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pool #3 20.06.-27.06.1999

pool #2 / pool #4

 

Gestern nacht geriet ich im Fernsehen auf VOX in ein Gespräch zwischen Alexander Kluge und einem Biologen, dessen Namen ich mir leider nicht gemerkt habe. Der Biologe hat, wenn ich es recht kolportiert habe aus diesem kurzen Ausschnitt, ein Buch geschrieben über Managmentstrategien in Großunternehmen und dieses Buch hatte Heiner Müller gelesen und mit Unterstreichungen und Anmerkungen versehen weil er sich auf seine Aufgabe als Intendant des Berliner Ensemble vorbereiten wollte. Besagtes Heiner-Müller-Exemplar ist auf ich weiß nicht welche Umwege aus dem Nachlass bei Alexander Kluge gelandet und wurde jetzt zum Anlaß dieses Gesprächs, das auf die bekannte Alexander-Kluge-Art geführt wurde. Es ging also um den Inhalt dieses Buches und immer wieder um den toten Heiner Müller, der über das, was er in diesem Buch interessant fand, an diesem Gespräch auch noch beteiligt war. Der Biologe erzählte von einem Versuch, bei dem man Bienen in eine Flasche gesperrt, diese Flasche umgekippt und auf einen Tisch gelegt und eine Lichtquelle gegen den Flaschenboden gehalten hatte. Die Bienen waren, der durchaus nachvollziehbaren Idee folgend, daß da, wo sich das Licht befindet, auch ein Ausgang zu finden sei, immer wieder mit dem Kopf gegen den Flaschenboden geflogen bis sie irgendwann jämmerlich zu Grunde gegegangen seien. Nicht eine Biene hätte den Weg durch den (längst geöffneten) Flaschenhals gefunden. Denselben Versuch hat man daraufhin mit Stubenfliegen angestellt, die, was die Organisation ihres Verhaltens betrifft, auf einer deutlich geringeren Entwicklungsstufe sich befänden als die Bienen (sagte der Biologe). Diese Fliegen hätten nicht einen Gedanken darauf verschwendet, daß dort, wo das Licht herkäme auch ein Ausgang sich befinden könne, und seien blödsinnig chaotisch einfach nur in der Flasche hin- und hergeflogen und hätten auf diese Weise eine nach der anderen den Ausweg aus dem Flaschenhals gefunden. Zur Belohnung hätten die Laborantinnen ihnen sogar das Fenster zum Laborgarten geöffnet und sie in die Fliegenfreiheit entlassen. Der Mensch, so der Biologe, vereinige beide Möglichkeiten nebeneinander in sich: ein zielgerichtetes konkretes und dann zuweilen das scheinbar sinnlose chaotische Handeln. Das fand ich einen tröstlichen Gedanken.

ludger blanke, kinogruppe, berlin - 20.06.99 at 00:51:55

klaus biesenbach stellt seine schönen roten sofas in den hof. er schließt die augen in der sonne und wippt mit dem fuß zur musik. wenn er läuft hält er immer eine hand vor den bauch weil er einen magendurchbruch hatte. seine haare sind gelb gefärbt. neben ihm sitzt jeden samstag eine frau mit langen braunen haaren, die zu glatt und zu dünn sind und einem gesicht, das zu vernarbt ist, um schön zu sein. wenn sie läuft hält sie sich ganz gerade und trägt den kopf hoch wie eine königin. sie kennt mich nicht mehr, nehme ich an, deshalb sehe ich immer weg und grüße nie. vor vielen jahren stand ich einmal in ihrer küche. damals war ein freund nach berlin gezogen. nach mitte, versteht sich, die damals noch komplett runtergekommen war, nicht so wie jetzt, mit aufgeräumten höfen. er wohnte in einem haus mit umlaufenden balkonen, die auf den hof führten und voller wäsche hingen wie in neapel. er war buddhist geworden, hatte einen kleinen altar im zimmer und lebte auf dem boden. die wohnung gehörte jener frau und ihrem freund, der, wie ich mir sofort dachte, zu hübsch für sie war. sie kochte spagetti für uns und erzählte von den kunstwerken, die sie gerade mit anderen gegründet hatte. Sie sprach sehr ernst, ihr freund verehrte sie zärtlich, die wohnung war schön und trotzdem ging von ihr eine große traurigkeit aus. viel später macht ihre traurigkeit sinn, als ich ihren freund regelmäßig auf dem winterfeldmarkt einkaufen sah, mit einer anderen frau. ich bin mir sicher, daß er mich noch kennt, aber er sieht immer weg und grüßt nie.

elke naters berlin, schöneberg - 20.06.99 at 10:00:46

wann war das? ich kann mir die jahre nicht merken, aber plötzlich dachte ich an ihn. er lehnte sich aus der u-bahn und ein mast, ein strommast vielleicht, erwischte ihn. er war sofort tot. denke ich mal. es war ein sehr heißer sommer und die luft der nacht war vor allem angenehm als wind, der an der u-bahn entlangstrich. irgend ein armer gleisarbeiter hat ihn gefunden am nächsten morgen, ein kleiner mann, zerschmettert an einem mast. ich meine wir sind zusammen in die schule und zusammen sind wir in diese stadt gekommen, dann hieß es er sei tot. ich habe ihn nie wieder gesehen. sie wollten ihn keinem mehr zeigen. am abend zuvor saß er noch bei mir in der dusche und war fertig. er ließ das heiße wasser über sich laufen und ich stand in der tür und wir sprachen über etwas, ich weiß nicht mehr was. was zum teufel hat er da draußen gemacht, mitten in der nacht am olympiastadion? so lange habe ich nicht mehr daran gedacht. ich bin auf dem weg nach hause, ein sommernachmittag mit menschen auf der straße und plötzlich denke ich an ihn.

