....
GOOD MORNING PEOPLE (1968)


Grace Slick Topanga Canyon, USA - 01.01.00 at 19:11:22




1
Der Vater ruft die Tochter an. Mit frohen Neujahrswünschen, das auch, ja ja. Wichtigeres aber.
2
Das Telephonat der Mutter mit ihr, gestern, hätte er gehört. Er sei nämlich dagewesen. Zuhause. Jedes Wort also.
3
Eines sei klarzustellen. Er habe, das entspreche allerdings dem von der Mutter Behaupteten, mit dieser einmal die Frage erörtert, ob der Bruder damals mit dem au-pair-Mädchen geschlafen habe. Keinesfalls aber habe er selbst mit dem au-pair-Mädchen geschlafen. Auch die ihm von der Mutter in den Mund gelegte Feststellung: wenn der Sohn mit dem au-pair-Mädchen geschlafen hätte, wie nebenbei bemerkt sowohl vom Vater als auch von der Mutter und mithin gemeinschaftlich von beiden vermutet, dann hätten Vater und Sohn mit der gleichen Frau geschlafen, diese Feststellung habe er nie getroffen.
4
Die Tochter schweigt.
5
Das au-pair-Mädchen war eine langbeinige Brasilianerin mit flachem Bauch und kleinen Brüsten gewesen. Sie wußte, wie man das Haar energisch zurückwarf, und saß im Auto mit beiläufig gespreizten Knien.
6
Als sie der Tochter zeigte, wie man sich am geschicktesten die Beine rasiert. Im gelben Bad. Irgendwann hatten sie die Tür abgeschlossen.


Carmen Samson Berlin, - 01.01.00 at 23:06:58




alles neu
alles relativ
alles relativ neu

(1. Januar smells funny)

Abb.: Mareike Schultz aus Kiel


Andreas Neumeister - 01.01.00 at 23:57:42




millenium

Als ich von den Krachern wach wurde - ich hatte trotz wohliger Muedigkeit nur leicht gedoest - eine innere Unruhe hielt mich vom ersehnten Schlaf ab - kuesste ich Sven, der merkte nichts, und stand auf und ging hinaus. Als ich am Strand im Liegestuhl lag und dem Feuerwerk zusah, die Sterne ueber mir, in der Ferne kleine Menschengrueppchen, leise Stimmen, alles ganz ruhig - angenehm, dachte ich mir, und dass ich mich nicht wundern wuerde, mich hier im kuehlen Nachtwind, vom Schlaf noch leicht verschwitzt, zu erkaelten.

Frueher, viel mehr als heute, suchte ich einen Zusammenhang zwischen der Sylvesternacht und dem darauffolgenden Jahr. Die Art und Weise, wie und mit wem man den Jahreswechsel feiert, als vorrausweisend dafuer, wie und mit wem man das folgende Jahr verbringen wird.
Als geradezu erloesend fuehle ich mich davon befreit - und aus Erleichterung darueber gluecklich in meinem einsamen Liegestuhl. (Mit einem leichten Grausen bei dem Gedanken, was das fuer das kommende Jahr, wenn nicht sogar Jahrtausend bedeuten koennte, sollte es wider besseren Wissens doch einen Zusammenhang geben.)

Das Feuerwerk ist ein geradezu wunderbar soziales Vergnuegen, an dem man ueber eine grosse Entfernung und mit stiller Freude teilnehmen kann.

Die huebsche kleine Franzoesin von nebenan, die eigentlich Schweizerin ist und die ich irrtuemlich fuer eine Italienerin gehalten habe und Sven fuer eine Portugiesin, und die ganz entzueckend aussieht mit dem Camouflagehut, den ich Eva zu Weihnachten schenken wollte, aber nicht getan habe, weil er mir nicht stand, war die erste, der ich ein frohes neues Jahr gewuenscht habe.

