Lillebror ex machina
In der Soi 33 der Sukhumvit Road in Bangkok befindet sich genau auf der
Ecke, an der der Weg im rechten Winkel abbiegt, und sich parallel zur
Hauptstraße fortsetzt, eine aus weiß getünchten Steinen
errichtete Toreinfahrt. Passiert man diese, führt einen der leicht
abschüssige Kiesweg, vorbei an makellosem Rasen und tannenähnlichen
Bäumen, zum ebenfalls weiß getünchten Gebäude der
schwedischen Kirche Bangkok. Camilla und Magnus wollen ihre dort deponierten
Tickets abholen, und ich begleite sie, wohl aus Neugierde. In der Eingangshalle
empfängt uns eine füllige Dame in weißer Kittelschürze
und mit gesund-rosigem Teint, der wunderbar zu den Gebäckdüften
passt, die herrenlos das Gebäude durchströmen. Es ist Dezember,
und rechts, bei der Sitzecke, steht ein bunt, sehr bunt geschmückter
Baum, an dem unter anderem rot-weiß gestreifte Lutscher in Spazierstockform
hängen. In besagter Sitzecke, auf Möbeln, die verdächtig
nach Ikea aussehen, sitzt eine ebenfalls bunte Gesellschaft aus älteren
Herrschaften, die Damen in legerer Leinenkleidung, die Herren mit Anzughose
und durchschwitztem Hemd. Auch hier rosige Backen in wohlgenährten
Gesichtern. Während Camilla und Magnus in einer Wolke aus schwedischen
Worten verschwinden, sehe ich mich ein wenig um und bleibe bewundernd
vor dem Bücherregal neben der zweiten Sitzecke, auf deren Tisch sich
Kinderzeichnungen und Bastelarbeiten stapeln, stehen. Neben der Bibel
in allen Sprachen und diversen Formen religiöser Sekundärliteratur
stehen dort vor allem schwedische Originalausgaben von Astrid Lindgren,
und ich frage mich, ob wir uns in der Adresse geirrt haben, und aus Versehen
im schwedischen Äquivalent zum Goethe-Institut gelandet sind. Dann
muss ich zur Toilette, und auf dem Weg dorthin komme ich an einem weiteren
Regal vorbei, dieses gefüllt mit schwedischen Lebensmitteln, wovon
lakritzhaltige Süßwaren ein großzügiges Drittel
des vorhandenen Platzes einnehmen. Auf der Toilette dann Miniposter von
Fjordlandschaften, ein dunkelgrüner, gehäkelter Toilettendeckelüberzug
und flüssige Veilchenseife. Später sitzen wir auf der Veranda,
es hat geregnet, und die Bäume tropfen noch. Es gibt frischen Kaffee,
natürlich importiert, und eine mit Safran gefärbte Gebäckspezialität,
natürlich selbstgemacht. Die Gesellschaft aus der Sitzecke, und somit
auch die schwedische Wortwolke, sind ebenfalls nach draußen gezogen,
und das leichte Gefühl der Verwirrung, das mich heimlich beschleichen
will, manifestiert sich endgültig, als mich das thailändische
Hausmädchen auf Schwedisch anspricht. Später, im Taxi, erzählt
Camilla, dass alle Herren, die ich dort kennen lernen durfte, bei Volvo
arbeiten, bis auf einen. Und das war der Pfarrer. Dann wache ich auf.
|