sven lager berlin, - 21.06.99 at 00:35:34

Freunde, die nicht wiederkommen. Im Kindergarten fing es an. Mein bester Freund hiess Frank Busch, er trug kurzaermelige Rollis und war etwas groesser als ich, ein echter Kamerad. Er sprach etwas langsam, was seinem breiten Hessisch noch mehr Charme gab. Sein Bruder war behindert und seine Mutter arbeitete als Kassiererin beim HL-Markt. Nach der Grundschule verlor ich ihn aus den Augen, weil ich nach Frankfurt aufs Gymnasium wechselte. Eines Tages, ich kaufte ein Paeckchen Zigaretten im Supermarkt, fing Frau Busch zu weinen an, als sie mich sah. "Der Frank ist tot". Mein Leben war ganz leer. Ich ging nach Hause, ohne zu rauchen. Sein Tod, ich habe nie herausbekommen, woran er gestorben ist. Aber seine Mutter, die immer Schnupfen hat, was auch so gut zu ihrem Hessisch passt, die Frau Busch vom HL-Markt also, hat mich immer milde angelaechelt seither, wenn ich mal wieder bei den Eltern war in Bergen und etwas bei ihr kaufte, gerade so, als ob in mir ein ganz klein wenig von ihrem Frank weiterleben wuerde.

Docteur Nickel strasbourg, france - 21.06.99 at 16:50:07

es war sehr nett im kumpelnest, was es eigentlich immer ist. seltsamerweise etwas, auf das man sich verlassen kann, aber ich will nicht davon ablenken, daß ich an den freund dachte, den ich nicht mehr wieder gesehen habe. nicht mehr so plötzlich, sondern der gedanke an ihn war eingewoben in die gespräche und den rhythmus der musik im dunklen licht, ein grundton, auf dem ganz andere sachen besprochen wurden. wir redeten von den zusammenhängen, in denen man arbeitet, wofür und warum, den ganzen idealistischen kram, der aber immer absolut richtig ist und erst jetzt fällt mir auf wie sehr mich der gedanke tröstete, dabei an den toten freund gedacht zu haben, der sich dabei verwandelt hat in eine idee, eine erinnerung, die ich mit den anderen teilen konnte ohne von ihm zu reden. ich hoffe es regnet wieder ein bißchen. nichts glänzt schöner als die sonne in den zurückgebliebenen pfützen.

seven lager b, - 22.06.99 at 02:06:22

Vor dem ARTE-Gebaeude ist ein Fernseher installiert, der ununterbrochen das Programm zeigt, an dem hinter den Mauern des alten Hauses mit dem modernen Eingang gearbeitet wird. Eine verblueffende Art von Transparenz, die nur einen Moment lang aufdringlich wirkt. Nein, wie schoen und aufregend waere es, wenn immer ein wenig von dem, was sich hinter den Waenden der Haeuser, an denen man entlanggeht, abspielt, auf der Strasse zu sehen sein wuerde. Und wenn es nur Bilder waeren von dem, was dort entsteht. Keine Aufhebung des Geheimnisses, sondern nur ein Schluessel dazu, ein Choke fuer die Phantasie.

E-Nickel Strasbourg, ARTE - 22.06.99 at 09:45:54

gestern abend erzählte uns harald von der bienale und unter anderem beschrieb er die arbeit einer, ich glaube holländerin, den namen habe ich vergessen, er konnte sich selbst nicht richtig an ihn erinnern. sie hatte eine überwachungskamera in einem hotelzimmer angebracht, die die menschen filmte, die dort eine nacht verbrachten. es war keine verborgene kamera, die leute wußten darum. diese filme laufen jetzt auf ca 48 kleinen sw monitoren nebeneinander in einem engen raum, der wie eine wäschekammer eingerichtet ist. in einem unaufgeregten nebeneinander haben manche sex, andere sitzen auf dem bett und lesen, einer hört musik, manche nehmen drogen, trinken oder kitzeln sich. ich wollte schon vorher auf die bienale. kann mir jemand ein hotel empfehlen?

E. Naters bald venedig, noch deutschland - 22.06.99 at 12:16:50

übrigens wollten die geschwister hohenbüchler im österreichischen pavillon geschändete kosovoalbanerinnen mit ihren kindern unterbringen. um sie vor aufdringlichen blicken der besucher zu schützen, sollte eine mauer darum gebaut werden. die ausstellungsleitung hat gegen dieses projekt interveniert. es kam nie zustande. lediglich eine holzhütte steht jetzt da, als beispiel der geplanten mutter-kind-zelle.

elke naters - 22.06.99 at 18:43:21

Kennt ihr den Wahnsinn, wenn man nur Bücher liest? Aus allen Richtungen, mehrer auf einmal? Das die Wände einstürzen und man nicht mehr reden kann? Mein erster Freund hieß Tom Sawyer. Was wohl aus ihm geworden ist? Schippert er immer noch mit Huck Finn den Missispi hinunter und trift Buben-Seelen? Mein echter Vater heißt Old Shatterhand und Arthur Gordon Pym hat mich aufgeklärt. Letztens habe ich `Matrix´gesehen. Eine Mischung aus Gilgamesch, 2000 Meilen unter dem Meer und Alice in Wonderland. Nach 23 Minuten hat die Drehbuchsoftware gepiepst und `Jetzt muß Ärger her´an den autor gemeldet. Prompt klingelt das Telefon und eine Stimme sagt: Jetzt gibts Ärger. Irgendwer hat mal gesagt, daß Geschichten die Gene unserer Kultur sind -und ich frage mich immer, was uns an Geschichten so fesselt. Es sind immer die selben Sachen: Höhlen mit Monster, Körper mit Feind drinnen, beste Freunde, die sterben -quasie der MSG Gefühlsverstärker für Geschichten. Warum können wir nie genug davon kriegen?