E.N. Ko Lanta am 1.1.2000


e.n. - 02.01.00 at 06:22:28




DUE TO RAMADAN WE CANOT SERVICE
YOU BETWEEN 18.30 AND 19.00
SORRY FOR THIS INCONVENIENCE

Lieber S.
Nicht alles wissen, ja, fast nichts wissen. Dieser Zustand ist immer der gleiche, nur das man ihn mehr oder weniger bemerkt. Manchmal ist das Nichtwissen eine angenehme Bloedheit im Kopf, die man gerne, und gar nicht zu unrecht, kultiviert. Sie steht dann im leichten Wechsel mit der Neugier, die alles erforschen will, die Buecher aufschlaegt, die Augen oeffnet, das Neue tut. All das mit einer Leichtigkeit, die wir uns so sehnlichst von den Dingen wuenschen. Leicht wie Margarine.
Entschuldige bitte, ich halte sie so vage, wie sie auch sind, diese leichten Disziplinen des Lebens. Sie stehen hier auch nur im Gegensatz zu etwas anderem, naemlich zu meinem Zustand am 1.1.2000 um sieben Uhr morgens vor dem grossen Fernseher im Restaurant. Um sechs feierte Berlin Sylvester. Um sechs war aber noch niemand da, der ihn mir haette einschalten koennen. Und dann tatsaechlich, es lauft CNN, die Satelliten scheinen zu funktionieren. Werbung. Kurze Bilder aus Peking, Moskau. Zu kurz, um zu sehen, ob danach das Licht ausfiel. Werbung. Vorschau, Medizin im dritten Jahrtausend. Werbung. Tom Jones ueber die bevorstehende Sylvesterfeier in Washington, Live-Schaltung. Es scheint ueberhaupt nichts passiert zu sein. Zehn Minuten lang ist zu sehen wie Menschen in Rio am Strand stehen und Blumen ins Meer werfen. Pausenlos kommentiert von betrunkenen amerikanischen Touristen, die ins Mikro schreien: GREAT, YA SO GREAT HERE. Werbung.
Y2K, da, kurze Bilder einer Konferenz, dann die Information, das auf einer Star Trek-Seite, die sich ueber das Jahr2000Problem lustig macht, selbst das Datum 1.1.1900 erschienen ist. Nahaufnahme der Website. Werbung. Fuck. Fuck CNN. Perfekte Zelebrierung der Null, des Nichtwissens. Da ist es, das wirklich schmerzliche Nichtwissen, das mich allein laesst auf einer Terasse ueber dem Meer, zwischen muffigen Fruehstueksgaesten, die zeitig zur Schnorcheltour aufbrechen wollen.
Am Abend die Parade der Staedte, die nacheinander in den verschiedenen Zeitzonen Amerikas feiern. Feuerwerk. New York war schon dran. Keine Bilder. L.A. in ein paar Stunden erst. Phoenix, drei, zwei, eins, Feuerwerk, Schnitt. Werbung. Nie habe ich die Informationsgesellschaft so gehasst. Werbung.
Spaeter mit Anton auf eine Bergkuppe gefahren, mit dem Telefon(mobile) meine Mutter angerufen und sie geweckt. Und ihr ein frohes Neues Jahr gewuenscht. Thaijungs fahren vorbei und lachen. Sie sitzen zu dritt auf einem Moped und halten kurz an, um zu sehen was wir da machen. Im Maerz feiern sie Neujahr, den Wechsel vom Jahr 2542 zu 2543.


Sven Lager Koh Lanta Santos InternetShop, - 02.01.00 at 06:28:52





Au revoir.


Christian Kracht Hikkaduwa, Sri Lanka - 02.01.00 at 10:54:29




1
Der erste Liebhaber der Tochter erzählte, lange nach dem Ende ihrer Liebesgeschichte, wenn es denn eine war, wovon die Tochter nicht ganz überzeugt war, und doch noch kurz vor der dann, wie nach Liebesgeschichten üblich, eintretenden Phase gegenseitigen wohlwollenden oder zumindest nicht böswilligen Desinteresses, von einem Gespräch, das er mit der Mutter der Tochter, also der Mutter seiner späteren Geliebten, geführt hatte. Zu einer Zeit sei das gewesen, als er von dieser Tochter noch keine Notiz genommen hatte.
2
In dessen Verlauf, sagte der mittlerweile also ehemalige Liebhaber der Tochter, habe ihm deren Mutter mitgeteilt, er dürfe mit ihrer älteren Tochter, also mit ihr, seiner späteren Geliebten, machen, was er wolle. Er dürfe sie haben, das seien die Worte der Mutter gewesen, sagte der erste Liebhaber der Tochter. Die jüngere Tochter hingegen, die Schwester also seiner späteren Geliebten, die dürfe er keinesfalls anrühren. So hätte es ihm die Mutter seiner früheren Geliebten gesagt, berichtete der ehemalige Liebhaber und erste Geliebte.
3
Die Tochter und Ex-Geliebte schwieg bei dieser Mitteilung.
5
In einem Gespräch hatte ihr die Mutter, lange, bevor sie von ihrem späteren Liebhaber und dann noch späteren Ex-Liebhaber wußte, von diesem erzählt. Gefährlich sei er. Stünde neben egal welcher Frau und erbebe vor Verlangen. Sie selbst hätte jederzeit eine Affäre mit ihm haben können, sagte die Mutter in einem Gespräch der älteren ihrer beiden Töchter.
6
Darauf aber habe sie verzichtet.
7
Die Tochter überlegt, daß die Mutter dieser Erzählung noch zwei Dinge hinzugefügt haben könnte, an die sie sich heute aber nicht mehr erinnert. "Das habe ich Euch zuliebe getan, meinen Kindern." Oder: "Nicht mein Stil. Affären hat man nicht."


Carmen Samson Berlin, - 02.01.00 at 22:22:13





bye bye why?
why?

bye bye for y2k

2.1.2000


rgb - 02.01.00 at 22:34:56




es hatte immer einen knallharten Wettlauf darum gegeben, wer die erste Platte besaß, die als Produktion des jeweils neu angebrochenen Jahres ausgewiesen war und es hatte einen umso härteren Wettlauf darum gegeben, wer die erste Platte besaß, die als Produktion der Achtzigerjahre ausgewiesen war

Abb.: Das auch Fort Knox genannte Anwesen Friar Park in Henley-on-Thames


Andreas Neumeister - 03.01.00 at 02:50:10




Lieber Stefan,
keine Neuigkeiten, die dich vom Hocker hauen wuerden, aber das Jahr 2543 beginnt in Thailand nicht mehr im Maerz, sondern jetzt auch am 1.1. Schoen anzusehen wie alle, und allen voran ich selbst, angesichts der neuen, technischen Glattheit des Jahres 2000 fasziniert und erschrocken sind. Fuer uns lag die Vision einer Zukunft immer im Jahr 2000 oder danach, ironisch gebrochen, trashig und doch religioes, so wie wir eben Zukunft immer verstanden wissen wollten. Gurke Stuek fuer 1,29 und Science Fiction.
Ich wuesste keinen, der nicht ueberrascht war am 1.1.2000 ebenso aufzuwachen wie am 31.12.1999. Ploetzlich ist da, was immer so schoen disko glaenzte.
Die Welt euphorisiert mich in ihrer Gewoehnlichkeit und nur das Datum laesst sie mich noch einmal ansehen. Und obwohl ich oft ungluecklich bin in der Langeweile, der Oede, an der ich letztendlich selbst Schuld bin, bin ich nicht weniger oft glueklich in dieser Welt, in den seltsamsten Momenten, willenlos, manchmal sogar ueberrascht von ihrer brutalen Gleichfoermigkeit.