Lorenz Schröter Gutenberg?, - 22.06.99 at 21:53:34

Gegen meinen eisern und mit aller Härte gegen mich selbst vor etwa zwei Stunden gefassten Entschluß, nie wieder mein Geld und meine Zeit mit Online-Schach zu verdasseln, habe ich mich vor eineinhalb Stunden abermals in die Schachseite von www.playsite.com unter meinem Decknamen "BadBrain" eingewählt und erneut versucht ein Rating über 1600 zu erkämpfen, was mir, wie ich hiermit bekannt gebe, schließlich auch gelungen ist. Meine Telefonrechnungen lesen sich wie die eines Logorrhöe-Patienten, aber ich spreche gar nicht viel, ich spiele nur Schach und implodiere manchmal vor Wut wegen irgendwelcher schlechter Züge, die ich mache oder presse ein geiferndes "JaJaJa!" hervor, wenn mir eine Kombination gelingt, weswegen mich meine Frau - ich sitzte vor dem Bildschirm meines Notebooks und beginne plötzlich leise diese gepressten Jubellaute auszustoßen -, mich anschaut, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank, was ja womöglich wirklich der Fall ist. Schach im Internet, das hätte es nicht geben dürfen, dann wäre mein Leben anders verlaufen, aber so... Ich "chatte" mit meinen Schachpartnern, während wir spielen. Ich spiele gegen einen Rechtsanwalt aus Rom, einen Studenten aus Lubljana, einen Meteorologen aus Sasketchwan, Canada, einem Computerladenbesitzer aus der Maistraße, 500m von hier entfernt - das muß man sich mal vorstellen! Jeden, den ich auf der Straße oder im Café oder sonstwo über das faszinierende Medium Internet schwafeln höre, würde ich am liebsten packen und anschreien: "Waren Sie schon mal vier Stunden am Stück online um Schach zu spielen und ihr Rating auf, sagen wir, 1600 zu verbessern und sind schon bis, sagen wir, 1593 gekommen und haben dann, einfach aus purer Erschöpfung gegen einen, sagen wir, 1300er Amateur verloren und sind dann auf 1530 runtergestuft worden und die Arbeit von STUNDEN war beim Teufel?" Endlich bin ich bei 1600 angelangt, 1603, um genau zu sein, aber meine Lage hat sich, wie mir jetzt klar wird, dadurch überhaupt nicht gebessert. Erstens habe ich nun viel mehr Punkte, die ich wieder verlieren kann und zweitens ist, kaum, daß ich die 1603 stolz vor mir gesehen habe, der wahnsinnige Ehrgeiz erwacht, die 1700er Grenze zu nehmen. Ich sehe schon meinen Namen "BadBrain" auf der Wertungsliste ganz weit oben unter den 1700ern, die wirklich ausgewiesenen Könner...

Georg M. Oswald München, - 23.06.99 at 01:54:16

Die Witwe des Kohlenhändlers, die neben uns wohnte, liebte Katzen, deshalb hatte sie eine nach der anderen. Sie starben alle auf der SChnellstraße am Ende des Sandbergs, auf dem wir wohnten. Dann ertrug sie es nicht mehr und sperrte die Katzen ein. Sie hat inzwischen wohl so an die zehn Katzen in ihrem Haus. Im Garten steht ein Käfig wie für Tiger im Zoo - da dürfen die Katzen bei gutem Wetter hinein. Sonst schaukeln sie zu zehnt auf dem Geländer des kleinen Balkons, der zu uns herüberschaut. Sie können nicht richtig Balance halten und drohen immer in die Tiefe zu stürzen. Es sind fette, dumme Stubenkatzen, aber sie leben. Und die Witwe des Kohlenhändlers ist froh darüber.

Maike München, Freistaat - 23.06.99 at 11:10:38

Hallo E & S. Wie wärs mitm Bier so um sechs in der Goltzstraße? Heute? Ich bin da in der Nähe, um mein Charles Manson Video zurückzugeben. Is Christian noch in der Stadt? Glückwunsch Georg zu den 1600. Grüss Deine hübsche Schwester. Meine läßt Andrian grüßen.