Wiederholung: "dass von einem bestimmten Zeitpunkt ab die Geschichte nicht mehr wirklich war. Ohne es zu merken, haette die Menschheit insgesamt die Wirklichkeit verlassen; alles, was seitdem geschehen sei, waere gar nicht wahr; wir koennten es aber nicht merken." (Elias Canetti)

Was nicht das Schlimmste waere. Wahr heisst jetzt real und wirklich virtuell. Das Jahr 2000 findet statt, und es fand auch schon vorher statt, die ganzen letzten Jahre. Es fand vor zwanzig Jahren statt und auch schon vor hundert Jahren. Und nun, da es anfaengt, wird es werden wie wir uns es vorstellen, und so wird es uns auch in Erinnerung bleiben. Im Grunde ist dieser "bestimmte Zeitpunkt" schon da, denn was war in den letzten Jahren aufgeladener als das Jahr 2000? Das Jahr 2000 ist ein hervorragendes Transportmittel der Ideen, ein sattsam bekannter und doch toller neuer Gebrauchsgegenstand.

Lecker: virtuell.


Sven Lager - 03.01.00 at 09:22:00




abends zuhause III:
Die Großmutter am Telephon, krank, heiser, mit rührender Krächzstimme: Es sei ja nun leider kein besonderer Moment gewesen, DER Jahresanfang. Nein, war's nicht. Stimmt, ja. Es habe DER Moment gefehlt, die Poesie, der Stillstand, das Aus-der-Zeit-fallen. Stimmt. Wir wussten andauernd, auf die Minute, wie viel Uhr es ist. Und am Ende, bis zehn Uhr früh, als ich mit Oskar - klassisch vollgedröhnt, aber voll! aber voll! - auf der Berliner Torstraße als erste Mahlzeit eine Currywurst mit allem und Pommes bestellte, hatte niemand, niemand, gar niemand einen tollen, dramatischen Anfall, Ausfall oder etwas in der Richtung gehabt. Keine Tränen, Lieder, großen Reden. Kein Geschrei. Die Mädchen hatten, wie jedes Jahr, Angst vor den Böller-Antacken der Türkenhomeboys-Gangs, also ging es husch-husch, händchenhaltend, hübsch-anzusehen, zurück auf die Party.
Sie habe, gegen zehn abends, Mahlers Fünfte aufgelegt. Allein sei sie gewesen, was schön war. Was ihre Entscheidung gewesen sei. Sagt sie. Krächzt sie, die Gute. Ist ja furchtbar. Furchtbar fürchterlich oder - wie sagten wir gleich? Richtig. Furchtbar banal. Ah. Ha!
Ich hatte sofort wieder Angst, dass es wieder so ein Endlos-Telephonat mit der Großmutter werden könnte mit so Satzanfängen wie "Sag mal ..." und "Lass mich nur noch eins fragen, nämlich ...". Also sagte ich, ziemlich bald, ziemlich plötzlich, ziemlich gemein: "Großmutter, Du weißt schon, dass ich Dich ziemlich gerne habe." Was sie sonst immer gerne zu mir sagt. Und mich, logischerweise, jedesmal praktisch ausschaltet als Weiter-Denker, -Sprecher, -Telephonierer. Diesmal war sie still. Und wir kamen in Frieden auseinander.
Berlin war, wie es die Zeitungen heute schrieben, ein Ausfall, aber, natürlich, ein angenehmer. Wir standen im Matsch auf dem sogenannten Nordbahnhof-Platz. Zu sehen gab es original: nichts. Außer einen Aktenkoffermann, der großen Eindruck machte, weil er um Punkt 0 Uhr 00 aus dem S-Bahnhof herausgelaufen kam. Sonst alles zugenebelt. Alle waren verlorengegangen. Nur Oskar, sonst immer Nichtraucher, sagte um 0:03: "Gib! Gib! Eine Zigarette! Jetzt rauche ich auch eine!". Und dann rauchten wir gemeinsam. Gegen 0:10 großes Geküsse. Und einer trat die Magnumflasche, aus Versehen, gleich mehrfach in den Dreck.


Moritz von Uslar, Sophienreuth, Oberfranken - 03.01.00 at 16:39:42






"Was haben die Ärsche nur gegen Mickey und Mallory? Natural Born Killers ist der geilste Film der Welt! Gut, bißchen mehr Liebesgefühl hätt ich gern drin gehabt", sagt Lola.
"Ich hab den Film nicht gesehen", sag ich.
"Macht nichts", sagt sie. "Ich mach mal was mit dir. Wir überfallen jemand. Ne Oma, wie findest du das? Ne Mittelalte, sterben und uns ne Fahndung bringen soll sie nicht, wie findest du das?"
"Ne Oma? Ich weiß nicht. Ich hab meine Oma, glaub ich, Erinnerung mein ich, doch geliebt."
"Liebe gibts nicht", sagt Lola.
Sie läßt mich kommen und leckt die CDs ab, die neben uns liegen. "So", sagt sie, und "tut mir leid, daß ichs verpaßt hab."
"Macht mir Scheißdreck", sag ich. "Schmeckt doch auch scheußlich, das Zeug, oder?"
"Du spinnst, ich liebe es! Wieso, glaubst du, würde ich sonst den Dreck von deiner Wohnung lecken, nur nachdem du um dich rum gespritzt hast?"
"Derartiges hört man gern. Aber trotzdem weiß ichs nicht. Weil du verrückt bist? Laß uns weiter über was Geistiges sprechen. Nicht über solchen Schmutz."
"Meinst du Film?"
"Genau. Wir überfallen jemand, ne Oma meinetwegen. Ist wahrscheinlich am sichersten." "Obwohl die immer so viel Angst haben und kein Geld mit rumtragen. Die Bildzeitung ist der ihre Droge - erst der Spaß, wenn sie drin lesen, aber dann und eigentlicherweise versauen sie sich das unbeschwerte Leben, was sie im Alter haben könnten."
"Na na na. Nicht zu schlecht über Drogen reden, schon gar nicht laut."
"Ach komm. Weißt genau, daß ichs nicht böse meine."
"Früher hat man die Bildzeitung noch manchmal angezündet."
"Früher. Ach ja hach ja."
"Früher, ja."
"Ach ja, früher."
"Ach."
"Ja."
Wir machen es noch mal. Versuchen es. Versuchen es.
"Früher."
"Ach ja. Früher."


robbe lipsia, - 03.01.00 at 22:46:43




was ist aus David Melzer eigentlich geworden?
Bereitschaft vorhanden/ Bedingung BASF-Kassetten

Abb.: Ein Bild aus besseren Zeiten


A.N. Mjunik, - 04.01.00 at 02:31:02




SMIRN (Horst Tappert) sitzt grübelnd an seinem Schreibtisch und starrt auf ca.15 sorgfältig glattgestrichene Bazooka-Joe-Kaugummipapier-Comicstrips. GRATZE (Fritz Wepper) beobachtet ihn aufmerksam. Als SMIRN den Kopf schüttelt, kommt GRATZE geschmeidig näher. Beide beugen sich nun gemeinsam über die Papierchen.

GRATZE
(zu sich selbst)
Dunkel wars.

Nach einer kleinen Verzögerung sieht SMIRN ihn an.

SMIRN
Sag das noch mal.

GRATZE
(verwundert)
Dunkel wars.

SMIRN
(fällt ein)
...der Mond schien helle.

SMIRN sieht GRATZE herausfordernd an. Gratze muß noch nachdenken, aber SMIRN wird nicht ungeduldig. Dann begreift GRATZE.

GRATZE
Dunkel Helle!

SMIRN nickt vielsagend, GRATZE hastet zum Telefon, wählt die 42.

GRATZE
Hör mal her, Addi. Überprüf mal Helle, Dunkel.
- Ja, richtig: Dunkel ist der Vornahme.

GRATZE wartet. Dann lauscht er aufegeregt und nickt SMIRN immer wieder bestätigend zu.

GRATZE
Du hast Recht gehabt. Er ist seit vierzehn Tagen
wieder draußen.

SMIRN
Und deshalb möchte ich mich jetzt mit ihm unterhalten.

SMIRN und GRATZE verlassen ihr Büro.
Nach etwa einer Minute kommt GRATZE noch einmal zurück und steckt die Bazooka-Papierchen ein.


hellBlau - 04.01.00 at 12:33:40




1
Durch das Schlafzimmerfenster seiner Geliebten sah man die Venus. Im Ausschnitt des Fensters der am hellsten leuchtende Stern.
2
Er hatte aus dem Dunkel emporgeschaut, da fiel eine Sternschnuppe. Seine Geliebte hatte sie nicht gesehen, daran erinnerte er sich. Sie hatte hinter ihm gestanden, die Arme um ihn gelegt, den Kopf an seinem Schulterblatt.
3
"Dann mußt du dir was wünschen, ganz schnell!" hatte sie gesagt.
4
Er aber hatte gefunden, er hätte schon alles, was er sich wünsche.


Carmen Samson Berlin, - 04.01.00 at 22:34:24




Barry Glassners "Society Of Fear" in Aktion. Im Sommer noch, bei Mark, Krankenpfleger, Kapitän der freiwilligen Feuerwehr irgendwo Upstate New York. Ein weisses Bürgerhäuschen auf dem Lande, in jedem Zimmer strategisch plaziert eine Feuerwaffe, in jeder Himmelsrichtung ein Fernglas in Fensternähe, die Dorfstrasse über die Brücke als möglicher Weg eventueller Angreifer in Parameter eingeteilt. Das Schlafzimmer - neben dem Bett ein Repetiergewehr für sie, Pump Action für ihn. Im Keller der Bunker mit den Gasmasken, den Funkgeräten, den Antibiotika vom Tierarzt, den Dosen, Tüten, Schachteln. Ein halbes Jahr wollte er ausharren. Karikatur, Klischee, wirres, irres Amerika.

Und? Ganz ehrlich? Vorbereitet? Eingekauft? Gehamstert? Klar. Eineinhalb Jahre Panikpropaganda. Mürbe gemacht. Aufgerieben. Angesteckt - zweitausend Dollar in der Tasche, Paß und Visum mit dabei. Und dann alles ganz schnell vergessen. Um zwölf im Luxusnebel des Swimming Pools in die Sterne gestarrt. Keine Vorsätze - es stimmt schon alles wie es ist.