Lorenz Berlin, - 23.06.99 at 15:46:19

Um 11 Uhr Weißwurstfrühstück mit Norbert Niemann und Simon in der Küche. Norbert redet über die gesellschaftliche Marginalisierung der Literatur, Simon stellt grundlegende Fragen zur Weißwurst, ich genehmige mir - da sind wir wieder, Herr Dr. Nickel! - ein Weißbier zum Frühschoppen. Später beim Rauchen auf dem Balkon, es geht immer noch um die Marginalisierung der Literatur und die Verkommenheit der Literaturkritik während Simon die Blumen gießt und dauernd dazwischenkräht, erzählt Norbert Simon einen Witz: Herr Niemand wohnt im dritten Stock, Herr Blöd im zweiten, Herr Keiner im Erdgeschoß. Weil schönes Wetter ist, gehen alle drei auf ihre Balkons. Übermütig ob des schönen Wetters spuckt Herr Niemand Herrn Blöd auf den Kopf und Herr Keiner sieht es. Empört ruft der Bespuckte dem nahenden Wachtmeister zu: "Niemand hat mir auf den Kopf gespuckt. Keiner hat's gesehen!" Der Wachtmeister fragt verständnislos: "Sind Sie blöd?" Herr Blöd antwortet darauf wahrheitsgemäß: "Ja!" Für Simon war der Witz zuende, als das Auf-den-Kopf-Spucken vorkam. Wunderbare neue, bisher völlig ungeahnte Möglichkeit, seiner Lebensfreude Ausdruck zu verleihen! Am Nachmittag in der Galerie Mosel, Martin Fengels und meine Bilder hängen. (Morgen ab 18 Uhr Ausstellungseröffnung "Sie sind immer noch alle da!" in der Winterstraße 7 - alle sind herzlich eingeladen). Danach mit Martin in seinem Arbeitsraum, zuvor noch in der - ich schwör's! - Weinhandlung "Nickel Wein", einen Grünen Veltliner kaufen. Dann Gespräch über die Marginalisierung der bildenden Kunst. Anschließend Elternabend im Kindergarten. Ich werde, Lorenz, meiner hübschen Schwester einen schönen Gruß bestellen, das wird sie freuen.

Georg M. Oswald München, - 24.06.99 at 00:58:51

Nachtrag: Zwei Online-Partien gespielt: Neue Rating: 1595.

Georg - 24.06.99 at 01:00:50

Es gibt, Herr Oswald, ein Parfum mit Namen Nickel, nicht nur eine Weinhandlung im Süddeutschen. Soviel zur Nacht.

Christian Kracht Berlin, Deutschland - 24.06.99 at 01:28:25

Dann wähnt man sich schon immun gegen Online- und Computerspiele, aber irgendwie erwischen sie einen immer. Für den Vielreiser ist das Pendant zum Online-Schach das Videospiel "Snake", das Nokia in seine Mobiltelefone eingebaut hat. Man führt eine Schlange über das Display-Feld, die dort Äpfel essen muß. Mit jedem Apfel wird sie länger und wenn sie gegen die Wand rennt oder sich in den Schwanz beißt ist sie tot. Schlichter noch als die Arcade Games aus den Jugendlokalen der frühen 80er, aber man erinnert sich natürlich ans Schuleschwänzen mit Space Invaders, Asteroids und Frogger im Café Reitschule. Spiele die es alle längst wieder auf Oldie Samplern zu kaufen gibt, ähnlich wie die musikalischen Albernheiten aus dieser Zeit ("Fade To Grey" von Visage, "Urgent" von Foreigner, vor kurzem hörte ich sogar den Hip Hop Remake von Bostons "More Than A Feeling") und schon ist man in die Nostalgiekurve gefahren und ertappt sich dabei, im ICE den Nokia High Score knacken zu wollen (kämpfe gerade mit der 500er-Marke, meine Freundin nähert sich der 800, irgend jemand beim SZ Magazin kennt jemanden der die 1000 geschafft hat).

Andrian Kreye Frankfurt, - 24.06.99 at 12:16:22

Und selbstverständlich ein herzlicher Gruß an Lorenz' Schwester Barbara, die ich noch als Babsi kenne.

Andrian München, - 24.06.99 at 12:20:10

lieber lorenz. so wie es aussieht hat die dicke kleine priebe den zettel an dich abgerissen, der an der klingel angebracht war und dir mitteilen sollte, wo du uns findest. von der pubertät gefoltert hängt sie den ganzen tag vor der tür herum und vertreibt sich die zeit mit fahrradreifen aufstechen, wände beschmieren und auf den boden spucken. da bietet zettelabreißen eine angenehme abwechslung. wie wärs mit samstagabend im k.n. 3000?

l.k. pallasstraße, - 24.06.99 at 13:25:40

Irgendwo auf der Autobahn, irgendwo zwischen Bruchsal und Karlsruhe-Durlach, waehrend ich mit einem geliehenen Schrabbel-Fiesta so bei 137 Kilometern in der Stunde in der Morgensonne vor mich hin droehne, denn bei leicht geoeffnetem Fenster klingt es wie im Flugzeug ueber dem Atlantik, wenn der Kopf muede an den Bullaugen liegt, waehrend ich also beteiligungslos quasi durch mich hindurchfahre, spielt Hitradio ein lang vergessenens Lieblingslied von mir, was mir auf ein Mal klar macht, warum ich nie ein Faible fuer Rockmusik entwickelt habe, und diese Entscheidung, oder besser gesagt Neigung, der Einfluesterung dieses sagenhaften Liedes zu verdanken habe, dass mein Herz also auf der Pop-Seite schlaegt und schlaegt und schlaegt, an all dem ist vielleicht der legendaere Smokie-Song "Don't play that Rock'nRoll to me' schuld. Ich besass das Lied auf einer Kassette, die ich nachts mit einem Spot auf dem Regal im Inneren meines Kajueten-Doppelbettes bestrahlte.