Andrian Kreye, New York, - 05.01.00 at 00:20:55




Ein winziges Zimmer in einem Studenten-Wohnheim.
SMIRN (Sophie Rois) liegt auf dem Bett und raucht. Sie trägt nur einen String-Tanga und ein mintgrünes Poloshirt. Dann klopft es und ohne eine Antwort abzuwarten, wird die Tür geöffnet, GRATZE (Lino Ventura) steht im Zimmer. SMIRN setzt sich auf.

SMIRN
Hey! Was soll das?

GRATZE
Reine Routine.

GRATZE sieht sich aufmerksam im Zimmer um, fasst hier etwas an, nimmt da etwas hoch. SMIRN springt vom Bett auf und reißt ihm einen Schwangerschaftstest aus der Hand und verbirgt ihn hinter ihrem Rücken.

SMIRN
Haben sie einen Durchsuchungsbefehl oder sowas?

GRATZE
Ich möchte, daß sie sich etwas ansehen.

Er geht zur Tür.

GRATZE
(über die Schulter)
Und ziehen sie sich was über.

SMIRN steigt in eine Jogginghose und schlüpft in ein paar Bärentatzenvollplüschhausschuhe. Dann eilt sie hinter GRATZE her. Der steht bereits an der Tür der Gemeinschaftsdusche, wartet, bis der Dampf sich ein wenig verzogen hat und SMIRN bei ihm angekommen ist. Dann gehen sie gemeinsam hinein.

SMIRN
Ja und?

GRATZE
Schließen sie die Augen.

SMIRN lacht unsicher, schließt dann aber doch die Augen. GRATZE zieht einen Edding aus der Tasche und schreibt auf einen der Spiegel: DU SAU.

GRATZE
Jetzt!

SMIRN schlägt die Augen auf und ihr Blick fällt auf den Schriftzug. Sie geht zum Spiegel, berührt die Buchstaben vorsichtig mit dem Finger. Dann dreht sie sich wider zu GRATZE um.

SMIRN
Das ist -

Sie kratzt sich.

SMIRN
- wunderschön.

GRATZE nickt vielsagend und legt ihr eine Hand auf die Schulter.

GRATZE
Das war's auch schon. Vielen Dank.

Er geht hinaus, während SMIRN wieder zärtlich über die Buchstaben streicht.


dunkelweiß - 05.01.00 at 16:00:22




abends zuhause IV
Und ich vergaß, noch durchzugeben: Das STÜCK DES JAHRES 1999 kommt von Texas und heißt "Summer Sun". Der Refrain geht: "Here comes the summer sun/ it burns my skin". Es könnte auch heißen: "It hurts my skin". Oder: "It rocks my skin". Heißt es aber, glaube ich, nicht. Und dann schlagen Akkorde an, Gitarren, Orgeln, programmierten Synthezizer, das Roxy-Music-mäßige, wodurch der Kältestrom in den Sommersong einzieht, Wolken, Nebel, Eis, der GLANZ. Und entsteht: Glanz-Glitzern. Tolle Aufregung. DER Sommer-Kracher. Zuversicht.
Krachen kann es natürlich nur, wenn Scheißbands plötzlich EINEN Song haben. Wenn gute Bands viele gute Songs haben, interessiert das ja eher nicht so. Deshalb, auch deshalb, bekamen Cher und ihre Riesenzeile "Do you believe in love (after love)?" den Titel '98.
Das Texas-Girl mit der Sonnenbrille: Wenn sie auf Sofas rumsitzt und Fragen beantwortet, sieht sie ja eher unglücklich aus. So angepsycht. Mehr so die Psycho-Kuh. Komplizierte Lady. Trauriges Huhn. Faltig, müde, erschöpft. Wie: über dreißig. Also eher: alt. Sie: Alternative-Elend. Die Alternative-Queen.
Ich errate, dass man mit der viel sinnlos rumstreiten muss, über vegetarisch Essengehen, Indisches, DIE Szene (in New York), Aquarelle der Beastie Boys, anderes Kompliziertes. Eher selten liegt man mit ihr einfach unter der geilen summer sun, relaxt, schön angedreht, angepornt, und lässt es gut sein. Und doch. Unter so einer tue ich es nicht mehr. Nie mehr. So - Freunde, merkt euch das! - so sieht die Frau aus, die wir dann, versuchsweise einmal, wider besseren Wissens, gegen alle Einsichten, Sorgen, Besserwisserei, allen Ernstes doch, dann wirklich einmal: ja. Heiraten werden. Auf!


Moritz von Uslar, Sophienreuth, Oberfranken - 05.01.00 at 18:09:34




Unterwegs

Im ICE "Brandenburger Tor" nach Berlin: Zur letzten Lesung, quasi schon jetzt in den Schoß von "Tristese Royale" zurückrasend, hängen über der frisch verschneiten Mark die Winterwolken tief und luzide, dabei so fluffig und transparent noch den blauen Himmel dahinter vorscheinen lassend, das man glaubt, man könne die kalten feuchten Luftgebilde greifen, und neben der Schnellstrecke ein betonierter Weg für die Rettungsfahrzeuge, der angetaut, bei der Geschwindigkeit, mit der wir durch die Landschaft dröhnen, ein Band voll Schimmer gleißend bildet, die Kinderwunschtraum-Schlittschuhbahn, in der sich perlmuttern die Sonne spiegelt, fahren, einfach fahren, schauen, es gelingt erneut, ein Glück.