E-Nickel strasbourg, france - 24.06.99 at 16:30:05

www.ampool.de. die neue adresse! so einfach, daß sie sich auch elleredakteurinnen merken können. und claudius seidl kann die suche nach der ~ aufgeben und endlich auch am pool lesen.

elke naters berlin, - 24.06.99 at 19:36:14

Es ist so schön weiß hier und mich überkommt der Drang etwas zu gestehen. Kennt ihr das? Der Monitor, sein Brummen, das leise Klacken der Tasten -wie ein Astronaut am Everest. Da muß man doch einfach was gestehen. Ich meine, nicht nur darüber reden, wieviel Punkte man bei Spielen schaft, oder, seit Christian ofline ist, über Krawatten reden, nein, was fürs Herz. Gesteh auch Du. Ich fang an. ich hab mir heute ein Buch von Reinhold Messner besorgt. Beat this!

Lorenz Berlin, - 24.06.99 at 21:16:27

Das soll ein Geständnis sein? Es sei denn mir ist irgendeine Schandtat Herrn Messners entgangen. Nein, das Yeti-Buch steht selbstverständlich schon seit Monaten auf der Einkaufsliste, gleich hinter dem Werk über das Chaos auf der Raumstation Mir und die neue Folge der Hannibal Lecter-Saga. Gehört doch Reinhold Messner zu den begnadeten Egomanen unseres Landes, vom Wahnsinn getrieben auf die Gipfel dieser Welt. Ich habe mal mit Messners Kameramann zusammengearbeitet, das ein rein äußerlich recht bürgerlicher Herr um die 50, derdann zwischen den Bürgerkriegen fürs ZDF immer mit Messner die Anden und Hymalaias rauf und runter gestiegen ist. Das letzte Mal als ich ihn traf meinte er auf die Frage, was er denn so mache "Habe gerade die Beringstraße überquert. Im Kanu." Ich mag auch die Weltfremdheit der klassischen Bergfexe wie Messner. Mein Großvater gehörte dazu, durchwanderte die Alpen im Alleingang von Bayern bis ins Veneto, irgendwann in den 30ern. Der hatte bis ins hohe Alter von 97 noch so eine innere Abgeklärtheit, die man wahrscheinlich nur verstehen kann, wenn man nach tagelangem Aufstieg über das Alpenpanorama geschaut hat und wußte, daß vorher noch nie ein Mensch auf diesem Gipfel stand. Ich habe mich bei den Weltmeisterschaften im Mountain Biking mal dazu treiben lassen, am Abend den Kurs abzufahren (eine Runde in 75 Minuten, die Weltmeisterin schaffte das in 35 und außerdem fuhr sie drei). Da gab es oben auf dem Gipfel auch eine gehörige Portion Glücksgefühl und das war ja nur die kontrollierte Luxusversion des Bergrausches. Aber ich, ich höre seit Tagen die neue Art Of Noise, auf der Trevor Horn zusammen mit einer Opernsängerin das Leben Debussys zu Drum & Bass-Klängen vertont. Das kommt so schauerlich wie es sich jetzt anhört, aber ich lasse mich durch nichts davon abhalten. Und die neue Jimmy Sommerville finde ich auch ganz grandios. Bätsch.

Andrian Kreye München, - 24.06.99 at 22:09:21

Ach ja. Heißt übrigens Himalaja, weiterer Beweis für linguistische Anglifizierung unbescholtener Schreiberhirne, eine modernistische Tendenz, die das Werbearschdeutsch als allgemeinen Sprachschatz zur Folge haben wird. Schauerlich. Außerdem schreibt man's selbst auf englisch Himalaya.

Andrian Kreye Frankfurt, - 24.06.99 at 22:24:32

Jaja, Lorenz, du hast ja recht: Gestanden muß werden. Aber du machst ja auch gleich vor, wie es eben nicht geht. Ist es was fürs Herz, wenn wir erfahren, daß du dir ein Messner-Buch gekauft hast? Nicht wirklich. Da finde ich "Doppelkinn, Doppelkinn..." etc. spektakulärer - im Sinne eines Geständnisses, meine ich. Und Krawatten. Und Schach. Und Dr.Nickel. Und die Postkarte, die Meike W. bekommen hat (deren Beschreibung und Interpretation mich einen Tag lang ununterbrochen hat feixen lassen). Was schwebt dir vor? Allgemeines Hosenherunterlassen? Ist doch nicht spannend, wenn nichts weiter zum Vorschein kommt als ein Messner-Buch.

Georg M. Oswald München, - 25.06.99 at 01:15:23

völlig vergessen die möglichkeit etwas von aussen zu betrachten und es dann peinlich zu finden, weil man tut es ja erst und dann kommt dieses feedback, woher das auch immer kommt: nein ist das peinlich! natürlich wäre es mir peinlich ein reinhold messner buch gekauft zu haben, aber nur aus so einem reinen understatment-terror-overdrive. um davon abzukommen liest man einfach ein buch von thomas kapielski und wer schlau war, der hat sich heute in 3sat klagenfurt mit ebenjenem angeschaut. war allerdings schon um zehn oder elf. sehr entspannend so ein kapielskitext. schon heute morgen wollte ich das reinschreiben, in so einer so-jetzt-aber-los-über-klagenfurt-schreiben-laune, die ich für pool angebracht hielt. auch peinlich. ich habe einfach morgens diesen sinnleeren euphoriedrive, dafür dann am nachmittag eine gepflegte vier-uhr-depression. ich wollte reinschreiben: der kapielski, der ist einfach der bessere arno schmidt. womit wir bei der zweiten peinlichkeit wären, denn tatsächlich ist mir das ein ganz klein wenig peinlich, daß ich den arno schmidt, ja, verehrt habe. warum auch nicht? aber ich würde meine arno schmidtbände jederzeit gegen die nicht gerade billigen merveausgaben von kapielski tauschen, heute. wer weiß was morgen wieder ist. da ich dich aber, lieber lorenz, keinesfalls auf platz eins wähnen lassen will mit deinem lächerlich bourgeoisen schamgefühl gegenüber reinhold messner, dies zum schluß: als ich dich neulich verpasste, war es gestern?, saß ich auf dem spielplatz, um, wie ich es schon erwähnte, mit schwarzen asylanten basketball zu spielen. aber es zeigte sich niemand und so konnte ich sehen wie meine kleine reizende tochter in die hose kackte. es geht das gerücht, daß ein mann die kinder manchmal im gebüsch hinter der kletterburg belästigt und ich gehöre natürlich auch zu den eifrigen mahnern, die ihre kinder jedesmal davor warnen. in ebenjenes gebüsch schleppte ich meine tochter und zog ihr die unterhose mit einem sauberen batzen darin aus. ich mußte sogar meine zigarette wegschmeißen, weil sie mir dabei in den augen brannte. also kam ich, auch erleichtert wieder heraus, an der einen hand meine fröhliche tochter, in der anderen die unterhose mit dem klumpen, was die alleinstehenden mütter, die sich immer zuhauf auf diesen spielplätzen herumtreiben, natürlich sofort argwöhnische blicke werfen ließ, was ich da mache, aus dem gebüsch kommend, mit einer kinderhose und einem kind. ich konnte also, da diese blicke einen obskuren rechtfertigungsdrang in meinem gewissen auslösten, die unterhose nicht wie geplant einfach so in die mülltonne werfen und weiter auf meine schwarzen freunde warten. also setzte ich mich wieder und wartete, bis das mißtrauen sich gelegt hatte und ich mich unbeobachtet fühlen konnte. dann ließ ich das ding unauffällig in eine einkaufstasche aus bast neben mir gleiten. ich war sehr zufrieden mit mir, denn ich konnte es so arrangieren, daß eine tüte mit bioreiscräckern darüber zu liegen kam und die besitzerin, eine verhärmte, kettenrauchende mutter, die mir schon immer ein dorn im auge war, das gute stück erst zu hause, also zuspät entdecken würde. es mag sich vielleicht einer wundern, warum ich gerade eben noch so ein leicht in gang zu setzendes, wenn auch fehlgeleitetes schlechtes gewissen hatte und jetzt plötzlich mit dieser erschreckenden skrupellosigkeit vorging, aber das gute gefühl zur bösen tat währte nicht lange. in einer anwandlung von freundlicher idiotie fragt diese mutter, ihre lights mit vorgetäuschter rücksicht hochhaltend, meine tochter, die nämlich die reiscräcker entdeckt hatte, willst du einen haben? und noch mit dem satz im ohr, eben dabei in windeseile das sandspielzeug zusammenzuklauben für einen schnellen abgang, konnte ich aus einiger entfernung beobachten wie die gute frau, an zwei fingern die unterhose hochhebend, denn sie war sich der ungeteilten aufmerksamkeit aller mütter sicher, einen unüberhörbaren laut des ekels ausstieß. meiner tochter fiel natürlich nichts besseres ein als mit ihrer piepsigen stimme zu sagen: eeehh, das ist meine! beat this.++++++++++++++ps: eine situation, in die reinhold messner wahrscheinlich nie geraten ist. klagenfurt: www.orf.at/orfon/kaernten/bp99/index.html

sven lager stockholm, - 25.06.99 at 01:30:18

Keine Klagen. Eine Nachricht. Ich hatte das Gefühl, ich sollte eine Nachricht hinterlassen, und ging noch einmal schnell in die Küche zurück, grub den alten Newton aus der Schublade und kritzelte "Liebe N" und wusste dann nicht genau, womit ich fortfahren sollte. Ich drückte "New Page" und entdeckte eine Liste zum Ankreuzen: Milk, Bread, Pampers, Water, Ice, Air, Plastics. Das Taxi hupte draussen. Fast gleichzeitig begann das Telefon zu läuten. In Eile kritzelte ich "I love you, T." , kreuzte "Plastics" an und vermerkte daneben "Wow!". Auf dem 405er richtung LAX dachte ich dann: WOW! PLASTICS! Das ist die Rettung für deutsche Wochenbeilagen. Seitengrosse Buchstaben, winzige Bilder. Meine Rettung!

t.k.l.a. - 25.06.99 at 02:02:19

Falls ich jemals ein kurzes Hemd mit Krawatte tragen sollte, dann weiss ich, es ist Zeit. Jetzt ist es aus. Da kann ich mir dann gleich den Binder als Strick nehmen und ab dafuer. In den Wagen um mich herum auf der Autobahn ist diese dubiose Subgruppe mittelwichtiger Geschaeftsmaenner in gehobenen Mittelklassewagen unterwegs, sie trinken Cola aus der Dose, schwitzen ein wenig, wenn ihr Dienstwagen keine Klimaanlage hat, und tragen alle Brillen. Wenn ich so einen Menschen ueberhole, kann ich es kaum fassen, dass es so etwas gibt. So eine Frechheit des Anblicks und die Langeweile dieser Leben. Zum Glueck schaut man ja beim Fahren meistens nach vorne, nie oder nur selten zurueck. In den Himmel vielleicht noch, der heute ganz weit oben von Zirren ins helle Licht verweht war, das strahlende Sommerblau, diese Tiefe der Farbe, die so schoen mit dem Hellgrau der dreispurigen Betonpiste nach Baden-Baden harmoniert. Im Radio: Montaigne und die Idee, dass Aisthesis den Menschen ausmacht und auch rettet, einfach Wahrnehmung, die Gabe, die Schoenheit der Welt zu sehen, wo sie denn nun einmal zu sehen ist. Mein Traum vom Glueck heute: Fernschach (Hallo, Herr Oswald!).