Neue Strategie für die Lesung: Eine Champagnerflasche als Sanduhr, wenn sie alle ist, dann endet auch die Vorstellung. Gut hingehauen. Sandra Schwittau, die große Stimme unserer Zeit, als dritter Mann im Anzug mit "The Jam"-Button. Endlich geschafft. Die Erleichterung der Winterferien. Diesmal im wahren Sinn wie Schulferien. Erholung, Wiederherstellung, ein neues Konzept muß her. Das Wissen: Diesmal bleibt wirklich nichts so wie es ist. Abschiednehmen von Unwichtigem, Überflüssigem, das neue jungfräuliche Zahlenspiel mit den drei Nullen als Chance wie Schlingensief formuliert. Das reine Reich der Zahlen, die Vorfreude der Mathematik.

Freude der Technik: Dieser Geruch, als ich die Schachtel meines neuen Motorola-Mobiltelefons öffne, er bringt mich zurück in die Trafo-Zeit. Die Zeit, da die ersten Lamellen an der Rückfront meines Modellbahn-Trafos mit den Elektro-Drähten am Gleis befestigt wurden, die gelben Vorder- und die roten Rückleuchten der Lokomotive zum ersten Mal aufleuchteten, der Motor aufsummte und das surrende Geräusch des fahrenden Kleinods diesen elektronischen Geruch verströmte, von dem bald das ganze Kinderzimmer erfüllt war, in dem man absichtlich alle Lichter löschte, um den ganzen Zauber des Spiels genießen zu können. Diese Welt, die sich im Dunkeln erschloß, weil sie von den beweglichen Lichtern ausging, die imaginäre Kreise in roten und gelben Doppelpunkten beschrieben, von denen ausgehend sich der Rest als erdachtes Großreich einer zweiten, besseren Welt als der Tag- und Erwachsenenwelt erahnen ließ. Wenn ich die Augen ganz brav wie Proust verschließe und ganz nah an meinem Motorola rieche, ist sie wieder da, diese bessere Welt. Motorola, my Madeleine.

Entzug: Nach nahezu drei Wochen ohne pool fühlt man sich ausgeschnitten, abgetrennt. Um so schöner wenn er mal wieder in der Zeitung auftaucht wie heute bei Hettche in der FAZ, in seiner polnisch lokalisierten Sicht der Dinge. Also, mit cornershop gesprochen: It is good to be on the road back home again. Meine besten Wünsche: Gutes Glück alle!


Eckhart Nickel Heidelberg, Frühling? - 05.01.00 at 19:07:22




NOSTALGIA PAYS OFF! (2000! BLOCKBUSTER GUARANTEE)
(Eine Kamerafahrt mit Zoom in die entgegengesetzte Richtung)

1969
Die schönste Explosion die ich jemals gesehen habe. Eine Villa fliegt in Superzeitlupe in die Luft. (Zabriskie Point)
1970
Mein Körper ist kein Geheimnis mehr. Wissenschaftler fahren mit einem Mini-U-Boot durch die Blutbahn eines Menschen, um sich am Ende mit einer Träne wieder herausspülen zu lassen. (Die Phantastische Reise)
1970
Ich höre zum erstenmal folgende Worte in dieser Reihenfolge:
Du Sau! Du Drecksau. Du verdammte dumme Sau. Du bist eine elende Sau und eine Drecksau dazu. (Fassbinder)
1971
Ein Mann ruft an. Es ist schon spät. Meine Eltern sind nicht zu Hause. Der Mann sagt, ich hätte einen süssen Arsch. Ich hänge auf und weine. (Das Telefon)
1972
Olympische Spiele in München. Drei Schwarze auf dem Siegespodest: ausgestreckter Arm, geballte Faust, schwarze Handschuhe. Ich höre zum ersten Mal das Wort "cool". (Mein Bruder)


Tom Kummer Los Angeles, USA - 05.01.00 at 21:08:26




Goethe:
Gefühl ist alles.

Powys:
Reifsein ist alles.

Henscheid:
Anästhesie ist alles.

Mein Vater:
Das ist alles nicht so einfach.

Schönes neues Jahr allerseits
und natürlich ganz wichtig:
Gesundheit,
nicht?


Georg M. Oswald - 05.01.00 at 23:32:22




1
Nach dem ersten Mal hatte seine Geliebte sich am Kopf gekratzt.
2
Zunächst dezent, mit dem Finger einer Hand. Es war, so erinnerte er sich, der Mittelfinger gewesen. Jedenfalls war ihm ihr Ringfinger mit dem breiten goldenen Band aufgefallen.
3
Dann hatte sie die ganze Hand genommen. Später mit beiden Händen den Schädel bearbeitet.
4
Verzweifelt hatte sie ihn angeschaut. Es täte ihr leid, und sie wisse, daß man derlei nicht tue. Aber sie müsse sich einfach hinterher am Kopf kratzen. Sie wisse auch nicht, warum.
5
Der verwirrte Blick seiner Frau, als er ihr nach der Versöhnung durch die Haare fuhr.


Carmen Samson Berlin, - 05.01.00 at 23:43:42




war nicht Munich 1972
war Mexico City 1968
war tatsächlich sehr sehr cool
zweimal eine kleine, live-übertragene Arm- und Handbewegung: und das weiße Establishment hatte tatsächlich Todesschiss davor (der dritte Arm war weiß und baumelte vergleichsweise indifferent an einem Körper)

Abb.: Tommie Smith und John Carlos


Andreas Neumeister - 06.01.00 at 02:51:58




Danke, Andreas Neumeister


tom kummer los angeles, usa - 06.01.00 at 07:47:24





Dixie, Dixie, ich piß auf dich, Dixie.
Es ist zu früh für jeden Morgen, die Nacht hat schon wieder zu früh aufgegeben, und ich hör den Blues in mir, hörst du ihn auch, da hör doch zu:
Plitsche-platsche, und da, so hör doch weiter, jetzt kichert er:
Plitschi-plitschi, und da, hör seine Kichertränen:
Ach zu banal, um nicht zu lachen.


Zwei stumme Loser sehen hoch, ich sehe: rote Nasen, Midlifecrisis, der letzte Job arg langlang her, und trotzdem: Was ein richtiger Loser ist, der bezahlt brav für jede Station mit der Straßenbahn.
Dann Klaro erst recht Neun o`clock und 50 minutes DIE BAHN des Jedentages! Ha! Jawoll!
"Fließband, hä?" ruf ich runter, und: "Ja, schön wär das mal wieder, stimmts, denn besser als nix ist Alles, nicht wahr, meine Herren? Da können wir zusammen ein Lied von singen! Singen wir`s, das vertreibt die Sorgen und macht Hoffnung auf bessere Morgen!"

Klaro sind solche Loser total abgestumpft. Schieben ihren Fahrschein in den Entwerter und warten, daß sie aussteigen und irgendwo anders wieder einsteigen können, reden nix und lesen nie was außer Bildern.
Aber über meinen Gold-Strahl können sie meckern, der der Dixie aufs Dach fällt, dabei ist es "ein goldener Sonnenaufgangsstrahl, ihr Nachtwächter!"

Mit allerfeinsten Spritzern schießt die Dixie zurück in die Morgenluft und bedankt sich so spielerisch bei ihrem Gott für die Taufe jeden neuen Tages; ein irrer Igel oder ein Weiser könnte denken, Gott hätte zuviel gesoffen letzte Nacht und würde nun sein Blattgold in edler Anwandlung über der Stadt verteilen.

"Ich habe Gott aufgespießt, helft mir doch, ihr Fließbandfressen, ich krieg ihn nicht mehr von meinen Stacheln, kommt und seht! Kommt und seht doch! Bitte bitte!"

So schreie ich wieder mal meinen Kater weg und hab bloß keinen Dunst, wo der Blues plötzlich hin ist, ich tanz auf dem Fensterbrett und klimmziehe am Fensterkreuzer, mein Schwanz klimpert letzte frohe Golddukaten durch die winterige Lull-luft, und da, seht doch:
Jetzt hab ich sie wenigstens zum Talken gebracht, Mensch! Ich Mitmensch, Nächstenlieber und Morgenverschöner.


robbe lipsia, - 06.01.00 at 09:51:05




Wer ist Hellblau? Dunkelweiss?
Was soll das?
Hinter mir bruellt Pierre Brosnan, rechts von mir der die Kirmes.
Schoen wieder in der Stadt zu sein.


naters krabi, thailand - 06.01.00 at 15:37:39




"Here comes the summer sun/
it BLOWS my skin"


Moritz von Uslar, Sophienreuth, O-Franken - 06.01.00 at 18:09:26




Ein heißer Sommerabend. Alle sind auf den Straßen unterwegs.
SMIRN (Barry White) sitzt auf der Treppe eines Hauses, ißt eine Feige und betrachtet versonnen das Treiben um sich herum. Da wird er auf eine junge Frau aufmerksam, die von GRATZE (Christoph Schlingensief) belästigt wird. SMIRN erhebt seine Massen geschmeidig und schlendert heran. Er legt GRATZE, der das Mädchen an eine Hauswand gedrängt hat, eine Hand auf die Schulter.

SMIRN
Hey, Mann. Du hast ein Problem.

GRATZE fährt herum.

GRATZE
Verpiss dich, sonst hast DU ein Problem.

Das Mädchen macht sich aus dem Staub. SMIRN lächelt gütig, läßt seine Hand aber eisern auf GRATZEs Schulter liegen.

SMIRN
Du solltest etwas mehr Respekt haben vor
den Ladies, mein Junge. Weide dich an
ihrem Anblick. Mach ihnen Komplimente.
Bete sie an. Aber verlier niemals den Respekt.
Das ist die göttliche Kraft der Liebe. Und Gott
ist eine Frau.

GRATZE schüttelt SMIRNs Hand ab, ihm ist sichtlich unwohl, aber er bleibt stehen.

GRATZE
Bist du'n Prediger oder was?

SMIRN nickt.

SMIRN
Sowas in der Art. Und das hier -

Er umfasst mit einer Geste die Straße, das Viertel, vielleicht sogar die ganze Welt.

SMIRN
- ist meine Kirche.

GRATZE
Klingt gut. Und die Weiber stehen drauf?

SMIRN nickt wohlwollend.

SMIRN
Die Ladies sind verrückt danach.

GRATZE
Cool. Liebe und Respekt. Ja. Kann gut sein.

SMIRN
Du hast es, Mann.

GRATZE
Wow.

SMIRN lächelt wissend, bläht plötzlich die Nasenflügel, wittert.