Eckhart Nickel Strasbourg, france - 25.06.99 at 11:47:20

Während Sven auf dem Spielplatz saß und auf seine Basketballmannschaft wartete und auf Lorenz, und nebenbei unsere Tochter in die Hosen schiss, lag ich im Bett und schlief. Von fern hörte ich das Klingeln an der Tür, aber ich verließ mich auf den Zettel, den Sven unten an der Klingel angebracht hatte und der Lorenz zum Spielplatz weisen sollte, damit ich meinen Mittagsschlaf nicht unterbrechen mußte. Was ich deshalb auch nicht tat. Dabei ahnte ich, daß die dicke kleine Priebe den Zettel abgerissen hatte, sonst hätte Lorenz nicht so oft geklingelt.

Elke Naters B., - 25.06.99 at 13:22:11

Einer der unglaublichsten Momente der letzten Woche: Im Autoradio ein Lied gehoert, und Gaensehaut bekommen. Seitdem nicht mehr aus dem Sinn, besonders die Wah-Wah-Sequenz der sitar-aehnlich gespielten Gitarre. Absolutes Wave-Glueck, Gitarrenpop, mit einer Frauenstimme, die mir seltsam vertraut vorkam. Als der Sprecher zum Glueck das Lied noch im Abspann ansagte, was ja leider die wenigsten noch tun, wurde mir klar, dass natuerlich nur eine Person in Frage kam, um einen schoenen fremden Mann zu besingen: Madonna.

en sb, fr - 25.06.99 at 15:37:11

Hallo, Herr Dr.Nickel. Ich schlage vor, wir spielen zwei Partien gleichzeitig, wie das im Fernschach so gemacht wird. Jeder spielt eine mit Weiß und eine mit Schwarz. Meine weiße Partie eröffne ich mit e4.

GMO München, - 25.06.99 at 23:52:38

geht doch lieber einen saufen.

elke n. berlin, - 26.06.99 at 00:21:41

es muß irgendetwas seltsames sein an belgischen kindern. jetzt wird sogar behauptet die schüler, die sich mit coca-cola vergiftet haben, wären einer massenhysterie erlegen, so wie sie 'in klöstern, schulgruppen und wohnungsgemeinschaften' vorkommen kann. normalerweise müssen wir doch lächeln, wenn wir lesen, wie japanische schülerinnen reihenweise in ohnmacht fallen. dieser fernöstliche hysterische gruppenzwang, denken wir, und jetzt auch in belgien, schüler, die an einem warmen sommertag in einem getränkeshop einfallen, jeder stellt sich einzeln an der kasse an, und die dann, erhitzt von der pubertären verwirrung herumalbern, plötzlich sagt einer es wäre ihm schlecht. alle kotzen und werden ins krankenhaus geschafft und die berichte darüber lösen in einzelnen schülergruppen, klöstern und wohngemeinschaften eine kollektive übelkeit aus. vor allem in frankreich. dort ist man sowieso dagegen, daß so etwas ausländisches in berührung mit den schülern kommt. alle colaflaschen werden konfisziert und an den deutschen hip-hop nachwuchs verteilt. vielleicht lag es auch daran, daß in belgien die coca-cola eric clapton limited edition auf dem markt war.

sven lager aus brüssel, für cnn - 26.06.99 at 15:24:45

vor dem mc donalds an der potsdamerstraße. in der abendsonne raufen sich die tauben um liegengebliebene essensreste. ein dicker mann sagt auf sächsisch zu dem türken neben ihm: "auf dem sanktmartinsplatz in venedig, da muß es noch viel schlimmer sein mit den tauben." - geht doch einen saufen. wie klingt denn das? ich entschuldige mich. einen heben, - geht doch lieber einen heben, müßte es heißen. wenn überhaupt.

e. naters potsdamerstr., - 26.06.99 at 18:58:19

Den ganzen Vormittag geklagenfurzt. Ihren Zauber hat diese Veranstaltung für mich verloren. Vor zwanzig Jahren war es für mich eine Art Glaubensbekenntnis Literatur zu lesen und der Bachmann-Wettbewerb war ein Kult. Ein echter Kult, nicht in dem Sinn, wie man heute sagt, dieses oder jenes sei "Kult". Als sich Goetz die Stirn aufschnitt haben wir das im Grundkurs Deutsch gegen den Willen unserer Lehrerin und gegen die Proteste der weißblusigen, faltenröckigen George-Leserinnen-Fraktion so lange zum Thema gemacht, bis "Irre" als Klassenlektüre durchgesetzt war. Die Lehrerin hatte zwar Bedenken, weil das nicht Abiturstoff war, aber wir gelobten, das andere Zeug nachzuholen. Der Unterschied zu heute ist, daß man damals Druck machen und durchsetzen konnte, daß ein Kurs von zwanzig oder dreißig Leuten ein Buch zu lesen hatte, das man ihm letztlich aufzwang. Deshalb haben sie sich wahrscheinlich auch geschworen, nie wieder etwas mit Literatur zu tun haben zu wollen und lesen heute "1000 ganz legale Steuertips".

GMO München, - 26.06.99 at 23:48:31

Nein, liebe Elke - wenn schon,dann einen saufen, nicht heben. Einen heben geht nicht. Das ist ja schon fast wie sich einen genehmigen oder sich einen zu Gemüte führen oder einen zur Brust nehmen. Natürlich ganz ungezwungen. Nein, nein, dann lieber einen saufen.