SMIRN
Ich muß weiter. Dieser süße Duft.
Diese Verheißung.

Er geht direkt in den Sonnenuntergang hinein. GRATZE sieht ihm noch lange nach.


eigelb - 06.01.00 at 19:36:40




Soldaten mit blauen Kaeppis fischen Plastikdosen aus einem Teich und schenken sie ihren Freundinnen, die alle Schuerzen von Dutch Milk tragen. Kleine Gesangsimitatoren bekommen auf einer Buehne Urkunden ueberreicht, die Ihnen gleich wieder abgenommen werden. In den Plastikdosen sind Glueckssprueche.

***



Im alten wie im neuen Jahrtausend gelten die gleichen Regeln: Im pool schreibt man unter seinem Namen, im loop wie jeder will. Robbe Lipsia fuer Robby Dannenberg/Leipzig ist schon eine halbe Ausnahme. Eigelb oder Hellblau geht nicht oder der pool ist morgen zu und alles wird neu eingerichtet werden muessen.


Sven Lager - 07.01.00 at 03:46:15




1
Lieber,
danke für Deinen Brief. Ich habe ihn erhalten, was Du nicht sicher wissen kannst, weil Du wie immer keinen Absender auf den Umschlag geschrieben hast.
2
Aber er ist bei mir. Deine Worte sind in Sicherheit.
3
Ob Du mir das glaubst, ist ungewiß. Du sprichst, treffen wir uns zufällig, von "jener merkwürdigen Postkarte", die ich Dir vor fünf Jahren sandte. "Dein Brief, jaja."
4
Ich liebe heute einen anderen als damals. Damals ist die Zeit, als Du noch nicht im Gefängnis warst. Damals, als Deine Tochter noch lebte. Benedicta. Die Gesegnete. Das war sie auch, vier Jahre lang.
5
Du hattest in jenem anderen Leben, also damals, einmal gesagt, wärest Du nicht verheiratet und wäre ich nicht verlobt und hätten wir uns überdies früher kennengelernt, dann hätten wir es sicherlich auch gut miteinander gehabt.
6
Heute ist Deine Tochter im Harz begraben, Deine Frau wieder verheiratet, der Verlobte, den Du ablösen wolltest, Vater, und mein derzeitiger Geliebter einer, der es wohl verkraften könnte, wenn ich ihm meine Zuneigung gestände.


Carmen Samson Berlin, - 07.01.00 at 10:40:08




»Deine Worte sind in Sicherheit« - das ist aber wunderhübsch gesagt, Frau von Samson! Hat man doch so, so oft daß Gefühl, daß sie genau das nicht sind. Weshalb man sie oft nicht hergibt. Sicher ist das falsch.


Rebecca Casati München, Deutschland - 07.01.00 at 16:39:13




Richtig. Liebe Frau Casati. Ganz falsch. Und schade obendrein.
Herzlich:


Carmen Samson Berlin, - 07.01.00 at 18:43:04




Klassischer Reisejournalismus. Nichts kann einen bei der Arbeit so quälen, wie die Realität. Die stumpfe Chronologie der Ereignisse, der unendlich banale Ablauf des Abenteuers, das mangelnde Gespür des Lebens für Grundsätzlichkeiten wie Dramaturgie und Stringenz. Die Höhepunkte viel zu spät, verschenkt, weil durch die strenge Vorgabe des Genres weit ins Dickicht des Textes verbannt. Da steht man am Anfang, hat ja zu diesem Zeitpunkt noch nichts erlebt, gesehen, gelernt, windet sich, bloß nicht mit Kunstgriffen zu mogeln.

Die Kommissar-Maigret-Lösung? "Noch konnte ich nicht ahnen, was sich hinter dem grünen Dickicht des Dschungels verbarg, daß mich die freundlichen Buschmänner in wenigen Tagen....." Sollte ich nicht noch jemanden zurückrufen?
Die Impressionisten-Lösung? "Überwältigt vom Anblick...." Die Post! Bedarf eingehender Kontrolle....
Die Brockhaus-Lösung: "Zweitausend Meilen östlich von Australien...." Wen interessiert denn das. Aha. Ein Fax. Fahnen sind zu kürzen. Das dauert....
Die Seewolf-Lösung? "Am ersten Tage der Überquerung des südlichen Pazifik...." Da fällt mir ein, die Tagesschau gibt es jetzt auch als Videostream im Internet. Nostalgische Fanfarenklänge, der Gong. Stoiber auf dem Parteitag. Genpatente. Opernskandal. Muss ausserdem dringend jetzt sofort meine Systemerweiterungen ordnen...
Die Hunter-Thompson-Lösung? "Kurz vor der Riffpassage merkten wir, wie der Gin und die Seekrankheitspillen...." Ach ja, noch den Tisch reservieren, vielleicht sollte man ja zwecks Übersichtlichkeit seine Hemden nach Farbe sortieren....

Word of the day: Procrastinator.
T.D. Allman, 94, in Haiti: "Erster Absatz? Bis zu zehn Tagen."
Carmen Butta, 96, in Klagenfurt: "Da kann ich nichts essen, komm' nicht aus dem Haus."

Stunden später, Seiten weiter. Wär' ja gelacht. Happy End. Der Text ist die Party (Zitat von wem, wann, wo?). Reklame für mich selbst: Heute endlich mal wieder eine Gangstergeschichte im Blatt (SZMag).



Andrian Kreye, New York, - 07.01.00 at 19:53:33