GMO Mü, Doi - 26.06.99 at 23:57:44

vorneweg, ich bin besoffen. stimmt nicht, genaugenommen bin ich angetrunken. "geht doch einen saufen", geht nicht. einen saufen kann man nicht. man kann einen heben. wenn dann: geht saufen. je kürzer die aussage, desto stimmiger muß sie sein. oder desto mehr muß sie stimmen. desto? nichts stimmt mehr.

e. naters berlin, - 27.06.99 at 00:48:05

Bis gerade eben saß ich mit meinem Freund Eckhart Nickel in der Paris Bar. Wir saßen und tranken einen weißen Bordeaux, dann kam Minister Naumann herein, das Ende seiner orangefarbenen Valentino-Krawatte wie einen Schal auf seine Schulter gelegt, setzte sich zu seinem mißratenen Sohn Felix und bestellte, die Zigarettenasche langsam abstreifend, einen Marc de Champagne. Unsere Agentin Karin Graf trat dazu. Jetzt wäre es richtig gewesen, Django anzurufen, den Motorradkurier aus dem Wedding, damit wir, ordentlich schnubbelnd, dem Aushilfskoch der Paris Bar endlich dazu bringen, das von Minister Naumann bestellte Steak Frites folgendermaßen an seinen Tisch zu bringen: Burnt. To a crisp.

Christian Kracht Berlin, Deutschland - 27.06.99 at 01:03:00

christen riechen schlecht. ich muß an meinen freund tarek denken, einen netten jungen mann, der mich durch die kairoer altstadt geführt hat und ein passables englisch sprach. natürlich war er ingenieur. so wie auch die österreicher nicht mit ihren fadenscheinigen titeln hinter dem berg halten. der ingeborg bachmann preis wurde übergeben vom bürgermeister, diplomkaufmann soundso, der nächste preis vom abgeordneten xy, auch diplomkaufmann, wie hervorgehoben wurde. hierzulande versteckt man ja jeden titel verschämt, der unter dr. rangiert. tarek war also angehender maschinenbauingenieur, was ja auch schon ein wenig ingenieur ist, und sehr interessiert an deutschland. der nachteil an den christen, meinte er, sei nur, sie riechen schlecht. ich hielt ihn natürlich für einen im grunde abgefeimten, fanatischen moslem und ließ ihm sein lächerliches vorurteil, nicht erwähnend, daß moslems ebenso nachteilige eigenschaften besitzen können, wie zum beispiel die kalte, weiche hand, die sie dem westler missmutig entgegenstrecken. heute, nachdem was vorgefallen ist, muß ich ihm recht geben. wir waren auf der suche nach etwas zu essen in eine christliche benefizparty geraten, die hauptsächlich auf dem hof des seniorenheims 'otto von bismark' oder so ähnlich abgehalten wurde, ein mit grünem gummi ausgelegter platz, an dessen beiden enden baskettballkörbe ohne körbe standen. wir aßen eine wurst und lauschten dem lärm einer christlichen jugendband, die modernen jazz spielte. die frau am würstchenstand war so freundlich mir den kartoffelsalatrest günstig zu überlassen, ' also das macht dreimal würstchen zu je zwei mark und der kartoffelsalat, den gebe ich ihnen für fünfzig pfennig, macht alles zusammen acht mark.' auf meinen zehnmarkschein gab sie mir einsfünfzig heraus. wieder dachte ich daran endgültig aus der kirche auszutreten, aber das ganze war ja für einen guten zweck. auf einem handgeschreibenen zettel stand: 'der erlös geht an christliche familien in israel.' neben kinderbelustigungen gab es noch einen sehr beliebten stand, an dem um billigen weißwein aus dem badnerland gewürfelt wurde und jeder gewinn wurde von einem lauten johlen begleitet. die ganze mannschaft trank wein, dessen wohltuende wirkung sie noch mit kecken, schief aufgesetzten hütchen für alle umstehenden unterstrichen. jedes der bandmitglieder hatte ein ausdrucksstarkes stück geschrieben und während wir dem freejazzgesteuerten innenleben der musiker lauschten entdeckten wir um uns herum viele junge menschen, die ebenso wie die jazzer ohrringe trugen, saubere sweatshirts und prinzipiell etwas zu volumenlastige frisuren. der kartoffelsalat war von seltener fadheit, ein geschmack, der nach mehreren bissen ein unwohlsein bei mir auslöste, wobei dieses unwohlsein eindeutig im zusammenhang mit der umgebung stand. wie soll ich es ausdrücken? er schmeckte nach dem kalten, freudlosen schweiß eines frommen menschen. christen riechen schlecht, es ist leider so, ob katholisch oder evangelisch, sie riechen nach unglücklicher fünfziger jahre nachkriegszeit. das soll nicht heißen, daß johannes rau so riecht. ich weiß es nicht. er hat wohl eher diese absolute geruchslosigkeit, die die langen jahre in der spd so mit sich bringen. im nachhinein muß ich sagen, solche verwirrung wie auch klarheit bringen gerüche mit sich, daß es auch ebendieser geruch war, der mich abstand nehmen ließ von einer sehr aparten, gutaussehenden bedienung im café gleich um die ecke, die ich über lange zeit gerne von weitem beobachtete bis ich mit ihr ins gespräch kam. seitdem bin ich um eine illusion ärmer.

sven lager vor ort, - 27.06.99 at 21:34:56